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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Am Grünen Tisch

Die Sanktionen in der Bundesliga sind maßvoll und treffen die Richtigen

Frank Baade | Donnerstag, 25. März 2010 2 Kommentare

Gleich drei Erstliga-Klubs werden mit Strafen belegt, welche erstmals die Fans direkt betreffen, die Urteile werden als angemessen und maßvoll bewertet, die Klubs wehren sich gegen die Ultras

Hertha: Urteil mit Augenmaß

Hertha BSC Berlin darf im Heimspiel gegen Stuttgart nur 25.000 Heimzuschauer ins Olympiastadion lassen. Dies ist das Urteil nach der Platzstürmung durch Berliner Fans.

„Es war ein Urteil mit Augenmaß, welches das DFB-Sportgericht fällte“, kommentiert Michael Jahn in der Berliner Zeitung. „Nachdem das gleiche Gericht in dieser Woche bereits drastische Strafen gegen den 1. FC Köln und gegen den 1. FC Nürnberg ausgesprochen hatte, schien möglich zu sein, dass der DFB an Hertha ein Exempel statuieren würde, denn das Brechen eines Tabus – das Erstürmen eines Platzes – hat eine sehr hohe Qualität an Fehlverhalten. Hertha rechnet nun mit einem wirtschaftlichen Schaden von rund 350.000 Euro, auch der Imageverlust ist hoch.“

Robert Ide empfindet die Strafe ebenfalls als angemessen (Tagesspiegel): „Wie würde sich erst ein Heimspiel in einer anderen Arena anfühlen, oder eines im gänzlich leeren Olympiastadion? Das Urteil hat das richtige Maß, ist für jeden sichtbar. Das gilt auch für den Ausschluss von Fans des 1. FC Köln bei einem Auswärtsspiel ihres Klubs, zumal es hier schon öfter Vorfälle gab. Nachsicht mit Randalierern zeigt keiner mehr, nicht mal in den harten Fankurven.“ Der deutsche Fußball scheint lernfähig zu sein, wobei auch diese Erkenntnis durchgedrungen sei: „Fans, die ernst genommen werden, nehmen hoffentlich auch die Regeln ernst.“

In der FAZ befasst sich Peter Heß mit der Sanktion: „Ob er ein hartes oder mildes Urteil gesprochen hatte, war selbst Richter Lorenz nicht klar, auf jeden Fall nahmen es die Berliner an. Dass die Ordner nicht einschritten, würdigte Richter Lorenz als richtige Entscheidung, ein Entgegentreten hätte nur zu Keilereien und Verletzten geführt. Der Sicherheitsbeauftragte der Hertha, Sascha Binder, bezeichnete den Rückzug der Ordner von der Trennwand zur Ostkurve aus Plexiglas als Plan B. Plan A war die Kommunikation mit den Fans gewesen. Aber die drei, vier Capos genannten Rädelsführer seien diesmal nicht vom falschen Weg abzubringen gewesen.“ Zudem habe Nürnbergs Torwart Raphael Schäfer die Fans womöglich provoziert. Obwohl geladen, war er nicht zur Verhandlung erschienen, gegen ihn werde vom Kontrollausschuss ebenfalls ermittelt.

Köln: Erstmals schaden sich die Fans selbst

„Message received“ funkt Jörg Strohschein im Tagesspiegel bezüglich des Urteils gegen den 1. FC Köln: „Ein Umstand werde sehr wohl wahrgenommen: Erstmals wird der Verein nicht allein mit einer Geldstrafe belegt, sondern ‚jetzt haben sich die Fans selbst geschadet‘, sagt der Fanbeauftragte Mendel. Doch die Ursachen für die neue Gewalt, die kein Phänomen allein in Köln ist, wurden mit dem Urteilsspruch in keiner Weise bekämpft.“

Nürnberg: Über den Club hinausweisende Bedeutung

Erstmalig würden nun die tatsächlich Verantwortlichen – hier im Dunstkreis des 1. FC Nürnberg – belangt, kommentiert Roland Zorn in der FAZ: „Es trifft den harten Kern der ‚Club‘-Ultras und hat eine über den 1. FC Nürnberg hinausweisende Bedeutung. Das Sportgericht, das bisher rechtswidrige Taten von Fußballfans bei Auswärtsspielen ihrer Teams mit Geldsanktionen ahndete, beschritt laut Sportgerichts-Leiter Lorenz nun ‚einen neuen Weg, der uns Hoffnung macht, das Übel an den Wurzeln zu packen. Diese Sanktion trifft die Störer und Randalierer persönlich.‘“ Sollte man sich damit nicht durchsetzen können, sei laut Lorenz auch eine weitere Reduzierung des Kontingents für Auswärtsfans denkbar.

