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Ascheplatz

Die vielleicht letzte Schlüsselbranche des Westens

Oliver Fritsch | Mittwoch, 15. Oktober 2008 Kommentare deaktiviert für Die vielleicht letzte Schlüsselbranche des Westens

Die gigantische Weltkrise wird vor dem Fußball nicht haltmachen – bloß wie? Für die Bundesliga kommt die Not des Pay-TV-Senders Premiere hinzu

Spannende Frage: Was bedeutet der Weltuntergang an der Wall Street und ihren Abhängigen für den Fußball? Andere Frage: Was bedeutet die Krise von Premiere für die Bundesliga? Thomas Haid (Stuttgarter Zeitung) wagt sich in Anbetracht der anstehenden Ausschreibung der TV-Rechte ein Stück vor: „Schon bevor die Sender erste Angebote abgegeben haben, stehen aufgrund der Entwicklung auf den Weltfinanzmärkten im Allgemeinen und bei Premiere im Besonderen wahre Horrorszenarien im Raum. Die könnten bald Wirklichkeit werden. Die Liga hängt am Tropf von Premiere, doch diese Quelle sprudelt wohl bei weitem nicht mehr so schön, wie es die DFL erwartet hat. Schon jetzt ist zu hören, dass es Clubs gegeben haben soll, die ihre Etats im Vorgriff auf die von der DFL avisierten 500 Sirius-Millionen erstellt haben. Manche sollen sogar Harakiri gespielt und die erhofften Mehreinnahmen bereits wieder für Transfers ausgegeben haben. Aber nun kassieren die Vereine dieses Geld aller Voraussicht nach gar nicht.“ Dass Rupert Murdoch bei Premiere noch stärker einsteigen könnte und noch mehr zu sagen hätte, wertet Haid als schlechtes Zeichen für die Liga, denn Murdoch gilt als harter Verhandlungspartner. Die Kritik an der DFL wird wegen des gescheiterten Sirius-Modells sicher wachsen.

Alles in Butter? Die DFL gibt sich derzeit sehr überlegen uns souverän und stellt die angeblichen Vorzüge der deutschen Geschäftsmodelle gegenüber anderen heraus. DFL-Chef Christian Seifert sagt heute im Interview mit der FAZ: „Die Bundesliga ist vielleicht ein bisschen weniger glamourös als andere Ligen, aber dafür ganz sicher gesünder, verlässlicher, planbarer.“ Von der misslichen Situation Premiere will Seifert nicht viel wissen.

Eine Spielwiese des Kapitals aus aller Welt ist die Premier League, sie steht zurzeit unter besonderer Beobachtung, manche Konkurrenten reiben sich schon die Hände. Auch Raphael Honigstein (Tagesspiegel) hat „eine Menge Populismus und nicht wenig Schadenfreude“ bemerkt in den Äußerungen Michel Platinis, der England vor Überfremdung warnt, aber auch der internationalen Konkurrenz englischer Klubs. Jedoch verweist er darauf, dass man unterscheiden müsse. „Natürlich wird die Rezession die Liga treffen“, schickt er vorweg, „Konjunkturabhängigkeit ist im Profifußball systemimmanent.“ Andererseits rechnet Honigstein nicht mit einer Pleitewelle: „Ob eine Liga leidet, weil Fernsehsendern und Sponsoren das Geld ausgeht oder weil der Mäzen gerade einen Großteil seines Vermögens im Börsencrash verloren hat, ist letztlich genauso unerheblich wie die Staatsbürgerschaft der Eigner. Entscheidend ist die Qualität der Überlebensstrategien. Und da macht der englischen Liga so schnell niemand etwas vor.“

Englands Buchmacher ließen sich für das Spiel gegen Kasachstan was einfallen, um die im Moment vermutlich konsum- und wettscheuen Kunden anzulocken: „Man kann darauf wetten, in welcher Minute der TV-Kommentator zuerst einen Spruch der Filmfigur Borat zitieren wird.“

Christian Eichler (FAZ) stellt seine Rechnung über die Unverwüstbarkeit des englischen Ligafußballs vor: „Noch fließt Geld, denn es geht um Marktanteile an der Zukunft. Die Premier League bietet für die Zeit nach dem Finanz-Gau einige der Premium-Marken der vielleicht letzten Schlüsselbranche, in der dem Westen die Führungsrolle bleiben wird: dem Unterhaltungsgeschäft. Das überlebt jede Krise, getreu dem Motto: Wenn das Geld schon weg ist, wollen die Leute sich wenigstens amüsieren.“

Scheinheilig

Der Fiver (Guardian) gibt dem Fifa-Boss Blatter schweren Herzens rechts: „When the president of Fifa appeared before the EU to plead for more stringent regulations governing who is permitted to buy football clubs with their own or other people’s money, the Fiver felt even grimier than usual. The sweats, the anxiety, the sensation of insects crawling up our skin could mean only one thing: for the first time in living memory, we were in agreement with Sepp Blatter. Eugh!“ Kommt aber um einen Seitenhieb nicht drum herum: „Of course the problem with Sepp is that, even when he’s talking what appears to be sense, he is invariably undone by his blatant hypocrisy.“

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