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Nordkoreanische Transferrechte, ghanaische Aktien und versteckte Werbung

Jens Behler | Montag, 21. Juni 2010 Kommentare deaktiviert für Nordkoreanische Transferrechte, ghanaische Aktien und versteckte Werbung

Von einem Großereignis wie der WM wollen alle profitieren, auch finanziell. Es gibt die unterschiedlichsten Wege

Johannes Kopp (taz.de) wirft einen Blick auf die Mannschaft Nordkoreas und ihre Verbindungen nach Europa, denn alle Transferrechte der Spieler liegen bei den Schweizer Geschäftsmännern Stephan Glaser und Karl Messerli, die sich nun durch die WM eine hohe Rendite erhoffen. Sie sorgten dafür, „dass die Nordkoreaner im Mai 2009 ein Trainingslager in der Schweiz beziehen konnten. Es war ihr erster Auftritt in Europa nach der WM 1966 in England. Während sich Nordkorea auf politischer Ebene immer wieder ins Abseits stellt und jüngst der südkoreanischen Hauptstadt Seoul gar ein Flammenmeer in Aussicht stellte, verfolgt das Land auf der Ebene des Sports ein Konzept der streng kontrollierten Öffnung, um durch mehr Input von außen konkurrenzfähiger zu werden.“ Moralische Bedenken plagen die Geschäftsmänner nicht: „Seine Devise ist altbekannt. Er sagt: ‚Wenn ich es nicht mache, macht es ein anderer.’ Messerli sucht derzeit nach einem Schweizer Verein, den er ‚zur Drehscheibe für junge nordkoreanische Talente machen möchte.’ Einen Juniorenspieler hat er bereits zuletzt an Concordia Basel vermittelt.“

Schmerzensgeld für deutsche Niederlage

Vor dem Entscheidungsspiel gegen Ghana befasst sich Christian Kirchner (FTD) mit der möglichen finanziellen Absicherung im Falle einer deutschen Niederlage. Er empfiehlt ghanaische Aktien, „denn ihre Korrelation mit anderen Wertpapieren ist extrem niedrig. Schon 1998, als die Russlandkrise die Kurse weltweit in den Keller schickte, war die Börse Ghana das beste Schwellenland weltweit. 2008 wiederholte sich das Spiel: Rund 40 Prozent Jahresverlust fielen an den Börsen der Industrieländern an – in Ghana legten die Papiere 28 Prozent zu. Im letzten Jahr – als sich weltweit die Indizes dann kräftig erholten – hat die in Accra ansässige Börse die Korrektur mit einer Halbierung nachgeholt, um nun im laufenden Jahr mit 37 Prozent Plus auf Euro-Basis zu den stärksten Aktienmärkten der Welt zu zählen.“ Auch eine Staatsanleihe wäre denkbar: „Standard & Poor’s hält den Bond zwar für Ramsch. Aber dieses Urteil musste auch schon ein Ex-Europameister wie Griechenland über sich ergehen lassen. Für die Finanzen wohlgemerkt, nicht die Spielweise, die fraglos auch emotionale Sicherungsmaßnahmen vom Zuschauer verlangt. Bei Bedarf: Ein griechischer WM-Titel bringt das 530-Fache des Einsatzes.“

Verbotene Werbung

Nach dem Zwischenfall um die Gruppe holländischer Frauen in orangefarbenen Minikleidern beschäftigt sich Heinz Peter Kreuzer (dradio.de) mit der Problematik des Ambush-Marketings bei der WM. Es geht in erster Linie um den Schutz der Sponsoren, sagt der Münchner Anwalt Martin Stopper: „Wenn Sponsoren etwas zahlen an einen Weltverband, dann erwartet der Sponsor eine gewisse Exklusivität, dadurch, dass er viel Geld zahlt. Man muss darauf achten, dass nicht zusätzlich noch jemand kommt und Aufmerksamkeit im Zusammenhang mit der Weltmeisterschaft erwirbt, ohne das er einen einzigen Euro zahlt.“ Es gibt aber auch Wege dies zu umgehen: „Andere Unternehmen nutzen Grauzonen, um sich im Umfeld der Fußball-Weltmeisterschaft zu platzieren. Wie der Autohersteller VW in einem Fernsehspot. Auch Pepsi hat im Wettstreit mit dem großen Rivalen und Fifa-Förderer Coca Cola Nadelstiche gesetzt. Mit einigen Fußball-Stars fährt das Unternehmen die „große Pepsi-Fußball-Promotion“, gegen diesen Begriff können auch Fifa-Juristen nichts ausrichten. Der neueste Coup: In Anspielung auf Diego Maradonas Ankündigung, beim WM-Sieg Argentiniens nackt durch Buenos Aires zu laufen, will Pepsi in diesem Fall eine Woche lang nackte Flaschen – also ohne Aufkleber – verkaufen.“

Satoru Kobayashi (Asahi) liefert ein schönes Beispiel für die globalisierte Kommerzialisierung der Fußballweltmeisterschaft. Im Mittelpunkt steht dabei einmal mehr die Vuvuzela. Sie mag zwar typisch afrikanisch sein, „doch die Mehrheit davon wird in China produziert, genauer gesagt in Fabriken in der Provinz Guangdong, die eigens für die WM gegründet wurden. In der Stadt Suwato in Guangdong, in einer Spielwarenfabrik namens ‚Toshiyuki Tooru’ wurden seit Juni vergangenen Jahres mehr als eine Millionen Vuvuzelas hergestellt. (…) Der Geschäftsführer dieser Fabrik sah vor sechs Jahren zufällig bei einem Fußballspiel im Fernsehen, wie ein südafrikanischer Fan in eine Vuvuzela blies und so kam ihm die Idee, diese zu produzieren.“ Dabei, so der Geschäftsführer, habe man sich lediglich an einem Foto orientiert: „‚Das Original habe ich noch nie gesehen, aber unsere Vuvuzela hat eine sehr knallige Farbe und klingt hervorragend.’ Im Februar dieses Jahres schossen die Produktionszahlen so weit in die Höhe, dass 40 Arbeiter nicht mehr ausreichten und die Fabrik benachbarte Unternehmen um Hilfe bitten musste. Der Geschäftsführer sagt, dass man mit solch einem Erfolg der Vuvuzelas niemals gerechnet habe und hofft, mit der Produktion auch nach Ende der Weltmeisterschaft fortfahren zu können. Laut einer chinesischen Wirtschaftszeitung gibt es außerhalb der Provinz Guangdong noch weitere Fabriken in China, die Vuvuzelas herstellen, etwa in Zhejiang, und insgesamt wird vermutet, dass 90 Prozent aller Vuvuzelas aus China stammen.“ Die Exportpreise liegen bei rund zwei Yuan (ca. 0,24 Euro) das Stück – „bei der WM in Südafrika werden sie für einen zwanzigfach höheren Preis verkauft.“

Übersetzt von Angela Falero und Christian Schwöbel

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