Fehlanzeige ist leider bei Kommentaren zu den Einschränkungen des Ticketverkaufs vor der Partie Hansa Rostocks beim FC St. Pauli.

Schnell, hart und kompromisslos

Die Stehplätze seien eine Besonderheit des deutschen Fußballs, derer sich DFB und die DFL bewusst seien, legt Fabian Heckenberger in der SZ dar. Dennoch gelte: „Die Verortung des Gewaltproblems ist eindeutig. Es sei nicht zu leugnen, dass die meisten ’sicherheitsrelevanten Vorgänge‘ von den Stehplätzen ausgingen, sagt Helmut Spahn. Der Sicherheitschef des DFB hält ein generelles Verbot derzeit dennoch für eine falsche Maßnahme, die Diskussion für hochsensibel.“ Einer Abschaffung, wie von der FIFA gefordert, widersetze sich der deutsche Fußball. „Als Sanktionsmittel allerdings wird das Verbot in der Liga bereits angewandt. Das Urteil soll allen Fans ein Zeichen sein – nicht nur Randalierern. DFB und DFL wollen eine Selbstreinigung der Szene in Gang setzen.

Roland Zorn (FAZ) hält eine geradlinige Strategie parat, wie der Umgang mit der Problematik sein sollte: „Das Sportgericht trifft mit seinen Urteilen zwar auch viele Unschuldige, die ihren Klubs auf Auswärtsreisen begeistert zur Seite stehen; doch solange ein harter Kern vornehmlich aus der Ultra-Szene durch zunehmende Gewaltbereitschaft von sich reden macht, sind die durch die Frankfurter Urteile auch entstehenden Kollateralschäden hinnehmbar.“ Die Klubs würden die Machtansprüche der Ultras nicht mehr wehrlos hinnehmen, stattdessen gegen die zunehmende Aggressivität „innerhalb dieser vor allem sich selbst feiernden Fan-Bewegung“ vorgehen. Vollkommen richtig seien die Urteile des Gerichts, denn: „Hier braucht nicht geredet zu werden, hier müssen die Liga und der DFB handeln, wie es das Sportgericht jetzt vorgegeben hat: schnell, hart und kompromisslos.“

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Kommentare

2 Kommentare zu “Die Sanktionen in der Bundesliga sind maßvoll und treffen die Richtigen”

  1. Ulfert
    Donnerstag, 25. März 2010 um 15:39

    Das Festhalten an Stehplätzen finde ich gut – nicht die Art der Plätze ist das Problem. Vielmehr sind sozialverträgliche Eintrittspreise imho ein integratives Mittel des Fußballs. Dass es bei Integration auch zu Schwierigkeiten kommt ist bekannt, sich diesen Schwierigkeiten zu stellen anstatt sie zu vermeiden rechne ich dem DFB hoch an.

    Die ausgesprochenen Strafen finde ich richtig – auch wenn es natürlich auch viele Unbeteiligte trifft. Dennoch werden die Beteiligten persönlich bestraft, und damit dürfte sich (zumindest bei denjenigen die ein wenig logisch begabt sind) die Erkenntnis durchsetzen, dass man sich nicht länger in der Masse verstecken kann.

    Was ich aber auch schon länger mal wissen wollte: In jedem Stadion hängen x Kameras und filmen die Zuschauer. Viele der Randalierer aus Berlin dürften Stammzuschauer sein, auf den Videos dürften zudem unvermummte Aufnahmen exisiteren – wieso ist es so schwierig strafrechtlich vorzugehen? Hausfriedensbruch ist doch kein Fall fürs DFB-Sportgericht, und solche Aufnahmen gelten doch als Beweis, oder nicht? Wenn nicht, warum gibt es diese Kameras?

  2. Mario
    Donnerstag, 25. März 2010 um 16:39

    @Ulfert: es dauert ja immer ein wenig zu ermitteln wen man da gefilmt hat. Stadionverbote folgen dann aber in der Regel.

    Und das mit der Abschaffung von Stehplätzen ist natürlich absoluter Blödsinn. Wer jetzt fragt warum sollte sich aus der Diskussion ganz raushalten… weil? die Berliner Platzstürmer von Sitzplätzen kamen 😉

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