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Blatters Versteckspiel bei der Frauen-WM

Kai Butterweck | Montag, 27. Juni 2011 2 Kommentare

Der Fifa-Präsident Sepp Blatter hält sich nach den skandalträchtigen letzten Wochen bewusst im Hintergrund. Damit erntet der Walliser nicht überall Applaus. Außerdem: Zwiespältige Medienkampagnen und Akzeptanz-Probleme

Bei der Eröffnungs-Pressekonferenz richtete sich der Fokus auf Fifa-Präsident Joseph Blatter. Markus Völker (taz.de) sieht sich nach dem Auftritt des Schweizers in vielem bestätigt: „Sepp Blatter spricht bei der Fifa-Auftaktpressekonferenz wie ein alter Chauvi über die WM der Frauen. In der Fifa-Exekutive sitzen nur Männer, Machtmenschen, die die fünfzig meist weit hinter sich gelassen haben. In der Runde dieser Fußballgerontokraten ist nur allzu gut bekannt, dass eine Frauenfußball-WM finanziell nicht lukrativ ist. Neben ihm auf dem Podium sitzt die thailändische Skandalnudel Worawi Makudi, der als Fifa-Frauenfußballchef aber auch nicht den Eindruck erweckt, genauer Bescheid zu wissen. Sein Beitrag am Samstagnachmittag im Betonbauch des Berliner Olympiastadions ist ein einziger Leersatz, eine genuschelte Phrase. Ihm scheint der Frauenfußball wahrlich am Herzen zu liegen. Am radikalautoritären Stil der Fifa hat sich nichts geändert. Nach dem offiziellen Teil der Pressekonferenz sagt Blatter noch ein paar so knappe wie substanzlose Worte zum Skandal der letzten Wochen. Es bleibt also alles beim Alten: Die Fifa ist so beliebt wie Scientology oder das Finanzamt. Die Massen pilgern trotzdem in die Stadien. Der Fan ist offensichtlich ein Borderliner.“

Ein Affront gegenüber den Gastgebern

Joseph Blatter hält sich – mit Ausnahme der offiziellen Pressekonferenz zur Eröffnung – bisher eher im Hintergrund. Jürgen Ahhäuser von der (FR) tadelt das Versteckspiel des Fifa-Präsidenten: „Viel wird der Schweizer Strippenzieher von der schönen Gegenwart des Frauen-Fußballs nicht mitbekommen, er muss sich halt ums IOC und alle möglichen Turniere auf dem Globus kümmern. Wahrscheinlich fliegt der Global Player zum Halbfinale wieder ein, ganz bestimmt aber zum Endspiel. Dem Walliser, so viel darf unterstellt werden, wird die Gelegenheit zur Flucht gerade recht kommen. Denn während die DFB-Spitze Blatter betont freundlich gegenübertritt, kann das Fußballvolk dem autokratischen Führungsstil des Wallisers, der auf einen Auftritt bei der Eröffnung unten auf dem Rasen des Olympiastadions lieber verzichtete, nichts Gutes abgewinnen. Dass der Fifa-Boss in Deutschland mehr durch Abwesenheit glänzt, ist ein Affront gegenüber den Gastgebern, viel mehr aber noch gegenüber den Sportlerinnen, in denen Blatter vermeintlich die Zukunft des Fußballs sieht.“

