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Internationaler Fußball

Maestro des gesprochenen Fußballs

Oliver Fritsch | Dienstag, 19. Mai 2009 1 Kommentar

Für den Meistertitel Mailands steht José Mourinho, für die Barcelonas und Manchesters Pep Guardiola und Alex Ferguson

Birgit Schönau befasst sich in ihrem Blog Opera Buffa mit Inter Mailands Titelgewinn: „Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, dass die Mannschaft in den letzten 47 Ligaspielen keinen einzigen Gegenelfmeter kassiert hat. Ab morgen wird man daran denken, wie die Mannschaft für die kommende Champions League verstärkt werden kann. Am Geld (die Quellen von Massimo Moratti versiegen wohl nie) soll es nicht liegen. Schon jetzt sind Inters Schulden praktisch so groß wie der Umsatz, nach normalen Regeln wäre der Club schon pleite. Aber Moratti ficht das nicht, er bezahlt dem geschassten Roberto Mancini weiter ein fürstliches Gehalt, hat den bestbezahlten Kicker Europas, Ibrahimovic, unter Vertrag, und trotzdem reden am Abend der Meisterfeier alle von weiterem Geldausgeben. José Mourinho wird bleiben, er hat sich in Italien schnell durchgesetzt. Und lässt die maulfaule Konkurrenz noch blasser aussehen.“

In der SZ schreibt sie über José Mourinho, der Fans und Spieler für sich gewinne und den Mut habe, den Mund aufzumachen: „Mou wird von seinen Spielern verehrt, beim Publikum genießt er nach zehn Monaten Kultstatus. Er ist witzig und gewandt, ein echter Maestro des calcio parlato, des gesprochenen Fußballs. Mourinho hat die Serie A der schweigenden Höflinge vom Schlag eines Carlo Ancelotti ordentlich aufgemischt – dazu gehört auch die Systemkritik, der italienische Fußball sei derzeit international nicht konkurrenzfähig, Inter eingeschlossen.“

Missglückt und gescheitert

Julius Müller-Meiningen (Berliner Zeitung) fügt hinzu: „Mourinho hat es sich mit seinen Generalangriffen gegen den Calcio mit ganz Italien verscherzt. Nie aber sei ein Inter-Kader so verschworen gewesen, heißt es. Auch das Publikum wirkt dank Mourinho euphorisiert wie lange nicht.“

Tom Mustroph (Neue Zürcher Zeitung am Sonntag) hingegen misst Mourinho am Misserfolg in der Champions League und am niedrigen ästhetischen Wert: „‚The Special One‘ wurde engagiert, um der schmucklosen Gloria der Mancini-Jahre Glanz zu verleihen und vor allem die Mannschaft international wettbewerbsfähig zu machen. Beides ist Mourinho missglückt. Mourinho ist darin gescheitert, Inter ein flexibleres und attraktiveres Offensivspiel anzutrainieren. Der 17. Scudetto von Inter ist wahrlich keine Preziose.“ In einem zweiten Text geht es darum, wie es Inter erst im dritten Versuch gelang, ihrer Diva Zlatan Ibrahimovic ein Tor aufzulegen.

Das Real-Imperium sammelt Kräfte, um zurückzuschlagen

Die Meisterschaft des FC Barcelona zieht Würdigungen des Trainers nach sich. Georg Bucher (Neue Zürcher Zeitung) wertschätzt die Harmonie dessen Stils: „Wie ein Alchimist mixte Pep Guardiola aus Bodenständigen und Weltläufigen ein wunderbares Gebräu. Zurück zu den Wurzeln, lautete die Devise, vorwärts mit eigener Identität. Unter Guardiolas Regie ist das Ideal real geworden und zum Verdruss Real Madrids eine Equipe entstanden, die auch Pressing beherrscht, vor allem jedoch sich selber zur Geltung bringt: Kontrolle, wenn nötig, Improvisation, wenn möglich, und im Mittelpunkt steht immer der Ball.“

Mit dem Ex-Präsidenten Florentino Perez (2000-06) wird es Real Madrid wohl versuchen, den FC Barcelona wieder einzuholen. Paul Ingendaay (FAZ) erinnert an dessen Prämissen: „Verpflichtung von absoluten Topspielern, gern auch unter besonderer Berücksichtigung ihres Schauwerts wie bei David Beckham; Marginalisierung der fußballerischen Grundlagenarbeit; enormer Erfolgsdruck für den Trainer; und systematische Vernachlässigung des eigenen Nachwuchses. (…) Das Real-Imperium sammelt schon Kräfte, um gegen Barça zurückzuschlagen. “

Rotation kann doch funktionieren

Hanspeter Künzler (Neue Zürcher Zeitung) führt die Meisterschaft Manchester Uniteds auf die Ausgeglichenheit des Kaders und die Strategie Alex Fergusons zurück, der den Konkurrenten Rafael Benitez (FC Liverpool) mit dessen, bislang erfolglosen Waffen geschlagen habe: „Der Hauptunterschied zwischen dem Tabellenersten und dem Zweiten besteht darin, dass es Meistermacher Ferguson verstanden hat, viele zweitklassige Kaderspieler ans Niveau der Spitzenkräfte heranzuführen. O‘Shea, Evans, Fletcher und Park haben allesamt wichtige Beiträge zum Titelgewinn geleistet. Früher bekam Benitez oft den Vorwurf zu hören, mit seiner ewigen Rotation schade er der Kontinuität und vergraule die Spieler. In dieser Saison hat er nur 23 Spieler eingesetzt. Und nun bewies ausgerechnet sein Rivale Ferguson mit dem elften Titelgewinn mit Manchester United, dass dieses System der Rotation im Spielerkader doch funktionieren kann.“

    NZZ: Die gestürzten Dauermeister aus Lyon ebnen mit einem Sieg in Marseille Bordeaux den Weg zum Titel
    SZ: Jürgen Röber in Russland (Ramenskoje) entlassen, wie so viele ausländische Trainer

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Kommentare

1 Kommentar zu “Maestro des gesprochenen Fußballs”

  1. Lena
    Mittwoch, 20. Mai 2009 um 14:07

    Die super gute europäische Zusammenstellung macht mal wieder überdeutlich: Der Erfolg gibt recht.

    Alles wird hochgelobt, was Titel bringt. Und wenn ein einem anderen Land, in einer anderen Liga eine ganz andere Idee reüssiert, dann können’s die örtlichen Kollegen nicht oder sind doof.

    Die unterschiedlichen Stile und Ideen, die in Europas Ligen Erfolg gebracht haben, lassen mich ein wenig ratlos zurück. Scheint doch der Faktor Zufall sehr stark an der Krönung der Erfolgreichen beteiligt.

    In diesem Sinne hoffe ich auf den VfB.

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