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Ball und Buchstabe

Der Krieg ist vorbei

Matthias Nedoklan | Freitag, 25. Juni 2010 Kommentare deaktiviert für Der Krieg ist vorbei

Im Vorfeld des Achtelfinales sind die Töne aus England erstaunlich friedlich, Daniel Cohn-Bendit deutet das französische Vorrunden-Aus als Gesellschaftskrise

Matthias Thibaut und Joachim Huber (Tagesspiegel) freuen sich über versöhnliche Töne von der Insel. Denn im Vorfeld des Klassikers Deutschland gegen England wird ordentlich mit dem verbalen Säbel gerasselt, Kriegsmetaphern bleiben jedoch außen vor. „Die WM 2006 war ein Durchbruch – für Deutschland, aber auch für die englischen Fans.“ Noch zehn Jahre zuvor, bei der Euro 96 beschrieben „Mirror“ „Daily Mail“ und „Sun“ „deutsche Fußballer als ‚Krauts‘ mit Stahlhelmen und Pickelhauben und machten sich mit Schlagzeilen wie ‚Achtung! Surrender‘ oder ‚For you Fritz ze Euro 96 Championship is over‘ Mut.” Jetzt heiße es in den Boulevardzeitung nur noch ‚Herr we go again’ oder  ‚Nun bringt uns die, äh, Deutschen‘.

Zerrissenheit, Hass und Neid

Im Interview mit Peter Unfried (taz) überträgt Europa-Politiker Daniel Cohn-Bendit die Krise der französischen Nationalmannschaft auf die Probleme in der Gesellschaft des Landes: „1998 war Frankreich eine Gesellschaft, die zusammenfinden wollte. Heute ist sie eine völlig zerstrittene Gesellschaft, die auseinanderfällt. Die Mannschaft spiegelt die Zerrissenheit, den Hass und den Neid dieser Gesellschaft. Im französischen WM-Team waren Spieler, die nicht miteinander wollten. So ist es auch in der Gesellschaft.“ Für Nicolas Anelka aber auch Franck Ribery findet der Grünen-Politiker kritische Worte: „Anelka sagt: Ich will in Frankreich nicht spielen, weil man da zu viel Steuern bezahlen muss. Der Mann ist auf einem absoluten Egotrip, aber das ist seine Sache. Nur: So kann man keine Mannschaft für eine WM formen. Aber ich meine auch Franck Ribéry. Der ist jung, spielt Fußball und Playstation und macht ab und zu das, was junge Männer machen, wenn sie keine Orientierung haben. Es ist ja kein Zufall, welche Spieler öfter im gleichen Puff waren. Die werfen es den anderen sogar vor, wenn sie nicht mitgehen. Das ist Kulturkampf. Diese Spieler haben kein gemeinsames Projekt. Für sie war die Nationalmannschaft nur eine Möglichkeit, den Marktwert zu steigern.“ Wenigstens gehe es in Deutschland nicht so weit: „Diese Özils haben lange gezögert, für Deutschland zu spielen. Das gesellschaftliche System muss attraktiv sein. Im Moment gibt es eine Bewegung von jungen Migranten, die Deutsche werden wollen. Da ist Hoffnung. Das sind die Nachwirkungen der rot-grünen Staatsbürgerrechtsreform.“

Der neue Guido Buchwald

2006 war er noch der Unsicherheitsfaktor in der Defensive. Jetzt lobt Michael Ashelm (FAZ.net) Arne Friedrich als „großen Stabilisator.“ „Er ist bislang die größte Überraschung und vielleicht auch der größte Gewinner im deutschen Team. Während er in der Vergangenheit oft in der Kritik stand, nicht genug Qualitäten für die Defensivaufgaben auf hohem internationalen Niveau zu besitzen und daher in der Öffentlichkeit zu großen Anlässen eher mitleidig behandelt wurde, wird er nun in Südafrika seinem Ruf als Stehaufmännchen auf besonders eindrückliche Weise gerecht. Oft schon abgeschrieben, aber immer wieder zurückgekommen.“ Dem Innenverteidiger, der den Absteiger Hertha BSC Berlin nach der WM verlassen wird, sei im Achtelfinale auch die Bewachung Rooneys zuzutrauen. Der Vergleich mit einem Weltmeister liegt nach der überzeugenden Leistung gegen Ghana auf der Hand: „In manchen Momenten fühlte man sich an die Rolle von Guido Buchwald von 1990 erinnert.“

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