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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Ball und Buchstabe

Tatort Bundesliga

Matthias Nedoklan | Dienstag, 6. März 2012 1 Kommentar

Doppelt so gut wie Mario Gomez, so wird Michael Skibbe zitiert, sei dieser René Schnitzler gewesen. Warum aus dem Fußball-Profi jedoch kein Nationalspieler sondern ein Sündenfall geworden ist, erklären Wigbert Löer und Rainer Schäfer im ihrem Buch: „René Schnitzler – Zockerliga“

Wo der Ball rollt wird auch gezockt – so die nicht sonderlich kontroverse These des Buches. Von Kreisliga bis Nationalmannschaft, überall wo junge Männer mit recht viel Freizeit zusammen kommen, werden die Karten ausgepackt oder Wettscheine ausgefüllt. Und natürlich geht es um Geld – bei den Profis manchmal sogar um sehr viel, bei René Schnitzler um zu viel.

Der ehemalige Profi des FC St. Pauli machte bundesweit Schlagzeilen als er vom DFB zwei Jahre gesperrt wurde. Der Stürmer hat 100.000 Euro erhalten um Spiele zu manipulieren. Spielschulden drückten Schnitzler, bei Leuten die ungeduldigere Mahnungen formulieren als Banken und Sparkassen. Ein Fußballprofi – in Geldnot.

Schnitzler, der junge talentierte Kicker stieg in der Jugend von Borussia Mönchengladbach schnell auf – zu schnell vielleicht für ihn. Die Autoren und Schnitzler selbst schildern gewohnte Bilder: Viel Geld, schnelle Autos, heiße Partys. Die Unreife der Jugend trifft die Möglichkeiten der ganz Großen. Und Schnitzler ist süchtig nach Adrenalin. Kaum ist der Führerschein in der Tasche ist es nur ein nachsichtiger Schutzengel der bei den nächtlichen Rennen in Mönchengladbach schlimmeres verhindert. Während seine Freunde in den Wettbuden zwei Euro auf Hunderennen setzen, legt Schnitzler bereits Hundert-Euro-Scheine auf den Tisch. Natürlich verfällt Schnitzler dann auch dem Poker.

Sportler sind besonders suchtgefährdet

Sportler, so lassen sich die Prominenten in diesem Buch – wie Lothar Matthäus, Stefan Kießling und Marcell Jansen – zitieren, müssen um zur Spitze zu gehören einen gehörigen Ehrgeiz entwickeln. Niederlagen müssen sie zur Revanche anspornen, sie dürfen sich niemals geschlagen geben. Eigenschaften, die beim Glücksspiel zur Katastrophe führen. Schnitzler kann nicht verlieren, er spielt immer höhere Einsätze, selbst wenn er merkt, dass er überhaupt nicht mehr bei der Sache ist und sich nicht mehr konzentriert. Er spielt rücksichtslos und schon bald rufen Mitspieler ihrer Freunde an, wenn Schnitzler spielt – da verschenke jemand gerade sein Geld.

Bei Andreas Biermann, den Rainer Schäfer bereits porträtierte führte dies schließlich zur Depression, bei René Schnitzler ins Rotlicht. Aus den illusteren Pokerrunden mit Nationalspielern in teuren Hotels muss er sich verabschieden, er zockt in zwielichtigen Hinterzimmern und verliert munter weiter. Zockerliga ist ein lesenswertes Buch – ein weiterer Blick in die nicht immer ganz so glamouröse Welt der Nichtganz-Superstars des Profifußballs.

Werbeverbot hätte Schnitzler nicht gerettet

Eins bleibt jedoch fraglich – was das Buch bewirken möchte. Für eine Biographie Schnitzlers reicht, bei allem Respekt, sein Lebenswerk bei weitem nicht aus, ein Buch damit zu füllen. So greifen die Autoren mal wieder die Institutionen an, DFB und DFL machten sich viel lieber die Taschen mit den Sponsoren der Industrie voll, anstelle gegen Spielsucht anzukämpfen. Dabei hat sogar Schnitzler vermehrt sein Geld bei illegalen Spielrunden verzockt, die von einem Werbeverbot oder Glücksspielverbot überhaupt nicht betroffen wären.

Dennoch ein sehr unterhaltsames, flüssiges Buch, vielleicht an manchen Stellen etwas ‚larger-than-life‘, etwas zu verrucht, zu dramatisch, zu Klischee belastet, um sich mit dem Thema Glücksspiel, Spielsucht und vor allem den persönlichen Gründen des Scheiterns eines vielversprechenden Talents ernsthaft zu beschäftigen.

Wigbert Löer, Rainer Schäfer: René Schnitzler – Zockerliga. Ein Fußballprofi packt aus, Gütersloher Verlagshaus, 208 Seiten.

Kommentare

1 Kommentar zu “Tatort Bundesliga”

  1. Pumukel
    Dienstag, 6. März 2012 um 21:28

    Gut geschriebene Rezension. Etwas zu ehrlich. Aber Schnitzler scheint ein interessanter Kerl zu sein.

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