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Frauenfußball-EM – Alles wieder in Butter

Kai Butterweck | Dienstag, 30. Juli 2013 1 Kommentar

Trotz schwachem Start holt sich das Team von Bundestrainerin Silvia Neid zum achten Mal den Europameister-Titel. Die Presse lobt, hofft und fordert

Nicolas Diekmann (Tagesspiegel) schubst die DFB-Elf wieder ins Rampenlicht: „Der schwache Start in Schweden, schien eine Vermutung zu bestätigen: Auch auf europäischem Boden ist die fußballerische Dominanz der deutschen Frauen Vergangenheit. Doch kämpfte sich die Mannschaft zurück, zeigte spätestens seit dem Halbfinale, dass sie auch neu zusammengestellt und generationenübergreifend erfolgreich sein kann. Das ist ein wichtiges Zeichen für den künftigen Erfolg einer Mannschaft, deren Stammelf in Schweden durch neue, bisher eher unbekannte und vor allem junge Gesichter bereichert wurde.“

Auch hier muss das Runde in das Eckige

Stefan Mahlke (taz) blickt gespannt in die Zukunft: „Bei der WM in zwei Jahren wird sich zeigen, ob der Abstand zur absoluten Weltspitze, zu den Topteams der USA und Japans kleiner geworden ist. Der zum Männerfußball ist es nicht. Die athletischen Voraussetzungen sind zu ungleich und der Grad der Professionalisierung ist immer noch um ein Vielfaches höher. Gleichwohl ist Frauenfußball kein anderer Sport, auch hier muss das Runde in das Eckige. Aber wenn man sich als Fernsehzuschauer auf ein anderes Tempo und technisches Niveau eingroovt, kann man auch hier Welten erkennen zwischen Spitzenfußball à la Frankreich, Deutschland und Schweden und der arg limitierten Kickerei der Isländerinnen, Finninnen oder Russinnen.“

Peter Ahrens (Spiegel Online) verneigt sich vor der deutschen Trainerbank: „Der Misserfolg von 2011 hat Neid zwei Jahre später begleitet. Ein frühes Scheitern bei der EM in Schweden – und Neid wäre wohl kaum noch haltbar gewesen. Es hat bis zu dieser Europameisterschaft gedauert, bis das Team beweisen konnte, dass die WM-Niederlage gegen Japan ein Betriebsunfall war, gespeist aus dem Erwartungsdruck und den eigenen überhöhten Ansprüchen. Neid und die Mannschaft mussten erst das Verlieren lernen, um jetzt wieder gewinnen zu können.“

Frank Hellmann (FR) schließt sich an: „Das Ensemble ist nach dem Gruppenspiel gegen Norwegen nämlich bei der Ehre gepackt worden. Silvia Neid setzte über einen Impuls Selbstreinigungsprozesse in Gang, bei denen die junge Garde eine Schlüsselrolle spielte, um Werte wie Respekt, Anstand oder eben Teamgeist auszuleben. Die auf Armbändchen mit der Aufschrift „Laganda 008“ angebrachte Losung war alles andere als eine hohle Phrase.“

Platini dachte wohl, er sei witzig

„Ich wollte das nicht, die Mehrheit des Frauen-Komitees wollte das so. Und Sie kennen ja die Frauen – es ist schwierig, sich mit ihnen zu streiten“, antwortete Michel Platini auf die Frage, warum der Einzug ins Viertelfinale (Russland und Dänemark waren punktgleich) per Los und nicht durch Regeln entschieden wurde. Kathrin Steinbichler (SZ) kommt die Galle hoch: „Platini dachte wohl, er sei witzig, doch Kommentare wie diese sind es, die jede Debatte über die Gleichbehandlung der Geschlechter im Sport ersticken. Denn in Wahrheit offenbaren seine Worte eine Haltung, die davon ausgeht, dass allein die unterschiedlichen biologischen Voraussetzungen von Frauen und Männern eine inhaltliche Ungleichbehandlung rechtfertigen würden. Dabei haben die Fußballerinnen bei dieser EM bewiesen, dass sie mit ihrer Art des Spiels begeistern können. Dass deshalb wohl auch nicht mehr Zuschauer als vorher die Ligaspiele verfolgen werden, führt zu einer anderen Diskussion. Zu einer über fehlende professionelle Vereinsstrukturen im Frauenfußball. Dabei geht es allein um Geld, nicht ums Geschlecht.“

