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Am Grünen Tisch

Willkommene Ablenkung und Hoffnung auf ein Sommermärchen

Kai Butterweck | Freitag, 18. Juni 2010 Kommentare deaktiviert für Willkommene Ablenkung und Hoffnung auf ein Sommermärchen

Die politische Lage in Honduras und der Slowakei ist derzeit alles andere als stabil, die WM bietet daher eine willkommene Abwechslung

Die Bevölkerung von Honduras sei nach Ansicht von Johanna Herzing (dradio.de) mehr als dankbar für die WM-Teilnahme ihres Landes: Vor allem die Zeit während der Qualifikation sei eine politisch schwere gewesen: „Der Erfolg der honduranischen Nationalelf, der Selecion, kam 2009 zu einem heiklen Moment. Mannschafts-Kapitän Amado Guevara: ‚Zu dieser Zeit war das Land geteilt und es gab große Konflikte unter uns Honduranern. Das gab es noch nie vorher. Der Fußball bekam eine wichtige Rolle. Durch uns konnten die Menschen vergessen, einfach vergessen. Für mich und meine Familie war es eine dieser magischen erfolgreichen Nächte, die man niemals vergisst.’ Vergessen wollten viele Honduraner die Ereignisse, die seit Juni das Land erschüttert haben. Nach dem Militär-Putsch gegen Präsident Manuel Zelaya war die WM-Qualifikation Hoffnungsschimmer und willkommene Ablenkung zugleich. Für Honduras ist es erst die zweite WM-Teilnahme seit 1982. Die politische Klasse hat die Wirkung des Sports längst für sich entdeckt und versucht von dessen positivem Image zu profitieren.“

Der mitteleuropäische Tiger am Abgrund

Nach Auffassung von Michael Hvorecky (FAZ.net) möchte auch die Slowakei der mentalen und politischen Stagnation mit Hilfe der WM entkommen. Die letzen vier Jahre habe er sich oft geschämt, aus der Slowakei zu kommen. Die politische Lage sei geprägt von Rechtsradikalismus, ethnischen Konflikten und Korruption: „Der noch 2005 als ‚mitteleuropäischer Tiger’ bezeichnete Wirtschaftsstandort Slowakei befindet sich heute auf dem ungarischen Weg zur extremen Verschuldung und zum Staatsbankrott. Ein Dutzend Minister musste wegen Korruptionsskandalen ihr Amt aufgeben. Drei Populisten in einer Regierung haben durch nationalistische Äußerungen die Macht der Rechten gestärkt. Am 19. Mai, beim ersten Gay Pride in Bratislava, hatten Hunderte Neonazis die slowakische Hauptstadt besetzt, den friedlichen, fröhlichen Marsch gestoppt und gewalttätig angegriffen. Da es kaum Zuwanderung gibt, richtet sich die Aggression gegen die vorhandenen Minderheiten: Roma, Juden, Schwule und Lesben.“ Die WM käme da gerade recht: „Fußball ist seit Jahren in der Popularitätsskala auf dem Vormarsch, hat fast den Rang der nationalen Passion Eishockey erreicht. Wir warten auf ein slowakisches Sommermärchen. Mein Land ist wieder im Spiel.“

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