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Ball und Buchstabe

Das neue Lebensgefühl der Spanier und englische Verschwörungstheorien

Jan-Kristian Jessen | Mittwoch, 14. Juli 2010 8 Kommentare

Nach dem Sieg im WM-Finale herrscht in Spanien ein bisher unbekanntes Einheitsgefühl; in England wird derweil fleißig über die Richtigkeit des spanischen Trimuphs  spekuliert

Leo Wiewald (FAZ) stellt Veränderungen im Land des Weltmeisters fest: „Spanien ist am Montag mit dem erfrischenden Gefühl der Einheit in Vielfalt aufgewacht. Es war ein Geschenk des Sports an eine Nation voller Selbstzweifel, von dem sich die Politiker bis an die separatistischen Ränder ruhig eine Scheibe abschneiden könnten. Der Fußball als harmloses
kollektives Delirium ließ über Wochen hinweg das fatalistische, verwirrte, von Wirtschaftskrise und Nationalitätenkonflikten gebeutelte andere Spanien fast vergessen.“ Denn ein zusätzlicher Gewinn der Weltmeisterschaft bestehe für die Spanier unter anderem in der Erkenntnis, dass gebündelte Begabung und entschlossener Einsatz von Leuten aus La Mancha, Katalonien, Asturien und anderen Gegenden des Landes große Erfolge versprechen und auch halten. Es sei gut für Spanien, dass der Sport nicht nur eine patriotische Grundwelle bis an alle Küsten erzeugt, sondern auch eine Grundwertedebatte über Dinge wie Teamgeist, gemeinsamen Ehrgeiz und beherrschten Eigennutz angestoßen habe: „Jenes Spanien, das durch sportliche Leistungen nach außen ein Bild anziehender Modernität zu projizieren vermochte, braucht von solchen Qualitäten nach innen so viel, wie es nur mobilisieren kann.“

Ein legaler Sieg?

Dass Spanien fast zwangsläufig den Titel holen musste, berichtet Josef Schmidt vom österreichischen Kurier: „Dass das passieren wird, vermutete Lord David Triesman schon vor der WM. Wobei Lord Triesman kein x-beliebiger Dampfplauderer ist. Er ist – oder vielmehr war – Vorsitzender des englischen Fußballverbandes FA und Chef der englischen WM-Bewerbungen 2018 und 2022.“ Lord Triesman habe […] schwere Korruptionsvorwürfe gegen Englands Mitbewerber um die Austragung der Fußball-WM 2018, Russland und Spanien, erhoben: „Russland, das sich nicht für Südafrika qualifiziert hatte, soll Schiedsrichter bestochen haben, damit sie in Südafrika zu Gunsten Spaniens manipulieren. Als Gegenleistung sollte Spanien die gemeinsame Bewerbung mit Portugal für 2018 zurückziehen und dafür sorgen, dass die Stimmen aus Spanien und Lateinamerika an Russland gehen, wenn in diesem Dezember über die WM 2018 entschieden wird.“ Spanien-feindlich seien die Schiedsrichter in Südafrika zumindest nicht gewesen: „Im ersten Gruppenspiel gegen die Schweiz, als Spanien 0:1 zurücklag, ließ Schiedsrichter Howard Webb – aus England – ohne ersichtlichen Grund fast sechs Minuten nachspielen. Im zweiten Gruppenspiel sah die ganze Welt im TV, wie Spaniens Treff-Ass David Villa vom Schiedsrichter unbemerkt einem Honduraner mit der Hand ins Gesicht schlug. Anders als Torsten Frings 2006 wurde Villa jedoch nicht nachträglich gesperrt. Prompt erzielte Villa im Gruppenfinale gegen Chile das 1:0 für Spanien.“

Kommentare

8 Kommentare zu “Das neue Lebensgefühl der Spanier und englische Verschwörungstheorien”

  1. reteef
    Mittwoch, 14. Juli 2010 um 15:04

    Abgesehen von den Verschwörungstheorien wäre wircklich interessant zu erfahren, wieso Villas Aktion nicht nachträglich bestraft worden ist…

  2. Goalie
    Mittwoch, 14. Juli 2010 um 16:58

    Und warum hat Webb dann de Jong oder van Bommel nicht vom Platz gestellt, als sich ihm die Möglichkeit bot?

    Blödsinn. Die spanische Mannschaft war einfach gut.

  3. Marvin Nash
    Mittwoch, 14. Juli 2010 um 20:49

    Oder den berechtigten Elfer gepfiffen nach Foul an Xavi. Echt witzig diese Verschwörungstheorien.

