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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Ball und Buchstabe

Vuvuzela-Protest, Verdienstkreuz für Kevin-Prince Boateng

Matthias Nedoklan | Montag, 14. Juni 2010 3 Kommentare

Die Presse widmet sich erneut den lärmenden Vuvuzelas, lässt die wirklichen Probleme Afrikas aber nicht außer Acht. Die taz kritisiert das Polit-Jargon des ZDF

Felix Helbig (FR) beschäftigt sich mit den Vuvuzelas und den strapazierten Nerven der Fernsehzuschauer. Die Fernsehanstalten sind machtlos, bei den großen Fanmeilen in Deutschland sind Vuvuzelas mittlerweile verboten, „weil ihr Klang schlicht nicht mit deutschen Lärmschutzrichtlinien vereinbar ist. Es ist eine Richtlinie, die ausnahmsweise auf beinahe ungeteilte Zustimmung der Fußballanhänger trifft: Binnen weniger Stunden unterschrieben am Wochenende 200.000 Fans im Internet eine Petition auf vuvuzela.org, die ein Verbot der Tröte fordert. Die Seite brach am Sonntag unter der Last zusammen.“ In Südafrikas Metropole Kapstadt greifen die Zuschauer derweil zu Ohrstöpseln, die scheinbar reißenden Absatz finden: „Sämtliche Apotheken der Stadt meldeten am Samstag: ausverkauft.“

An die politische Perspektive der WM glaubt LeMonde. Erst nach der Weltmeisterschaft gelte es, die Probleme des Landes – Armut, Gewalt und Arbeitslosigkeit in Angriff zu nehmen. „Doch Fußball kann die Euphorie einer ganzen Nation beleben. Die Weltmeisterschaft kann den Blick auf den afrikanischen Kontinent erneuern.“

Alle Augen auf Südafrika

Für Arne Perras (SZ) ist die WM in Südafrika bereits jetzt ein voller Erfolg – aus politischer Sicht. „Für das Land ist es wichtiger, als Gastgeber zu glänzen. Daran wird die Welt Südafrika messen, und alle wissen das. Es ist offenkundig, dass die Afrikaner hart für diese WM gearbeitet haben. Und wenn sie den Schwung über das Turnier hinaus halten können, wenn sie ihn in den Aufbau und in den Kampf gegen die Armut stecken, dann hat der Sport dem Land einen wichtigen Impuls gegeben.“ Der große Gewinn komme jedoch nicht den Südafrikanern zugute: „Hauptprofiteur ist und bleibt die Fifa, die mit Einkünften von etwa vier Milliarden Dollar rechnen kann.“ Dennoch sei es wichtig, dass der schwarze Kontinent nicht mit Katastrophen, Kriegen und Krisen auf sich aufmerksam macht. „Ins Licht rücken die sympathischen Seiten eines Kontinents, die ihn nahezu konkurrenzlos machen: die Kunst, Gäste zu ehren. Die Gabe der Gelassenheit. Die Fähigkeit, ein ausgelassenes Fest zu feiern, dem sich auch Skeptiker schwer entziehen können.“

Patriotismus ohne politisches Bewusstsein

Im Interview mit Peter Unfried (taz) äußert sich Grünen-Politiker Robert Habeck über den deutschen Patriotismus.  Zum Glück sei der Fußballpatriotismus ein Ausdruck friedlicher Feierstimmung, politisch nicht aufgeladen. „Public Viewing, Dosenbier und Eis – was soll das für ein Patriotismus sein? Man kann ihn mögen oder nicht, aber es ist keiner, der sich mit einer politischen Botschaft verbindet.“ Laut Habeck hat Jürgen Klinsmann mit seinem Amtsantritt 2006 nicht nur den Fußball reformiert. „Das war jenseits des alten DFB-Schmodders und des Bern-Mythos, nach dem eine Nation im Fußball zu sich selbst findet. Damit war es obsolet, dass die Nationalmannschaft für die deutsche Identität als völkische Gemeinschaft steht. Die Bevölkerung scheint mir viel weiter, libertärer, gleichgültiger als das politische Bewusstsein darüber.“

In die gleiche Kerbe schlägt Deniz Yücels Kommentar (taz). „Verleiht Kevin-Prince Boateng (23, Super-Spiel mit Ghana gegen Brutalo-Serben) das Bundesverdienstkreuz! Er hat den deutschen Fußball vom Ballack-Ballast befreit! Wer braucht da doch das Hinkebein (33)?“ Einzig Katrin Müller-Hohensteins Reichsparteitags-Metapher für Miroslav Klose störe: „Schäm dich, ZDF! Das haben unsere Multi-Kulti-Zauber-Jungs nicht verdient!“

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Kommentare

3 Kommentare zu “Vuvuzela-Protest, Verdienstkreuz für Kevin-Prince Boateng”

  1. Sebastian
    Donnerstag, 17. Juni 2010 um 14:34

    „In die gleiche Kerbe schlägt Deniz Yücels Kommentar (taz).“

    Häh? Das versteh ich nicht. In welche Kerbe denn? Yücel hat da doch eine Rundumschlag-Satire geschrieben, die sich u.a. auch über die ach so politisch Korrekten amüsiert, wenn ich das richtig verstanden hab…

  2. Van Kuchen
    Donnerstag, 17. Juni 2010 um 20:05

    Kampf gegen die Armut ??

    es reicht, den Leuten Geld in die Hand zu geben.
    Genauso wie man nicht gegen die Dunkelheit kämpfen muß, weil es reicht, das Licht einzuschalten, kann man auch einfach das Vorhandene Geld gerecht(er) verteilen.
    Zudem kommt noch, daß das Zinssystem automatisch dafür sorgt, daß die gesamte Gesellschaft (genauer die Menschen darin) veramt
    Doch es klingt natürlich gut: Kampf gegen die Armut !! laßt uns kämpfen. womit?

  3. Van Kuchen
    Donnerstag, 17. Juni 2010 um 20:12

    .. und wogegen? Gegen die Armut, gleich dem Motto: die böse, böse Armut

    übrigens, publich viewing bedeutet:
    Ausstellung eines aufgebahrten Leichnams
    (dict.leo.org)

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