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Ball und Buchstabe

Über die Playstation hinaus

Jan-Kristian Jessen | Donnerstag, 1. Juli 2010 Kommentare deaktiviert für Über die Playstation hinaus

Schwarze und weiße Südafrikaner sind derzeit vereint wie nie zuvor, die alten Probleme im Land bleiben dennoch weiterhin bestehen; der deutsche Fußball versucht daher zu helfen

Steffen Dobbert (Zeit Online) erkennt gesellschaftliche Veränderungen in Südafrika: „Joseph Takudzwa Maramba kommt aus Simbabwe und lebt seit etwa einem Jahr in Pretoria. Er hat Journalismus studiert und arbeitet nun in einer der zahlreichen Einkaufspassagen als Manager eines Fastfood-Restaurants. Josephs Chef, ein Weißer, sagt, dass alle Afrikaner seit Jahren wussten, dass diese WM kommen wird, aber allen fehlte das Gespür, wie sie sich anfühlen würde. Dann kam das Eröffnungsspiel. Er habe es zusammen mit Freunden vor einer großen Leinwand gesehen, sagt er und zeichnet einen riesigen Kreis in die Luft. Niemals zuvor habe er eine solch große Leidenschaft der Afrikaner erlebt, niemals zuvor habe er Schwarze und Weiße so vereint gesehen, wie zu dieser WM. Joseph und seine Kollegen stimmen zu. Alle, die in der Shoppingmall arbeiten, halten die WM für etwas Gutes.“ Man könne die WM in Südafrika allerdings nicht mit dem viel zitierten Sommermärchen vor vier Jahren vergleichen: „Wer die Stimmung und die Gelöstheit auf den WM-Partys in Deutschland erlebt hat, war überrascht und begeistert. Wer in Südafrika mit den Afrikanern feiert, spürt eine andere Euphorie: intensiver, spontaner und einladender. Manchmal werden hier Pantoffeln zu WM-Bällen. Auch wenn dieses Fußballturnier nicht nur Gutes für Südafrika bringt, viele Leute sind froh über die Show. Das Blasen der Vuvuzela ist dabei kein Getröte. Es verbindet. Es ist ein Instrument, das den stolzen Sound dieses Festes verbreitet.“

Der Horizont endet nicht am Playstation-Bildschirm

André Görke beleuchtet im Tagesspiegel die Probleme Südafrikas und beschreibt, wie die deutsche Nationalmannschaft hilft: „Das Elend wohnt gleich nebenan. Immer wenn die Nationalspieler in ihrem WM-Bus mit einer Polizeikarawane den Hügel hinabrollen zum Flughafen Lanseria, fahren sie durch die Siedlung an der Landstraße 14. Das Armenviertel Diepsloot besteht aus Blechhütten, in denen sich Menschen zusammenkauern, weil es nachts so kalt ist. Nicht eine Laterne brennt zwischen den vermüllten Pisten, nicht ein Fenster ist erleuchtet. Autofahrer würden gerne schneller durch das stille Viertel rollen, aber das machen die Achsen auf der ausgefransten Landstraße 14 nicht mit.“ Kleine Geste, große Wirkung: „Die Kinder von Diepsloot winken zwar fröhlich den Deutschen in ihrem Bus zu, aber der Anblick ist irritierend, das erzählen auch die Spieler. Sie haben sich zusammengesetzt und ein bisschen gesammelt. 80 000 Euro, so ist zu hören, sind aus der privaten Mannschaftskasse zusammengekommen. Damit haben sie 900 Kinder zu den WM-Spielen der Deutschen eingeladen.“ Die Nationalmannschaft habe schon oft geholfen, auch wenn das nicht immer publik werde, weil Prominenten gern Geltungssucht unterstellt werde: „Die Fußballer haben gesammelt für die Opfer der Flutkatastrophe an der Oder und auch für die Tsunami-Opfer, vor der WM kamen beim Benefizspiel gegen Malta fünf Millionen Euro zusammen. Geld auch für Südafrika. Viele Fußballer sind selbst Väter, deren Horizont nicht am Playstation-Bildschirm endet, auch wenn ihnen das gern am Stammtisch abgesprochen wird.“

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