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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Am Grünen Tisch

Financial Fairplay scheidet die Geister

Kai Butterweck | Mittwoch, 16. Februar 2011 2 Kommentare

Die Uefa setzt mit ihren neuen Standards eine Finanz-Revolution in Bewegung mit der sich nicht alle anfreunden können

Dominik Bardow (Zeit Online) begrüßt die neuen Finanz-Reformen der Uefa: „Nicht weniger als eine neue Finanzarchitektur ist es, die Platini Fußball-Europa mit seinem Projekt verschreiben will. Der als Reformator angetretene Franzose verwirklicht seine erste große Umbaumaßnahme und eine im Grunde einleuchtende Idee. Wer künftig in Champions und Europa League mitspielen will, darf nur noch so viel ausgeben, wie er auch einnimmt. Diese `Break-Even-Regel` ist das Herzstück der neuen Vorschriften, die eine ähnlich einschneidende Wirkung haben könnte wie das Bosman-Urteil 1995. Diesmal geht die Revolution in die andere Richtung. Die neuen Finanzregeln sollen den Wettbewerb fairer gestalten und schützen, sprich: die Klubs vor ihrem eigenen Transferwahnsinn retten.“

Haben sie heute schöne Verteidiger in der Auslage?

Christian Eichler (Faz.net) zeigt sich hingegen wenig überzeugt von den Plänen: „Wird `Financial Fairplay` die undurchdringliche Mischung aus Logik und Irrsinn im Handel mit Spielern beenden? Das scheint fraglich, die Wege der Millionen werden immer verschlungener. So landet ein Viertel des Betrages, den Chelsea für den Brasilianer Luiz zahlte, bei einer Investorengruppe, die Ende 2009 von Benfica Lissabon 25 Prozent an dem Spieler erworben hatte. Der Anteil kostete 4,5 Millionen Euro und bringt nun 6,1 Millionen – eine Rendite von mehr als 35 Prozent. Vielleicht sollte man bei der Geldanlage öfter mal im Fußballer-Shop vorbeischauen: Haben Sie heute schöne Verteidiger in der Auslage? Dann nehme ich mal ein Viertel.“

Die Premier League steht mit 3,9 Milliarden in der Kreide

Frank Hellmann (taz) jongliert mit Zahlen: „Schon ab der Saison 2011/2012 soll die Neuverschuldung der Spitzenklubs drastisch reduziert werden. In einer dreijährigen Übergangsfrist bis 2014 ist noch ein Minus bis zu 45 Millionen Euro zulässig, dann nur noch 30, danach geht die Schmerzgrenze weiter schrittweise runter. Uefa-Studien besagen nämlich, dass allein im Jahre 2009 der europäische Klubfußball 1,2 Milliarden Euro neue Schulden gemacht hat. Die 644 Millionen Euro, die die Bundesliga jüngst als Verbindlichkeiten ausgewiesen hat, nehmen sich nahezu bescheiden aus gegenüber jenen 3,9 Milliarden, mit denen die englische Premier League belastet ist. Die Primera División in Spanien drücken 3,5 Milliarden, die italienische Serie A noch 1,8 Milliarden Miese. Ein Hauptgrund sind die hohen Personalkostenquoten. In England fließen 67 Prozent des Etats in die Spielergehälter, in Spanien und Italien nicht viel weniger.“

Die Uefa muss investieren

Axel Kintzinger (Financial Times Deutschland)  prophezeit der Uefa einen schweren Gang: „Getrickst wir jetzt schon. Englische Klubs haben sich in diesem Winter mit mehr sündhaft teuren Stars eingedeckt, als sie unter sportlichen Aspekten brauchen. Einige von ihnen werden sie im Sommer, wenn die Financial-Fair-Play-Regel zu greifen beginnt, versilbern – und mit einem satten Umsatzplus in die neue Zeit starten. Die Uefa wird investieren müssen in Personal, das europaweit und qualifiziert die Bücher der Klubs unter die Lupe nimmt. Und sie muss den Sturm aushalten, der ihr entgegenweht, wenn sie ernst macht.“

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Kommentare

2 Kommentare zu “Financial Fairplay scheidet die Geister”

  1. Sinja Marengo
    Mittwoch, 16. Februar 2011 um 17:03

    Gerade die Financial Times, Axel Kintzinger, sollte wissen, dass die geargwöhnte, nun eingesetzte Lagerhaltung von Fußballstars eher sinnlos sein dürfte. Jedes Angebot braucht auch einen Käufer.

