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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Ball und Buchstabe

Eine ehrenwerte Familie

Matthias Nedoklan | Sonntag, 24. Juni 2012 1 Kommentar

Zuletzt sorgte seine Wiederwahl für Debatten und Aufruhr: Die Rede ist von Sepp Blatter, dem mächtigen Herrscher über den Weltfußball. Finstere Machenschaften im Halbdunkel, Schmiergelder, Privatdetektive, keine Zeugen. Die gerne zitierte Fußball-Familie stellt, SZ-Journalist Thomas Kistner zufolge, eine andere Familie an Schmutz in den Schatten: „FIFA-Mafia“ so der Titel seiner Abrechnung.

Man kann es fast schon bewundern. Immer wenn es eng und brenzlig wird, an der einsamen Spitze in der Welt-Zentrale des Fußballs in Zürich, wenn der Laie denkt, dass es das gewesen war für den FIFA-Chef, schafft es Sepp Blatter irgendwie die Krise abzuwenden und dennoch im Amt zu bleiben. Eindrucksvoll, aber auch besorgniserregend.

WM-Vergabe an Katar, ISL-Prozess, Bestechungsvorwürfe im Wahlkampf: Das Haus des Fußballs ist ein Haus der rechtlichen Grau- und Dunkelzonen. Thomas Kistner leuchtet mit der Taschenlampe in die Ecken des mondänen Baus in Zürich. Gut recherchiert fast Kistner den Weg zusammen, der die FIFA aus den Händen halbwegs nobler Franzosen und Engländer in die Arme von Jack Warner, Chuck Blazer und Issa Hayatou getrieben hat.

Mysteriöse Zeugen, geheime Dokumente, düstere Gerüchte

Vieles an den Vorwürfen mag nicht neu sein, in dieser Dichte und atemberaubenden Stringenz und Logik sind die Behauptungen und Recherchen Kistners dennoch verheerend. Egal ob mysteriöse Zeugen, geheime Dokumente oder düstere Gerüchte, das Problem, das der Weltfußballverband hat, ist, dass mittlerweile keine Geschichte, so abenteuerlich sie auch klingen mag, zu unrealistisch ist.

Und am Wahrheitsgehalt der Behauptungen von Kistner gibt es nur wenig Zweifel, zu gut sind all die Prozesse dokumentiert. Dass sich dennoch im Hause des Fußballs nichts verändert, ist das bedrückendste am ganzen Buch.

Kompass durch das Geflecht von Gefälligkeiten

Kistner schafft es dem Leser einen Kompass durch das eigentlich undurchdringliche Geflecht von Gefälligkeiten und Abhängigkeiten, von Schwägern, Briefkastenfirmen und braunen Umschlägen zu geben.

Selten ist man nach der Lektüre eines Buches so voller Erkenntnis und gleichzeitig so niedergeschlagen. Die FIFA, so scheint es, ist noch fester ineinander verwickelt als der Gordische Knoten. Und das Schwert, das diesen zerschlagen könnte, ist noch nicht geschmiedet.  Es ist eben immer genug da, was man Geben und Nehmen kann. Und solange während einer WM immer alles vergessen ist, geht das Leben in der ehrenwehrten Familie des Fußballs weiter. Mit allen seinen Gesetzen.

Thomas Kistner: FIFA-Mafia. Die schmutzigen Geschäfte mit dem Weltfußball, Droemer, 432 Seiten.


Kommentare

1 Kommentar zu “Eine ehrenwerte Familie”

  1. HUKL
    Sonntag, 24. Juni 2012 um 18:50

    Besonders zwei Sätze aus dem Kommentar über den Inhalt des Buches vom mutigen, doch leider scheinbar bisher absichtlich völlig unbeachteten, Sportredakteur der SZ, Thomas Küster, sollten endlich für ein sofortiges Wachrütteln und Abwählen der verantwortlichen Betreiber dieses Sumpfgebietes sorgen, die zusätzlich auch lückenlos juristisch zur Verantwortung gezogen werden müssten:

    - Die im Buch zusammengefassten
    Geschichten, die nicht nur die eigenen „Familienmitglieder“ der FIFA bestens
    kennen, sondern teilweise bereits auch
    schon seit Jahren der gesamten Welt-
    Öffentlichkeit bekannt sind und der
    Wirklichkeit entsprechen, sollten doch
    eine Basis sein, diesem bösen Treiben
    endlich ein baldiges Ende zu setzen!

    - Trotz dieses Kennen der kriminellen
    Machenschaften konnte bisher von Außen
    kein Ansatz gefunden werden, um die
    zusammengefassten und dokumentierten
    Taten nicht nur lückenlos aufzuklären,
    sondern auch zu verurteilen!

    Im normalen zivilen Leben wird immer wieder zur Zivilchourage aufgefordert, das heißt etwas zu melden, wenn unrechtmäßige Dinge passieren, wem aber in diesem Fall?
    In zahlreichen Film- und geschriebenen Dokumentationen, von eigentlich sonst sehr einflussreichen Personen der Deutschen Fußball-Liga und des DFB, den schreibenden Redakteuren Küster und Co., mittlerweile auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen wurden auf diese korrupte Handlungen bereits zahlreich hingewiesen.

    Man hat derzeit fast nur noch die einzigste Möglichkeit, damit nicht aufzuhören und immer wieder darauf hinzuweisen und daran ständig zu erinnern, besonders auch in diesen Tagen, wo es um die Krone des europäischen Fußballs geht. Dort werden aber bekanntlich und immer gut sichtbar verschiedene Mitglieder dieser „ehrenwerten Familie“ in den bequemen Sesseln der WIB Business Lunchen der Stadien beider Gastgeber-Länder, umgeben von sportlichen und politischen Würdenträgern sowie stein- und einflussreicher industriellen Oligarchen, hofiert.

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