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Unterhaus

Der DFB, der Abnicker der DFL

Oliver Fritsch | Montag, 27. April 2009 5 Kommentare

Der neue Grundlagenvertrag verrät für ein paar Milliönchen für die Profis den Amateurfußball

Am vorigen Freitag haben die Delegierten des DFB-Bundestags den neuen Grundlagenvertrag abgesegnet, der es der DFL gestattet, die Bundesliga, auf Kosten des Amateurfußballs, für ein paar Millionen mehr zu vermarkten. Ab der neuen Saison wird sonntags um 15.30 Uhr, zur Kernzeit der Amateure, angestoßen. Der Protest fiel kümmerlich aus. Wolfgang Hettfleisch (FR) kritisiert die Zustimmung: „Wenn der den Amateuren sehr wohlgesinnte Theo Zwanziger mal leise hüstelt, legen sich Millionen Kleinstfunktionäre lieber sofort ins Bett und ziehen sich die Decke über beide Ohren. Denn im DFB ist’s im Grunde wie in der Kirche: Alles Gute kommt von oben. So erklärt sich auch das Abstimmungsergebnis, das sogar altgediente SED-Kader zu Tränen rühren müsste. Macht nur, lautete die sorglose Empfehlung bei einer Enthaltung ohne Gegenstimme. Das Signal an Profifußball- und Fernsehmacher ist fatal: Es geht auch unten ohne, weil die Fußballbasis längst nicht am Ende ihrer Leidensfähigkeit ist. Eine Erkenntnis, die nicht folgenlos bleiben wird.“
Kleiner Protest
Das ökonomische Diktat (eigentlich das Diktat des kurzfristigen ökonomischen Nutzens) beäugt auch Daniel Theweleit (Berliner Zeitung): „Zwanziger hat Recht. Zumindest wenn man das bedingungslose Primat der Gewinnmaximierung zugrunde legt. Ohne ein zusätzliches Sonntagsspiel hätte der klamme Sender Premiere eine geringere Pauschale gezahlt, jeder Bundesligist hätte ein paar Euro weniger erhalten, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Klubs hätte möglicherweise tatsächlich etwas gelitten. Die Funktionäre hätten aber auch einfach einmal aus dem Fußballuniversum hinausblicken können. Sie hätten festgestellt: Das bedingungslose Streben nach immer mehr Geld, kann schlimme Folgen haben. Die DFL agiert ähnlich wie ein Börsianer, sie will schnelle Rendite, und der DFB hat es versäumt, die Frage zu stellen, ob da nicht ein Gegengewicht nötig ist.“

Das Demokratieverständnis des DFB, das Hans-Jürgen Irmer (Hessen-CDU und Vorsitzender des Verbandsligisten Eintracht Wetzlar) in Frage stellt, nimmt auch Theweleit aufs Korn: „Wenn die Delegierten darauf verzichten, sich einzubringen und ein Abstimmungsergebnis von nahezu einhundert Prozent produzieren, wirkt das nicht eben so, als wäre der DFB eine streitfähige und meinungsfreudige Organisation.“

Spielball der Profivereine

Roland Zorn (FAZ) fällt auf den rhetorischen Trick des DFB rein, der Zweitliga- und Erstligaspiele in einen Topf wirft – und seinen Verrat an den Amateurfußballern als Segen verkaufen will: „Die Amateure fürchten, so behaupten es zumindest die Initiatoren des Protests, in Zukunft einen erheblichen Einnahmen- und Zuschauerschwund. Doch dass sonntags künftig nur noch fünf statt bisher sieben Erst- und Zweitligabegegnungen stattfinden und live übertragen werden, wurde von den Demonstranten nicht erwähnt.“

Daniel Drepper (Zeit Online) zerpflückt die Aussagen des DFB-Vizepräsidenten Hermann Korfmacher, der für die Belange der Amateure zuständig ist: „Statt auf die DFL einzuwirken, verteidigt er die Beschlüsse der Profivereine und wirbt um Verständnis. Der neue Vertrag sei alternativlos, man müsse die ‚Einheit zwischen Amateur- und Profifußball‘ aufrechterhalten. ‚Außerdem können wir bei einem Vertrag zwischen Partei C und B ja keinen Vertrag ignorieren, den zuvor bereits Partei B und A geschlossen haben‘, sagt Korfmacher und meint: Wenn die DFL bereits einen gültigen Vertrag mit Premiere hat, muss sich auch der DFB an diesen Vertrag halten. Dass die DFL den Vertrag abgeschlossen hat, bevor sie dafür die rechtlichen Grundlagen mit dem DFB geklärt hatte, erwähnt er nicht. Wird der DFB nicht zum Spielball der Profivereine, wenn er nur noch die Beschlüsse der DFL abnickt?“