Die alteingesessenen Vorstellungen über Frauenfußball sind den WM-Verantwortlichen ein Dorn im Auge. Mit gezielten Medienkampagnen wird versucht dagegen anzukämpfen.  Michael Horeni (FAS) wünscht sich mehr allgemeine Leichtigkeit: „Die Frauen treten bei der WM im besten Fall gegen sechs Gegner an, aber sie spielen auch gegen alte und neue Bilder, die am Frauenfußball hängen. Die neuen Bilder sind überall in der Werbung zu sehen: junge und hübsch zurechtgemachte Frauen, die das aber nicht nur für sich machen, sondern einer ganzen Sportart einen attraktiven Anstrich geben sollen. Dass damit wiederum ziemlich klassische Männervorstellungen im großen Männersport (welcher der Fußball auch weiterhin ist) bedient werden könnten, liegt auf der Hand, soll aber nicht zu laut gesagt werden. Aber klar ist auch, dass die Mädchen sich nicht zu freizügig präsentieren sollen, denn als Fußball-Sexobjekt steht man wieder im Abseits. Es ist also nicht ganz einfach, im Sommer 2011 eine deutsche Frau zu sein, die in der Fußball-Nationalmannschaft spielt. Und deswegen wäre es wünschenswert, wenn man bei dieser Frauenfußball-WM auf den Fußball schaut und die Frauen einfach so lässt, wie sie sind.“

Der Frauenfußball hat ein Problem mit seiner Akzeptanz

Steffen Dobbert (Zeit Online) beschäftigt sich vor dem Eröffnungsspiel mit gängigen Vorurteilen und weist die Kritiker in ihre Schranken: „Der Frauenfußball hat ein Problem mit seiner Akzeptanz. Auch, weil es politisch gewollt und medial unterstützt wird, dass Frauen ähnlich professionell Fußball spielen wie Männer. Die Skepsis der Kritiker wird durch die DFB-PR-Maschinerie verstärkt. Die Frauenfußballgegner haben vielerorts das Meinungsmonopol inne. Sie frotzeln rum, reißen Witze, um sich scheinbar galant über den Frauensport zu stellen. Nur wenige sprechen ihre Ressentiments offen aus. Es gibt in unserer Gesellschaft Bereiche, in denen Frauen nicht gleichberechtigt sind. Im Profifußball gibt es nur eine Schiedsrichterin. Im Präsidium und im Vorstand des Deutschen Fußballbundes arbeitet zwischen 40 Kollegen nur eine Frau. Es gibt immer noch Männer, die das gut finden. In der Diskussion um die WM 2011 mischt sich die Abneigung gegen starke Frauen mit dem Sport. Die Frauen-Gegner sagen, sie mögen keinen langsamen kraftlosen Fußball. Doch darum geht es den Wenigsten. Über ein lahmes Männer-Bundesligaspiel schimpfen sie nicht so laut. Der Fußball ist nur ein Vehikel. Sie benutzen ihn, um ihr Niedermachen von selbstbewussten Frauen auszuleben.“

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Kommentare

2 Kommentare zu “Blatters Versteckspiel bei der Frauen-WM”

  1. augelibero
    Montag, 27. Juni 2011 um 21:14

    Der Umstand, dass in der Berichterstattung zum Auftakt der WM die (gesellschafts-)politische Dimension sowie der FIFA-Skandal dominieren, spricht Bände. Man stelle sich vor, dass nach dem Eröffnungsspiel der WM 2014 zwischen Brasilien und irgendwem nicht ums Spiel, Tore und Stars, sondern „das Große und Ganze“ geht. So etwas kommt beim Männerfußball immer vorher oder etwas nachher. Wenn das Leder rollt, dominiert die Auseinandersetzung mit dem Spiel selbst.

    Dass die wohlmeinenden Fußballfeuilletonisten sich pc-Apostel positionieren, spricht für sich selbst: Wenn sie besser wäre als das, was sie so schön kritisieren, hätten sie die Spiel selbst „rezensiert“.

  2. Dirk
    Dienstag, 28. Juni 2011 um 08:53

    @augenlibero

    sehe das etwas anders. Hab das Spiel gesehen und gestern mit Interesse einige Spiel-Berichte gelesen, welche sich auch hinsichtlich der Bewertung/Analyse teilweise erheblich unterschieden.

    Ich hätte mir an dieser Stelle die entsprechende Zusammenstellung gewünscht, aber vielleicht kommt das ja heute?

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