    Wenn man die Spieler „en masse“ in ein, zwei Jahren (gar mit Gewinn?) wieder verkaufen möchte, wird es schwer sein, unter den neuen Bedingungen der UEFA Käufer zu finden – allzumal sich das „Produkt“ durch bloße Lagerhaltung eher wertvermindert haben wird:
    Ein Spieler, den man kaum einsetzt, weil man schon so viele hat, verfällt natürlich im Wert.

    Vereinen, die das ignorieren, dürfte schon bald ein finanzielles Desaster ins Haus stehen.

  2. Saaash
    Mittwoch, 23. Februar 2011 um 15:47

    Würde man die Grundidee der Financial Fair Play (FFP)-Regel penibel durchsetzen, könnte man auch dem Eindecken von Spielern entgegensteuern. In dem man den Erlös aus Spielerverläufen nicht für die FFP-“Bilanz“ anrechnet und somit Spekulationen von Marktwerten unterbindet. Somit müsste man dem Geld aus Vermarktung, Tickets und TV zurechtkommen.

    Aber letztendlich, sollte die Idee und diese Regel umgesetzt werden (wie in der Theorie bedacht), reguliert sich der Markt wie auch schon der vorherige Kommentar aussagt, von selbst. Die Transfersummen werden sich halbieren, und der Markt wird mit Spielern überschwemmt. Die Verträge werden leistungs- und erfolgsbezogener, heißt die Prämienausschüttungen für das Weiterkommen oder Gewinnen der Wettbewerbe an die Spieler weitergegeben. Gibt es kein Weiterkommen, gibt es keine Prämien und die Vereine haben nicht Personalkosten die sie eigentlich gar nicht bedienen könnten.

    Sicherlich ist die Regel für die deutschen Klubs von Vorteil, weil bei dem Großteil der Vereine erstens dieser Grundgedanke (bis auf Schalke und das frühere Dortmund) sinnvoll zu wirtschaften, bereits vorhanden und sogar Bayern München, was zwar summentechnisch auch den Hang zur Übertreibung hat, aber auch Grenzen kennt und nicht komplett den Verstand verloren, ein Paradebeispiel für das Financial Fair Play ist bevor es dieses überhaupt gab.

    Die finanzielle Arbeitsweise der Vereine der englischen, italienischen und spanischen Liga ist mittlerweile ein Bug im europäischem Fußball, der korrigiert werden muss. Es wird einige Gegner, auch Faninitiativen aus England, Spanien oder Italien geben. Gerade Fans die Ihren Christiano Ronaldo im Stadion tanzen und schauspielern sehen wollen. Aber letztendlich das nicht durch Subventionen von Milliardären, sondern durch noch höhere Eintrittspreise oder Fanartikel zu bezahlen (was das Resultat bei den fehlenden Einnahmen ohne sich von den überbezahlten Stars zu trennen wäre) wollen Sie nicht. Jedoch kann man gute Initiativen nicht schlecht machen oder gar verhindern, nur weil aufgrund der allgemeinen falschen Verhaltensweise der Großteil des Fußballs mit dieser Korrektur dann im Nachteil wäre. Das ist wie, dem Kind seinen Lolli wegzunehmen, der nicht bezahlt ist.

    Ich finde Financial Fair Play gut bzw. in der „Social-Sprache“ ausgedrückt: mir gefällts.
    Denn das Ziel ist nicht, das jemand benachteiligt wird, sondern das Niveau der Gelder die gezahlt werden zu mindern, denn ob ein TOP-Spieler 30 Millionen im Jahr oder dann 15 oder 10 verdient, dürfte dem Fan eigentlich egal sein. Mir ist es das jedenfalls.

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