indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Ascheplatz

Die unberechenbarste Nebensache der Welt

Oliver Fritsch | Mittwoch, 10. Juni 2009 5 Kommentare

Ungeachtet der Finanzkrise bleibt Real Madrid liquide, kauft Kaká / Italiens Klubfußball verliert die Anziehungskraft, nur bis Diego hat sich das nicht rumgesprochen

Markus Lotter (Berliner Zeitung) kommentiert den 65-Millionen-Transfer Kaká: „Die Elite des europäischen Klubfußballs war nur für ein paar Monate verängstigt und handelt nunmehr wieder wie ehedem. Ölmagnaten, Bauunternehmer werden sich weiter ihren Traum von einer fantastischen Fußballmannschaft erfüllen, weil das Fußballgeschäft in seiner exaltiertesten Form wohl doch nicht so eng mit der Weltwirtschaft verzahnt ist, wie Uli Hoeneß glaubt und hofft. Der Fußball scheint immun zu sein gegen all die Kräfte, die den Alltag beherrschen. Der Fußball ist die unberechenbarste Nebensache der Welt, weil er sogar die Gesetze der Betriebswirtschaft zuweilen außer Kraft setzt.“

Kaká hat im Januar gesagt: „Ich bleibe auf immer bei Milan. Gott hat mir den Weg gewiesen!“ Peter Penders (FAZ) spöttelt: „Vielleicht meinte er damit aber doch nur Silvio Berlusconi, den Klubeigner, Medienzar und italienischen Ministerpräsidenten – das kann in Italien schon einmal verwechselt werden.“

Ralf Itzel (Berliner Zeitung) hat derweil Spatzen gehört: „Christoph Metzelder darf auf Versetzung in die zweite Galactico-Ära hoffen – einen Landsmann im Kader findet Reals Sponsor Adidas gut.“

Welch düstere Aussichten!

Tom Mustroph (taz) befasst sich mit einem neuen Trend, der Immigration italienischer Jugendfußballer: „Die Stars greifen mit ihrer Flucht eine Tendenz auf, die die Jugend schon längst verinnerlicht hat. Wer sich auf Italiens Nachwuchsbolzplätzen einen Namen verschafft hat, sucht, so schnell es geht, das Weite. Mehrere Dutzend 15- bis 17-Jährige wagten in den letzten drei Jahren den Sprung ins Ausland. Besonders hoch ist die Dichte an ballgewandten Gastarbeitern vom Stiefel in England. Clubs wie Chelsea, Arsenal und Manchester United bieten saftige Gehälter, einen Platz an einer Fußball-Akademie, Englischunterricht und zudem noch den mitreisenden Vätern Jobs als Gärtner, Chauffeur oder Pförtner. Außerdem erhalten die Jungprofis in England schneller die Möglichkeit, sich im Ligabetrieb auszuzeichnen.“

Zudem bilanziert er das mickrige Transferzwischenergebnis: „Um den italienischen Klubfußball scheint es übel bestellt. Es gibt bislang nur zwei prominente Neuzugänge auf der Spektakelbühne: zum einen den offensichtlich schlecht beratenen Diego. Denn was will der freiraumbrauchende Brasilianer bei einem disziplinfanatischen Malocher-Club wie Juventus Turin? Gefeiert wird im Landes des Weltmeisters außerdem die Rückkehr von Nationalmannschaftskapitän Fabio Cannavaro. Allerdings: Der alternde Muskelprotz ist allenfalls ein Könner im humorlosen Ballwegschlagen. Oh bella Italia, welch düstere Aussichten!“

Kein klassischer Bayern-Transfer

Christof Kneer (SZ) bezeichnet es als „Sensation“, dass Bayern München Edson Braafheid kauft: „In seiner Vita findet sich keine einzige jener Referenzen, die einen sonst zum Bayern-Spieler qualifizieren: Er hat nie gegen Bayern gespielt, und schon gar nicht überragend. Man kann mit ihm keinen Ligagegner schwächen, indem man den besten Mann wegkauft.“

Nachgereicht den Hintergrundtext der FAS über die neue Macht der Trainer (mit schöner Illustration).

Kommentare

5 Kommentare zu “Die unberechenbarste Nebensache der Welt”

  1. Jan
    Donnerstag, 11. Juni 2009 um 06:15

    Ja, Berlusconi und Gott kann man schon mal verwechseln.

  2. Christina
    Donnerstag, 11. Juni 2009 um 09:57

    Die Wege des Herrn sind unergründlich, die von Berlusconi erst recht! Vielleicht hat Kaká da einfach nur irgendetwas falsch verstanden, das kommt bei Mailand und Madrid schließlich in den besten Fußballerkreisen vor, nicht wahr, Herr Möller!?

    Zu Metzelder kann man nur sagen, dass es traurig ist, dass das Argument des Sponsors den Ausschlag über seinen Verbleib zu geben scheint, und dass, wo er sich doch zumindest schuhtechnisch bei der Konkurrenz ausrüstet.

  3. erz
    Montag, 15. Juni 2009 um 23:06

    Nachdem auch hier beim Indirekten Freistoss die Sommerpause angekommen ist (wobei die Spiele der letzten zwei Tage ja für einiges entschädigten. Und dann noch dieser tolle Özil. Herr Fritsch! Özil, den man gar nicht genug über den grünen Klee loben kann. Ich bin gerne der erste, der das Wort zidanesk über diese Spielanlage in den Mund nimmt. Erinnern Sie mich gerne daran, wenn der junge Mann in seinem nächsten Finale seine Leistung voll abruft)…

    Wer jedenfalls noch nicht genug von Fußball in der Sommerpause hat, sei herzlich eingeladen, sich ein Urteil zu Peter Neururers Eskapaden in Amerika zu bilden. Wir sind womöglich einer Weltverschwörung auf der Spur!

  4. abiszet
    Dienstag, 16. Juni 2009 um 14:30

    Ja, leider wurde der indirekte Freistoss seit Tagen nicht ausgeführt … Ich kann aber nur „erz“ zustimmen: Was Özil gestern geliefert hat, war außergewöhnlich. Nur ein Tor hätte er machen müssen. Wenn wir schon bei Vergleichen sind – ich fand gestern Herrn Jerome Boateng geradezu „desailly-esk“. So habe ich ihn beim HSV noch nie spielen sehen. Warum suchen die Hamburger eigentlich einen IV?

  5. Marvin Nash
    Dienstag, 16. Juni 2009 um 15:26

    Mir gefällt er als Innenverteidiger auch viel besser. Müsste noch ein wenig am Kopfballspiel arbeiten. Besser als Gravgaard ist er aber allemal 🙂 .

    Schade mit der Sommerpause. Hätte doch sehr gerne hier über Confed-Cup, U21-EM und Transfers gelesen.

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