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Die Euphorie ist am Ende

Matthias Nedoklan | Freitag, 1. Juli 2011 6 Kommentare

Ein echter Krampf war der 1:0-Arbeitssieg der DFB-Kickerinnen gegen Nigeria. Die Presse spart nicht mit Kritik, die „Schland“-Euphorie ist völlig verfolgen

Claudio Catougno (SZ) ist nach dem müden 1:0-Sieg gegen Nigeria ernüchtert: „Nach dem Anpfiff reihte sich vielmehr eine gruselige Szene an die nächste, und schon bald hatte das Frankfurter Publikum ein Gespür dafür entwickelt, dass diese Partie eine Bewährungsprobe werden würde für Silvia Neids Mannschaft. Eine Prüfung. Die Leute schwankten zwischen ratloser Stille und bemühter Aufmunterung, das würde nicht der sorglose Partyabend werden, auf den sie sich eingerichtet hatten.“

Michael Horeni (FAZ) fasst zusammen: „Die schlechte Nachricht: Wenn sich die deutsche Mannschaft nicht deutlich steigert, wird es kaum etwas werden mit der Titelverteidigung. Der große Favorit bot gegen Nigeria eine spielerisch lange dürftige Leistung, es mangelte an Ideen und Kombinationsfreude, an Passgenauigkeit und auch an taktischer Klugheit.“

Strenger als Jogi

Daniel Meuren (FAZ) porträtiert die Bundestrainerin: „Deutlich wird Silvia Neid, wenn eine Spielerin ihr Talent vergeudet und nicht das Beste fürs Team aus sich herausholt oder ihr Team eine lausige Trainingseinheit abliefert. Dann ist sie die strenge Anführerin, die ihren Spielerinnen beispielsweise auch allzu pompöse Jubel-Choreographien nach Torerfolgen untersagt.“

Anke Myrrhe (Tagesspiegel) attackiert die Sc hiedsrichterin der Partie: „Die Leistung des Schiedsrichtergespanns um die Koreanerin Sung Mi Cha, war einer WM wahrlich nicht würdig. Es war vielleicht noch zu verschmerzen, dass sie zu Unrecht auf Abseits entschied, als Celia Okoyino da Mbabi in der 15. Minute allein aufs Tor zugelaufen wäre. Kurz vor der Pause hätte Cha allerdings auf Elfmeter entscheiden müssen, als Alexandra Popp im Strafraum klar regelwidrig von den Beinen geholt wurde.“

Nicht weltmeisterlich

Jürgen Ahäuser (Berliner Zeitung) kritisiert: „Die Deutschen produzierten unter dem geschickten Pressing der Nigerianerinnen zahlreiche Fehlpässe. Weder Kim Kulig noch Simone Laudehr vermochten dem Spiel Struktur zu geben. Laudehr fasste sich einige Male fast verzweifelt an den Kopf. Den Spitzenkräften um Birgit Prinz gelang es nicht, ein gefährliches Kombinationsspiel aufzuziehen. Am Spielfeldrand wurde Trainerin Silvia Neid ob der mühsamen, aber vergeblichen Versuche ihres Teams, gefährlich vor das Tor der Gäste zu kommen, immer ungehaltener.“

Johannes Kopp (taz) analysiert: „Konnte man das maue erste Spiel der Deutschen gegen Kanada noch der Anfangsnervosität zu Turnierbeginn zuschreiben, zeigte sich beim zweiten Auftritt aber auch, dass es strukturelle Probleme gibt. Wieder überzeugte die Abwehr bei der Spieleröffnung nicht, wenn sie unter Druck gesetzt wurde. Hinzu kam dieses Mal aber ein weiteres Problem: die ansonsten so rührigen Offensivspielerinnen brachten so gut wie nichts zuwege. Von Laudehrs Treffer einmal abgesehen, kamen nur drei, vier Bälle pro Halbzeit auf das Tor von Precious Dede. Und bei keinem musste sich diese sonderlich verausgaben.“

Kommentare

6 Kommentare zu “Die Euphorie ist am Ende”

  1. anderl
    Freitag, 1. Juli 2011 um 17:44

    Ich bin ja kein Experte, deswegen frage ich mal hier: Lag das schwache deutsche Aufbauspiel NUR an der Härte der Nigerianerinnen? Denn die erste halbe Stunde hatte ich gar nicht das Gefühl, dass sie so allzu hart waren…

  2. XMan
    Freitag, 1. Juli 2011 um 18:30

    Typisch Deutschland
    Vor dem ersten Spiel ist man Weltmeister und kein anderes Team hat eine Chance.
    Nach den ersten beiden Spielen hat man keine Chance mehr auf den Titel, weil alle anderen soooo viel besser sind und die eigene Mannschaft grottenschlecht.
    Fukushima, EHEC, Vogelgrippe, Schweinegrippe; nie gibt es intelligente Reaktionen in diesem Land, immer ist das Schlimmste gerade gut genug …
    Ihr seid wirklich zu bedauern!

  3. Daniel
    Freitag, 1. Juli 2011 um 19:45

    @anderl:

    Ich hatte dieses Gefühl auch nicht. Ich bin sogar der Meinung, die deutschen Damen waren den nigerianischen in Sachen Härte durchaus ebenbürtig, auch wenn einem der (in diesem Spiel) unsägliche Herr Bartels penetrant etwas anderes einreden wollte. Die Nigerianerinnen waren einfach hervorragend auf die DFB-Elf eingestellt und diese hatte diesem klugen und harten Pressing so gut wie nichts entgegenzusetzen. Allerdings hat die Schiedsrichterin für mein Gefühl zu viel laufen lassen und ihre Kolleginnen an der Linie wirkten manchmal überfordert. Dies ging nach meiner Beobachtung jedoch gleichermaßen zu Lasten beider Teams.

  4. prazzomoto
    Samstag, 2. Juli 2011 um 09:34

    Herrgott, Frauenfussball ist so unfassbar egal, warum auch nur ein Wort darüber verlieren!

  5. lateral
    Samstag, 2. Juli 2011 um 17:20

    Hier noch eine interessante Perspektive auf den Hype:
    http://www.theeuropean.de/stefan-gaertner/7222-ganz-schoen-deutsch-der-frauenfussball

    Stefan Gärtner beschreibt dort recht schlüssig die Vermengung von Nationalismus und Propaganda bzw. neudeutsch „Medienhype“. Ich möchte überdies zu bedenken geben, dass diese WM außerhalb Deutschlands wohl weitgehend unbeachtet sein dürfte. Zugespitzt formuliert: Diese WM ist ein rein deutsches Produkt. Warum bedienen die Medien – insbesondere das TV – den Hype, der ein self-fulfilling Sommermärchen herbeizaubern soll? Ich weiß es nicht, aber alleine aus Geschlechtergerechtigkeitsgründen tun sie das wohl kaum.

  6. anderl
    Samstag, 2. Juli 2011 um 21:16

    @lateral
    Genau daselbe frage ich mich auch: Wer hat an diesem ganzen Irrsinn ein Interesse?
    Ich könnte jetzt mal die politische Kiste aufmachen, aber die gehört in dieses Forum nicht rein.
    Ich halte es kurz mit „Brot und Spiele“.
    Wer dafür eine längere Erklärung will, der lese folgenden Artikel http://www.nachdenkseiten.de/?p=9973 lesen. Und dann auf der selben Seite stöbern und sich dann seine Gedanken machen…

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