  4. Peter
    Donnerstag, 15. Juli 2010 um 08:30

    Ist doch klar: Die Fifa hat Regie geführt und zwei absolut unfähige Mannschaften ins Finale gelassen, damit die Verteilung von Frust und Freude wieder Kohle bringt!

    Südamerika kackt komplett ab: Kann nur Lust und Megaentschädigungsvorfreude auf Seiten der Südamerikaner für 2014 in Brasilien bedeuten.

    Europa freut sich nen Ast, weil sie die besten der Welt sind. Und lassen sich wieder jeden Schund verkaufen.

    Und 100 Millionen nimmt die Fifa auch gern, wenn den Russen mal wieder n bisschen zuviel Öl aus Loch geschossen kommt.
    (Ist doch witzig:
    Achtelfinale in Sotschi, Viertelfinale in Nowisibirsk, Halbfinale in Wladiwostok und Finale in Moskau.- Haben die Presse und die Fans wieder was zum Debattieren)

    Und über die Spende der spanischen Regierung brauchen wir gar nicht zu sprechen, nachdem der Drang Kataloniens zur Unabhängigkeit vom weltmeisterlichen Heimatgefühl überdeckt wurde.

    Die einzige Methode zur Verhinderung weiterer Manipulationen der FIFA sind:

    Gläserne Konten
    WMs ohne Geld
    Fernsehbeweis

    Wobei… nur letzteres ist realistisch, aber nachdem die Leute den Amerikanern schon die Bin Laden Videos abnehmen, werden sie der Fifa auch die computergenenerierten Szenen abkaufen. Ob das Bild jetzt vom ZDF oder EASports produziert wird, is doch latte!

    23

  5. Steffen
    Donnerstag, 15. Juli 2010 um 11:23

    Einige Entscheidungen bei dieser WM fielen sicher zu Gunsten Spaniens aus, in meinen Augen aber kann man das nicht Spanien vorwerfen, sondern den mangelhaften Schiedsricherleistungen.

    Das Webb auch das erste Spiel der Spanier gepfiffen hat, wusste ich gar nicht mehr. Konnte mich nur mehr daran erinnern, dass in diesem Spiel auch einige Entscheidungen seltsam ausfielen. Umso mehr überraschend, dass dieser Schiedsrichter das Finale verpfeifen durfte.

    Btw, irgendwie würde ich mir für die Zukunft wünschen, dass das Finale von einem Schiedsrichter gepfiffen wird, der im Laufe des Tuniers keine der beiden Mannschaften bereits gepfiffen hat.

  6. Peter
    Freitag, 16. Juli 2010 um 09:35

    @Steffen
    Können Sie den Wunsch begründen?

  7. Steffen
    Samstag, 17. Juli 2010 um 19:57

    @Peter
    Ein „nicht vorbelasteter“ Schiedsrichter würde die Distanz zwischen den Spielern und den Schiedsrichtern erhöhen. Das ganze wäre in meinen Augen der Neutralität zuträglich.

    Ich habe hohen Respekt vor Schiedsrichtern, insbesondere wenn man auf der Ebene von Weltmeisterschaften pfeift. Dennoch ist der Mensch ein emotionales Wesen, und es ist möglich, dass ein Schiedsrichter aufgrund einer mangelhaften Entscheidung in einem vorangegangenem Spiel eine Art „Konzessionsentscheidung“ trifft. Logischerweise legen alle Spieler zusätzlich im Falle einer vorangegangenen Fehlentscheidung den „Finger in die Wunde“ und versuchen den Schiri zu beeinflussen.

    Eine vage Theorie, zugegeben. Aber ich glaube einfach nicht an die Rationalität des Menschen (vgl. Christ Frith „Determining Free Will“).

  8. David_S
    Dienstag, 3. August 2010 um 15:40

    @Steffen

    Auch wenn die Idee grundsätzlich gut ist, führt ihre konsequente Anwendung zu einem Finale [nach 3 Gruppenspielen, Achtel-, Viertel- und Halbfinale] bei dem mindestens der 7. Schiedsrichter, evtl. sogar der 13. Schiedsrichter zum Einsatz kommt. Da es weitere Ausschlüsse aufgrund Ansatzzeitpunkt und Nationalitätenregelungen gibt, ist es sehr unwahrscheinlich, dass ein Schiedsrichter das Endspiel leiten kann, der sich während des Turniers als einer der besten herauskristallisiert hat.

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