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Spielerischer Abwärtstrend, aufstrebende Asiaten

Tobias Reitz | Donnerstag, 17. Juni 2010 Kommentare deaktiviert für Spielerischer Abwärtstrend, aufstrebende Asiaten

Während die Presse über die Hintergründe der spielerischen Magerkost mutmaßt, gelten die Asiaten als die bislang einzige positive Überraschung bei diesem Turnier

Roland Zorn (FAZ) hält die Qualität der WM-Spiele für steigerungsfähig: „Um wenigstens auf die Trefferquote der sportlich auch nicht besonders aufregenden WM 2006 in Deutschland (2,25 Tore im Schnitt) zu kommen, muss es demnächst schon heftig rappeln im Karton. Bis jetzt jedenfalls haben die Stürmer die Klagen der Torhüter über das flatterhafte Ding namens Jabulani ad absurdum geführt.“

Vielleicht sei der spielerische Abwärtstrend lediglich ein Ergebnis einer ausgeklügelten Strategie der Spitzenteams, mutmaßen Sven Goldmann und Tim Jürgens im Tagesspiegel: „Nämlich der, sich nicht schon zu Beginn zu tief in die Karten schauen zu lassen. Dann zumindest hätte sich das deutsche Team ziemlich blöd angestellt, denn der attraktive Angriffsfußball gegen Australien hat bewiesen, dass ihnen das Getöse der Vuvuzelas nicht den Spielfluss vermiesen kann.“ Ganz im Gegensatz zu den Franzosen: „Raymond Domenech wertete es als Erfolg, dass seine Mannschaft die Low-Budget-Kamarilla aus Uruguay beim 0:0 kaum zu deren Spiel hatte kommen lassen.“ Das sei bescheiden für einen WM-Zweiten, der nur beim Singen der Marseillaise überzeugte. „So viel Kakofonie im Zeichen dieses schönen Liedes war selten.“

Das Turnier der Asiaten?

Jedoch: Nicht alle Mannschaften enttäuschen. Besonders ein Kontinent trumpft während dieser WM auf, beobachtet Christian Eichler (FAZ): „Es soll die WM der Afrikaner werden. Bisher ist es die WM der Asiaten. Marcello Lippi, Trainer des Weltmeisters Italien, bezeichnet als seine bisherigen Lieblingsmannschaften Südkorea und Japan. Es sind Teams ohne Stars, mit gewaltiger Laufleistung und fast soldatisch anmutender Disziplin. (…) Die ersten Resultate der Asiaten am Kap sind zudem eine Antithese zum seit Jahren geltenden Dogma der Athletik, zu immer muskulöseren Fußballerkörpern – und eine Erinnerung daran, dass Fußball immer noch mit den Beinen gewonnen wird und nicht mit dem Bizeps.“

Unüberhörbares Grummeln und Murren

Es habe sich ein seltsames Grundrauschen über diese Weltmeisterschaft gelegt, das fast noch mächtiger sei als der Sound der Vuvuzela, schreibt Christoph Biermann (taz). „Es ist ein unüberhörbares Grummeln und Murren, das inzwischen zu einer Gesamtbeschwerde darüber angeschwollen ist, was da unten in Südafrika eigentlich gekickt wird.“ Den Grund für den holprigen Beginn sieht Biermann in einer neuen Qualität der Profifußballer: Fast alle seien inzwischen in der Lage, das Spiel des Gegners zu zerstören. „Mangel an Klasse kann man mit Organisation, Konzentration und unbedingter Bereitschaft, sich in Überzahl auf den ballführenden Spieler zu stürzen, gut kompensieren. (…) So sind glanzlose Arbeitssiege wie die der Brasilianer und Holländer oder die Unentschieden von Italien und England noch kein Ausdruck von deren genereller Schwäche, sondern mühsame Schuftereien auf ihren Fußballbaustellen. Es besteht auch kein Grund, schon jetzt die Hoffnung fahren zu lassen, noch mitreißende WM-Spiele zu erleben.“

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