Oliver Fritsch (Zeit Online) öffnet seine Wunschschatulle: „Unter Silvia Neid kommen die Läuferinnen und Kämpferinnen besser zur Geltung als die Kreativabteilung. Dass Frauen besser, strukturierter, moderner, schöner spielen können, bewiesen die Japanerinnen beim WM-Titel vor zwei Jahren. Und in diesem Jahr, in Ansätzen, die Französinnen und selbst die Außenseiterinnen aus Dänemark. Silvia Neid sollte den Titelgewinn zum Anlass nehmen, mehr Mut zur Spielkultur zu entwickeln. Das wäre die beste Werbung für diesen Sport, dem im Alltag Zuschauer und Sponsoren fehlen. Dass die Deutschen dies draufhaben, belegte eine der wenigen direkten Kombinationen im Finale: Laudehr zu Kessler, Kessler zu Mbabi, Mbabi zu Mittag, drin! Das war toller Fußball, das war das einzige Tor im Finale.“

Doppelpässe finden höchstens auf dem Platz statt

Thomas Haid (Stuttgarter Zeitung) fordert mehr Aufmerksamkeit zwischen den Turnieren: „Alle zwei Jahre wieder kümmern sich die TV-Sender und die DFB-Männer so rührend um ihre Frauen. Da spielen sie vor der Kamera den Doppelpass. Und dazwischen? Da interessiert das außer dem alten Präsidenten Theo Zwanziger kaum einen. Doppelpässe finden höchstens auf dem Platz statt. Auf den Tribünen in der Bundesliga wird jedenfalls nur selten eine prominente DFB-Delegation gesichtet. Das Fernsehen überträgt die Begegnungen auch nicht. Es gibt maximal Absichtserklärungen, wie der Alltagsbetrieb besser in Szene gesetzt werden könnte – aber kein Konzept, wie seit 20 oder 25 Jahren nicht. Ach ja, die Männer hätten bei einem EM-Sieg 2012 übrigens 300 000 Euro kassiert. Jetzt geht’s los mit Frauenfußball? Viel Glück. Tschüss und bis zur WM 2015!“

Daniel Meuren (FAZ) dankt dem DFB: „Die Uefa lockt die Verbände mit der Aussicht auf 100.000 Euro Fördergeld, falls Nationalteams gemeldet werden. Aber in manchen Regionen haben Mädchen wegen kultureller Vorbehalte oder infrastruktureller Defizite nicht die Möglichkeit, dem Fußball als Sport nachzugehen. Deutschland ist deshalb unabhängig von den sportlichen Erfolgen weiter eine der wenigen Inseln der glückseligen Fußballspielerinnen. Das liegt auch an der Subventionierung durch den DFB: Noch immer profitieren die Frauen von der Marktmacht des Verbands, der die Rechteinhaber der Männer-Länderspiele verpflichtet, auch die Heimspiele des Frauenteams zu übertragen. Mittlerweile haben sich die Fußballfrauen ihre eigene Anhängerschaft erarbeitet.“

Dieser Titel ist weniger selbstverständlich als alle anderen zuvor

Tanja Schneider (rundschau-online.de) misst dem Titel eine besondere Bedeutung zu: „Die Damen mit dem Adler auf der Brust stolperten durch die Vorrunde. Die Trainerin wurde heftig kritisiert. Mancher war bereits auf Nachfolgersuche. An Silvia Neid perlte das allerdings ab. Sie stellte sich vor ihre junge Mannschaft. Und diese zahlte das Vertrauen zurück. Dieser Titel ist weniger selbstverständlich als alle anderen zuvor. Deshalb ist er umso wertvoller.“

Patrick Krull (Welt Online) adelt Torwart-Heldin Nadine Angerer: „Hätte der Frauenfußball flächendeckend Persönlichkeiten vom Schlage einer Nadine Angerer, würde es wahrscheinlich leichterfallen, aus der sportlichen Nische herauszukommen. Frisch, unverblümt und unverstellt, wie sie ist. Dazu sportlich überzeugend. Sie taugt zur Marke des Frauenfußballs. Andererseits: Wie sollte eine auch nur annähernd sein wie sie? Jede Kopie eines Unikats wie Angerer würde wie eine billige Kopie wirken.“

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