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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Interview

Horst, der Pferdeflüsterer

Frank Baade | Dienstag, 5. Januar 2010 2 Kommentare

Jogi Löw weiß noch nicht, wie er Personal auswählen wird, Horst Hrubesch kann mit Tier und Mensch umgehen, bedauert aber eine Nachlässigkeit seinerseits, ein anonymer depressiver Fußballer berichtet

Reichlich widersprüchlich äußert sich Jogi Löw im Interview mit Lars Gartenschläger in der Welt am Sonntag zu den Voraussetzungen seiner Personalauswahl für die WM 2010 in Südafrika: „Löw: Ich denke, dass die Mannschaften einen Vorteil haben werden, deren Spieler schnell und ausdauernd sind. Denn das wird eine Weltmeisterschaft, bei der mit viel Tempo gespielt werden wird.

Welt am Sonntag: Wird die Fitness eines der entscheidenden Auswahlkriterien für Sie sein?

Löw: Auch. Das ist eine Lehre aus der EM 2008. Da haben wir zu spüren bekommen, wie es ist, wenn man auf Spieler baut, die zwar gut sind, aber ihr Potenzial nicht abrufen können, weil sie in den Monaten vor dem Turnier nicht regelmäßig im Klub gespielt haben.“

Um dann wenig später mit Blick auf die geringen Einsatzzeiten einiger Wackelkandidaten fortzufahren:

„Löw: Im Moment bin ich ganz entspannt und mache mir deshalb noch keine Sorgen. Es gibt ja genügend Beispiele von Spielern, die es geschafft haben, in Länderspielen hervorragende Leistungen abzurufen, obwohl sie zuvor in ihren Vereinen Probleme hatten. Ich wünsche vor allem Thomas Hitzlsperger, dass er in diesem Jahr wieder an seine starken Leistungen anknüpfen kann, denn bei ihm hat man zuletzt gemerkt, dass die Situation in Stuttgart nicht spurlos an ihm vorüber gegangen ist.“

„Pferde sind ehrlich“

Horst Hrubesch angelt nicht nur, er ist auch eine Art Pferdeflüsterer. Die Vergleiche, die er zur Arbeit mit jungen Fußballspielern zieht, muten dann auch nicht weniger obskur an, als wenn er vom Umgang mit Fischen spräche. Michael Ashelm (FAZ) hat zugehört: „Ich kann da viel für die Arbeit mit meinen Spielern herausziehen. Pferde sind ehrlich und suchen eine offene Kommunikation zum Menschen. Wenn du offen mit ihnen umgehst und Augenkontakt suchst, kannst du sie lenken, ohne zu reden. Diese Art von Körpersprache wende ich auch auf dem Fußballplatz an. Meine Spieler sehen sofort an meiner Körperhaltung und meinem Auftreten, um was es mir geht.“ Gefragt, was er von seinen Spielern verlange, greift er auf die Erinnerung an eigene Fehler zurück: „Sie sollen die Klappe aufmachen, wenn sie spüren, dass etwas in die falsche Richtung läuft. Ich wäre 1982 gerne Weltmeister geworden. Das ärgert mich heute noch, dass es nicht geklappt hat. Doch wir hätten damals alle mehr dafür tun müssen. Das war nicht so, wir waren deshalb im entscheidenden Augenblick nicht fit. Ich werfe mir bis heute vor, dass ich das damals nicht in der Mannschaft angesprochen habe. Es ist das Schlechteste, was einem Sportler passieren kann, wenn er am Ende feststellen muss, dass eine Niederlage wegen einer Nachlässigkeit zustande gekommen ist.“ Ob Hrubesch weiß, dass Tiere auch lügen können?

„Darauf wird man nicht verzichten wollen“

Ein bemerkenswertes Interview hat Michael Rosentritt für den Tagesspiegel aufgezeichnet. Ein anonym bleiben wollender ehemaliger Profi spricht über sein Leben mit Depressionen und den Versuch, trotz dieser Einschränkung seinen Traum vom Fußballerleben zu erreichen:

Leiden Sie heute an Depressionen?

Ich habe zwölf Jahre beim FC Bayern gespielt, bis hoch zur A-Jugend, wo ich schon die Ellenbogengesellschaft zu spüren bekommen habe.

