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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Am Grünen Tisch

Mit Sicherheit glücklich

Erik Meyer | Mittwoch, 18. Juli 2012 Kommentare deaktiviert für Mit Sicherheit glücklich

Gleich an zwei grünen Tischen wurde gestern getagt: Beim Fifa-Exekutivkomitee sowie beim Sicherheitsgipfel des deutschen Fußballs.

An der Veranstaltung „Für Fussball – gegen Gewalt“ kritisiert Boris Herrmann (SZ), dass keine Vertreter von Fan-Initiativen eingeladen waren: „Vor allem müsste aber mal grundsätzlich geklärt werden, welche Art von Publikum sich der fernsehorientierte Event-Fußball eigentlich wünscht? Betrachtet er die regelmäßigen Kurvengänger und Auswärtsfahrer als Kunden – oder als mündige Mitspieler? Wenn der Fußball aber erkennt, dass seine aktiven Zuschauer nicht nur (mal stimmungsvolles, mal nerviges) Beiwerk sind, sondern auch ein zentraler Teil der Vorstellung, dann muss er sich auch mit ihnen unterhalten.“

Auch Michael Reinsch (FAZ) zweifelt am Charakter der Konferenz: „Der entsprechende Kodex, den alle 53 teilnehmenden Vereine in Berlin unterschrieben und der nicht mit Entscheidungen verwechselt werden darf, ist eine Entschließung gegen Gewalt und Feuerwerk und die Ankündigung von härteren Sanktionen. Der Zweitligaverein Union Berlin, der als einziger nicht am Gipfel teilnahm, kritisierte, dass es statt eines Konsens diese Deklaration gegeben habe und nannte den Gipfel eine Akklamationsveranstaltung.“

Zur Begründung befragte Lars Spannagel (Tagesspiegel) den Präsidenten des 1. FC Union, Dirk Zingler: „Der Entwurf für den Kodex sei den Klubs erst 20 Stunden vor der Veranstaltung zugesandt worden. Ein breiter Konsens innerhalb des Vereins sei aber ‚zwingende Voraussetzung‘, um weitreichende Maßnahmen umsetzen zu können, sagte Zingler: ‚Ein Kodex, der sich auf das Verhalten der Union-Fans auswirken soll, kann nur mit ihnen gemeinsam erarbeitet und umgesetzt werden.‘“

Ein glücklicher Präsident

Michael Ashelm (FAZ) hat in Zürich einen selbstzufriedenen Sepp Blatter angetroffen: „Auf seine bewährte Art drückte der Präsident des Internationalen Fußball-Verbandes (Fifa) die Schwierigkeiten einfach weg, die sich auftürmen bei seiner Organisation, mit der er über Jahrzehnte eins geworden ist. Abgeperlt auch die Forderungen etwa aus Deutschland, dass er endlich abtreten solle. ‚Verstehen Sie, wenn ich jedes Mal reagieren würde, wenn irgendjemand auf der Welt erzählt, ich müsste zurücktreten, dann würde ich mich blau und grün ärgern‘, sagte er schon fast genüsslich.“

Johannes Kopp (taz) analysiert die Methode, mit der sich der 76-jährige Mann aus dem Wallis an der Spitze des Verbands hält: „Die Machttechniken von Blatter sind so beeindruckend wie vielfältig. Weitsichtig und berechnend ist er wie kaum ein anderer. Dass er das Korruptionsgeflecht seiner engsten Führungsmitarbeiter duldete, ohne sich nachweisbar selbst die Hände schmutzig zu machen, verschaffte ihm ein effizientes Druckmittel, um nach seinem Gusto kalt durchzuregieren.“
Dazu liefert Deniz Yücel einen Kommentar, der durch vorbildliche Verlinkung auf frühere taz-Artikel die Vorgeschichte der aktuellen Berichterstattung erschließt.

Und Jens Weinreich (FR) problematisiert die Rolle der vermeintlichen Kritiker bei der Inszenierung von Aufklärung: „Außer einem gespielten Aufschrei der Empörung hatten DFB-Präsident Wolfgang Niersbach, Franz Beckenbauer und der Lobbyist Fedor Radmann nicht viel zu sagen. Ihre WM-Bewerbung sei über jeden Zweifel erhaben gewesen, gaben sie zu Protokoll, obwohl längst das Gegenteil bewiesen ist. Denn die Deutschen haben über Firmen aus dem ehemaligen Reich des Medienmoguls Leo Kirch Fifa-Exekutivmitglieder und dubiose Figuren im Umfeld der Fifa-Regierung mit nebulösen Verträgen und Geldsummen bedient.“

Ob solche Praktiken nun tatsächlich unterbunden werden, bezweifelt Stephan Ramming (NZZ): „Die Massgaben, auf die sich künftig die Fifa-Funktionäre behaften lassen müssen, sind in einem Ethikregelwerk festgeschrieben. Was dies in Zukunft konkret bedeuten wird, ist schwer abzuschätzen. ‚Ethische Prinzipien‘ sind offene Regeln, die sich anders als Gesetze dehnen lassen wie elastische Gummibänder.“

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