WM 2014
WM-Finale – Wer setzt sich die Krone auf?
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| Freitag, 11. Juli 2014Zwei Tage vor dem Finale in Rio stimmt sich die Presse auf den ultimativen WM-Showdown ein. Außerdem: Frust vor dem Spiel um Platz drei, mahnende Grundsatz-Zeigefinger und feurige Wohnzimmer-Kommentatoren
Nach der Halbfinal-Gala gegen Brasilien geht die deutsche Mannschaft als Favorit ins Finale. Peter Ahrens (Spiegel Online) warnt vor zu viel Übermut: „Die deutsche Mannschaft wird auf ein Team treffen, das vermutlich alles genau anders machen wird als der Halbfinalgegner Brasilien. Die Argentinier werden nicht mit fliegenden Fahnen in die deutschen Angriffe hineinlaufen, sie werden versuchen, den Strafraum zur verbotenen Zone zu machen, sie werden auf Konter lauern, um sie dann über Lionel Messi und Gonzalo Higuaín auszuspielen. Sie werden geduldig sein. Genau das wird auch das Team von Löw aufbringen müssen: Geduld.“
Die Deutschen werden sich nicht von ihren Glücksgefühlen übermannen lassen
Johannes Kopp (taz) hat ein gutes Gefühl: „Automatisiert, geradezu maschinell, wirkten die Abläufe des anmutigen Spiels der DFB-Kicker. Es ist eine seltsame Mischung, die in ihrer Konsequenz in Belo Horizonte fast schon gespenstisch anmutete. Gegen Argentinien allerdings dürften sich kaum solche Gegensätze auftun. Die Mannschaft von Alejandro Sabella hat bislang einen überaus kalkulierten, wenn auch wenig schönen Fußball bei diesem Turnier gespielt. Aber das haben die Deutschen schon längst realisiert. Sie werden sich gewiss nicht von ihren Glücksgefühlen übermannen lassen.“
Maik Rosner (Berliner Zeitung)steht neben der argentinischen Trainerbank: „Argentiniens Coach Alejandro Sabella wird von einigen Landsleuten als anstrengender Pragmatiker empfunden. Zugleich gilt er nicht nur als penibler Taktiker, sondern auch als clever. Mehr als Respekt hat ihm das bisher noch nicht eingebracht. Mit einem Sieg gegen Deutschland möchte Argentiniens Nationaltrainer das nun ändern.“
Gesten der Genugtuung wird es nicht geben
Philipp Selldorf (SZ) beschäftigt sich mit Joachim Löw: „Der Bundestrainer hat in all den Jahren viel Gutes geleistet mit den Nationalteams, die er im Wandel der Spielergenerationen betreut hat. Die allermeisten Spieler vertrauen ihm, sie schätzen seinen sachlichen, ruhigen Stil und seine menschliche Art. Warum sich im Publikum trotzdem solche Vorbehalte gegen Joachim Löw gebildet haben? Unter anderem deshalb, weil die Leute allmählich Angst bekamen, dass Löws Teams nur Schönheitspreise, aber keinen Titel gewinnen. In Rio kann sein Team diese These nun widerlegen. Gesten der Genugtuung wird es vom feinsinnigen Herrn Löw aber nicht geben – eher ein Bild der inneren Einkehr.“
Oskar Beck (Welt Online) adelt die WM-Joker: „In Brasilien spielen sich jetzt Wintermärchen ab – auch dank der deutschen Joker. Miroslav Klose stach gegen Ghana, Schürrle gegen Algerien und doppelt gegen Brasilien. Vier entscheidende Tore, die Deutschland in Titelnähe katapultierten. Die Joker stechen seit dem ersten Tag und erfüllen sich Träume.“
Es lauert eine weitere Tretmine
Thomas Kistner (SZ) befasst sich mit dem bevorstehenden Spiel um Platz drei: „Drei Tage noch, dann wird Scolaris Trainerstab Geschichte sein. Dummerweise lauert zuvor im Spiel um Platz drei am Samstag gegen die Niederlande noch eine weitere Tretmine; bis dahin sollte sein Team wieder imstande sein zu siegen. Jene Seleção, die mit mehreren freien Tagen während des Turniers für einen bescheidenen Hauruck-Fußball belohnt worden war und schon vorm Halbfinale, auch das zeigt die Statistik, insgesamt 74 Kilometer weniger gelaufen war als die deutschen Kicker.“
Auch Lutz Wöckener (Welt Online)macht sich auf den Weg nach Brasila. Dort treffen zwei Mannschaften aufeinander, deren Verantwortliche sich alles andere als motiviert präsentieren: „Ausgeschieden und doch noch drin im Turnier: Auch wenn keiner der ehemaligen oder aktuell Beteiligten einen Sinn bei dem mindestens 90-minütigen Wettstreit um Platz drei erkennen kann, werden die Niederlande und Brasilien am Samstag zähneknirschend antreten. Während Brasilien sich immerhin für die Schmach des Halbfinals ein wenig rehabilitieren kann, gibt es für die Niederländer faktisch nichts mehr zu gewinnen.“
Der Fußball hat als Droge eine allumfassende Wirkung
Seit knapp vier Wochen befinden sich Millionen Menschen auf der ganzen Welt im Fußball-Rausch. Der Sportwissenschaftler Helmut Digel (NZZ Online) gehört jedoch nicht dazu: „Der Fußball hat als Droge eine allumfassende Wirkung. Ohne Charme wird auf dem Rücken des Steuerzahlers eine Party gefeiert, die enorme öffentliche Kosten verursacht und damit den Steuerzahler auf eine verantwortungslose Weise belastet. Gleichzeitig werden von den beteiligten Fußballverbänden Gewinne erwirtschaftet, die ins Unermessliche reichen. Dies alles wird von Politikern goutiert und toleriert und letztlich auch politisch ermöglicht, ohne dass auch nur in Ansätzen eine wirkungsvolle Opposition zu erkennen wäre.“
Bei marcel-ist-reif.de können Amateure die WM-Spiele kommentieren. Marco Wedig (taz) schmunzelt: „Hin und wieder beweisen die Amateur-Kommentatoren auch Fußballsachverstand. „Grünes Outfit und beherztes Rausrennen macht noch keinen Manu“, hieß es zum Beispiel über den niederländischen Torhüter Cillessen . Doch da sich die Teams aufgrund ihrer gleichen Spielanlage gegenseitig neutralisierten, gab es wenig Spielerisches zu berichten. Stattdessen immer mal wieder eingespielte Töne aus der YouTube-Konserve: Karatefilm-Tonspurfetzen bei Fouls, Jogi-Löw-Kommentare oder Anti-Holland-Songs von Joint Venture und Mickie Krause.“