Das gehört zum Leistungssport.

Schon, aber es geht immer um das Wie. Wer damals als Spieler hinzukam, der war kein Kollege, sondern ein Feind.

Der bekämpft wird nach dem Motto: Den lassen wir hier nicht rein?

Nicht wir, sondern: Ich lasse ihn hier nicht rein! Ellenbogen raus! Das wurde gefördert, und es wird ja immer schlimmer im Jugendbereich. Da werden schon Sieben- und Achtjährige gescoutet und in Datenbanken erfasst, die über Jahre hinweg verfolgt werden. Dann wird gesagt: Wir holen vier Neue, dafür gehen vier raus. Was aus denen wird, interessiert keine Sau.“

Eindringlich schildert der Unbekannte den Verlauf seines Leidenswegs, um schließlich wenig Hoffnung zu vermitteln, dass sich in dem hier diskutierten Punkte im Fußball etwas ändern könne.

„Im Fußball ist es so, dass du mit Menschen zu tun hast, die kaum Sensibilität zeigen. Deisler hat den Mut gehabt. Ich nicht. (…) Im Fußball hast du keine Chance mit dieser Krankheit. Heute weiß man fast alles über den Gegner. Der Trainer sagt vor einem Spiel: Du, dein Gegner hatte mal eine Knieoperation unten rechts, also du weißt, wo du mal hintreten musst, oder der ist leicht reizbar – reize ihn mal! Das wird im Fußball bewusst eingesetzt. Das ist eine Waffe und darauf wird man nicht verzichten wollen.“

Kommentare

2 Kommentare zu “Horst, der Pferdeflüsterer”

  1. tafelrunde
    Dienstag, 5. Januar 2010 um 22:01

    Ein heißes Thema, das da im Tagesspiegel angesprochen wird. Es läuft auf die Kernfrage hinaus: Was wollen wir im Fußball bzw. in der Gesellschaft? Unabhängig von der Krankheit Depression. Denn diese wird es immer geben, genau so, wie sich der Mond um die Erde dreht.

    Wollen wir Spaß an der Sache oder Einfügen in bestehende Systeme um jeden Preis? Im Prinzip eine individuelle Sache. Das sollte in einem demokratischen Umfeld jeder selbst entscheiden können.
    Kann das wirklich jeder selbst entscheiden? Eine Vertiefung hierzu würde auf die z.Zt. gerade in der Neurowissenschaft heftig geführte Diskussion hinauslaufen, inwieweit der Mensch ein selbstbestimmtes Individuum ist. Oder ob er nicht vielmehr ein, seinem intrinsischem Hormon- bzw. Gen-Cocktail unterworfenes Objekt ist. Ein sehr weites Feld.

    Selbstverständlich gibt es Konformitätsdruck, nicht ganz so starke Menschen wie Jesus und Gandhi etc., die berühmten Umstände, was alles dazu führt, dass es leider nur wenige Helden gab, gibt und künftig geben wird.

    Der wohl immerwährende Zwiespalt, ob man junge Menschen dazu anhalten sollte, sich gegen das alt hergebrachte zu stemmen, um einen wirklich eigenen Weg zu gehen, oder ob sie sich den Gegebenheiten möglichst weit anpassen sollten, um dadurch einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen, wird, soweit man das bisher überblicken kann, leider nicht so schnell gelöst werden.

    Ich für meinen Teil, werde meinem Sohn (F-Jugend, auf der Scouting-Liste der Bayern, auf jeden Fall das größte Talent seit Pele) jedenfalls nie und nimmer ans Herz legen, Profifußballer zu werden. Bei aller Liebe. Oder gerade deshalb.

  2. Horst, der Pferdeflüsterer | indirekter freistoss « Fussball News
    Dienstag, 5. Januar 2010 um 23:02

    […] Horst, der Pferdeflüsterer | indirekter freistoss Veröffentlicht in Allgemeines von gutscheine2 am 5. Januar 2010 Eindringlich schildert der Unbekannte den Verlauf seines Leidenswegs, um schließlich wenig Hoffnung zu vermitteln, dass sich in dem hier diskutierten Punkte im Fußball etwas ändern könne. ?Im Fußball ist es so, dass du mit Menschen zu … Zur Nachricht […]

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