indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Ball und Buchstabe

Sollten Sie Lehmann auf der Straße begegnen, bleiben Sie ruhig

Oliver Fritsch | Montag, 14. Dezember 2009 3 Kommentare

Der erneut verhaltensauffällige Stuttgarter Tormann verursacht dem VfB einen doppelten Punktverlust und klaut seinem neuen Trainer Christian Gross die Schlagzeilen

Die Journalisten verurteilen Jens Lehmann, zeigen aber beinahe Mitleid, die Leitartikel lesen sich wie Bulletins. stern.de diagnostiziert „unkontrollierbaren Wahnsinn, Lehmann wusste nicht mehr, was er tat“, die FR erkennt einen „Menschen, der keine Ruhe findet“, die Basler Zeitung will „die tiefste Krise in Lehmanns Karriere“ ausmachen.

Die Frage, die sich die Fußballpresse stellt: Wirft der VfB seinen Keeper aus der Mannschaft? „War der merkwürdige Abgang“, lesen wir auf faz.net, „möglicherweise der Abschied durch die Hintertür?“ In den Tagen zuvor hatte sich Lehmann geweigert, die 40.000 Euro Strafe zu zahlen, die ihm der Klub wegen öffentlicher Kritik auferlegt hatte. Jens Fischer (stern.de) könnte verstehen, wenn die Stuttgarter Klubführung um Horst Heldt und Dieter Hundt die Geduld mit Lehmann verlieren würde: „Die Verantwortlichen werden sich genau überlegen müssen, ob bei Lehmann die Verhältnisse noch stimmen. Die Zahl seiner Fehltritte ist beinahe ungezählt, kaum ein Monat verging in den vergangenen anderthalb Jahren, in dem Lehmann nicht verhaltensauffällig wurde. Auch in der Mannschaft ist Lehmann schon lange nicht mehr bei allen Kollegen unumstritten.“

Vielleicht fehlt Herrn Lehmann ein klarer Feind

Matthias Klappenbach (Tagesspiegel) erinnert Jens Lehmann daran, dass Oliver Kahn seine Karriere beendet hat: „Herr Lehmann zeigt ständig, dass er selbst keinen Respekt vor den anderen Sportlern hat. Man könnte ihm in jedem Spiel vom Platz stellen, weil er andauernd rempelt, provoziert, reklamiert, unsportlich ist. Oft wird gesagt, dem Fußball fehlten Typen. Solche sicher nicht, auch wenn Herr Lehmann unterhaltsam ist. In der Stuttgarter Krise wäre seine Erfahrung gefragt, um die Situation zu beruhigen. Doch Herr Lehmann macht zum Karriereende nochmal Tempo. Der letzte große Kampf, den Herr Lehmann rein sportlich gewonnen hat, war der um das deutsche Tor gegen Oliver Kahn. Vielleicht fehlt Herrn Lehmann einfach ein klarer Feind, auf den er sich konzentrieren kann.“

Aufmerksam verfolgen die Schweizer Medien den Fall, mit großer Distanz zum deutschen Fußball berichtet die Neue Zürcher Zeitung. Peter B. Birrer wird allgemein: „Christian Gross hat noch einiges und nicht nur mit Lehmann zu tun, in diesem überdrehten, ausgezeichnet verpackten Mikrokosmos der Egoisten und Selbstdarsteller, in dieser posaunenden Bundesliga, in der sich vor Trainern Kameras türmen, Mikrofone bündeln – und in der dort, wo hinterher Informationen beschafft werden, Ellbogen ausgefahren werden. Willkommen, Christian Gross!“ Der Hintergrund dieser radikalkritischen Aussagen: In dieser Saison sind bereits zwei Schweizer Trainer, Lucien Favre in Berlin und Marcel Koller in Bochum, entlassen worden. Beide gelten als fachlich unumstritten, aber zu durchsetzungsschwach für die Männerszene Bundesliga.

Lehmanns Pfleger ist hoffentlich in der Nähe

Gross reagierte gelassen auf sein verdorbenes Debüt: „Ich kenne den Fußballer Jens Lehmann ziemlich gut, aber ich kenne den Menschen Jens Lehmann noch nicht genug.“ Er wird wissen, dass er seinen Tormann, der auch im Mainz tadellos hielt, in der Bundesliga und im Champions-League-Achtelfinale noch gut brauchen kann. Er wird aber auch wissen, dass sein pädagogisches und psychologisches Geschick gefragt sein wird.

Wie hoch der Betreuungsaufwand für den Schwererziehbaren sein wird, ist die spannende Frage der Stuttgarter Rückrunde. Der twitternde Dieter Nuhr jedenfalls gibt Entwarnung: „Sollten Sie Jens Lehmann auf der Straße begegnen, bleiben Sie ruhig, keine hektischen Bewegungen, sein Pfleger ist in der Nähe …“

freistoss des tages

Kommentare

3 Kommentare zu “Sollten Sie Lehmann auf der Straße begegnen, bleiben Sie ruhig”

  1. Glubb-Blog Clubfans bei FCN-Auswärtsfahrten und Groundhopping - Das Wort zum 16. Spieltag: Lehmann überholt Kahn
    Montag, 14. Dezember 2009 um 20:44

    […] ein wenig Lockerheit einkehrte, drängt sich bei Lehmann der Eindruck auf, daß er von Jahr zu Jahr dämlicher und arroganter wird. Der Mann hat erst im November seinen 40. Geburtstag gefeiert! Aber wieviel Unsportlichkeiten […]

  2. Matthias
    Mittwoch, 16. Dezember 2009 um 22:16

    Hallo Oliver,

    nichts für ungut – aber gab es zum 16. Spieltag keine Presseschau? Sooooo wichtig ist Lehmann mit seinen Eskapaden ja auch wieder nicht, dass er die sonstige Berichterstattung verdrängt hat. Und nur weil Du VfB-Fan bist… ;-)).

    Soll keine Kritik sein – im Gegenteil: Der indirekte freistoss versüßt mir immer den Montag. Good work! Hab ihn diesmal halt nur vermisst.

    Viele Grüße
    Matthias

  3. Holz
    Donnerstag, 17. Dezember 2009 um 10:49

    Ich denke auch, dass die VfB-Lastigkeit hier eindeutig den fußballerischen Präferenzen des verehrten Herrn Fritsch 🙂

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