Kein guter Tag

Der Demokrat Theo Zwanziger und der Demokrat Reinhard Rauball schießen nun scharf auf die Politik, etwa die Intervention des Kartellamts, das Werbeverbot für Wettanbieter oder die Entscheidung des Sportausschusses, Reiner Grundmann, den Initiator des Protests gegen den neuen Bundesliga-Spielplan, zu Wort kommen lassen zu haben: „Ich dachte bislang, Politik sei dem Gemeinwohl verpflichtet und müsse sich deshalb um Interessenausgleich bemühen. Wir im Fußball tun das jedenfalls, denn wir sehen die Gesamtheit. Ich habe kein Verständnis dafür, dass Interessenvertretern, die nicht demokratisch legitimiert sind, eine solche Bühne verschafft wurde. Der Sportausschuss hatte an diesem Tag keinen guten Tag. Der Fußball ist nicht dazu da, dass über ihn der Wahlkampf der Parteien vorbereitet wird.” (zitiert nach Jens Weinreich)

Kommentare

5 Kommentare zu “Der DFB, der Abnicker der DFL”

  1. Ingrid
    Dienstag, 28. April 2009 um 19:28

    Ich hatte diesen Bericht hier verlinkt: http://www.diefussballecke.de/kloenecke/showthread.php?tid=412, wo von Fans zum Thema diskutiert wird.

    Dort antwortet ein User: „Ich bin erleichtert, dass tatsächlich auch andere Leute diese Verhöhnung mit Empörung aufnehmen.
    Man braucht ja nur mal die genannten Solidaritäts-Millionen auf die Anzahl der Vereine runterbrechen. Es bleiben stolze 475€ pro (Amateur-)Verein, die sich der Profifußball den Ausgleich kosten lässt. Vielen Dank.“

  2. Ingrid
    Dienstag, 5. Mai 2009 um 17:19

    Bin gerade auf dieses Interview gestoßen:
    http://www.zeit.de/online/2009/19/seifert-dfl-bundesliga?page=2

    …wo auch der Amateurfußball erwähnt, u.a. das neue Sonntagsspiel um 15.30 Uhr.

    Das habe ich mich auch schon gefragt, inwiefern sich die Änderung der Anstoßzeit von 17 Uhr auf 15.30 auswirken wird. Wenn man zu einem BL-Spiel um 17 Uhr will, muss man doch das Amateurspiel schon während des Spiels verlassen, sonst reicht die Zeit doch gar nicht. Wurde das bisher aber in Kauf genommen und die Amateurvereine hatten somit trotzdem das Eintrittsgeld sicher?

    Auch wird darüber diskutiert: http://www.myheimat.de/lehrte/beitrag/74533/die-zukunft-des-deutschen-amateur-fussballs#comment

    Nebenbei: Als ich den Zeit-online-Bericht verlinken wollte, fiel mir der Link zum „Tagesspiegel“ unter der Überschrift auf.
    Also ist das Originalinterview vom Tagesspiegel geführt? Ist bei Onlinezeitungen so üblich, dass Berichte/Interviews so übernommen werden?

  3. Oliver Fritsch
    Mittwoch, 6. Mai 2009 um 08:53

    1. Die Vereine hätten längst protestieren können (müssen?), früher war der Sonntag heilig, da gabs keine Bundesliga.
    2. Die größten „Verluste“, so zumindest die Befürchtung, entstehen durch TV-Zuschauer.
    3. Tagesspiegel und Zeit Online gehören beide zu Holtzbrinck, die kooperieren.

  4. Ingrid
    Mittwoch, 6. Mai 2009 um 15:18

    Dann bin ich wohl nicht genug Fan von einem BL-Verein, denn wg. einer TV-Übertragung würde ich (wahrscheinlich) nicht zu Hause bleiben sondern dann die Übertragung auf Festplattenrekorder aufnehmen und mir das Spiel nach dem Live-Amateurspiel dann im TV anschauen. Nur sollten die Amateurvereine nicht während ihres Spiels die Spielstände des BL-Spiels durchsagen, damit man später das TV-Spiel auch noch mit Spannung anschauen kann.
    So verfahre ich z.Zt. auch oft mit der Sportschau. Mich ärgert dann nur immer, wenn ich die Ergebnisse unserer Jugendspiele bei fussball.de anschaue und dort schon auf der Amateurseite eine Überschrift auf BL-Ergebnisse hinweist.

    Vielleicht würde ich mal von diesem Vorgehen abweichen, wenn das BL-Spiel ein ganz entscheidendes Spiel wäre und dazu vielleicht noch ein „Sauwetter“. Da ich aber kein Premiere habe, kann ich das vielleicht auch nicht so gut beurteilen.

  5. Blog für den kritischen Fußballfreund | direkter-freistoss.de » Gegen Schalke haben wir keine Chance!
    Donnerstag, 23. Juli 2009 um 07:31

    […] die Delegierten des DFB-Bundestags in Düsseldorf den neuen Bundesliga-Spielplan mit einem Wahlergebnis, das der SED den Neid ins Gesicht getrieben hätte. Die Folgen dieses Verrats an der Basis sind […]

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