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Bundesliga

Große menschliche Enttäuschung

Oliver Fritsch | Mittwoch, 15. August 2007 Kommentare deaktiviert für Große menschliche Enttäuschung

Bittere Kritik an Rafael van der Vaart, der seinen Weggang nach Valencia durch Äußerungen in der Öffentlichkeit zu erzwingen versucht, obwohl er Hamburg Liebe schwor

Michael Horeni (FAZ) entlarvt Rafael van der Vaart als Heiratsschwindler: „Die Klub-Raute im Herzen, die heillos nostalgische Fußballfans in der Hansestadt bei den Wanderprofis von heute noch immer so gern verorten würden, hat sich in Rekordzeit aufgelöst. Van der Vaart, der seine Verbundenheit zu Hamburg immer besonders rehäugig hervorgehoben hatte, investiert seine Leidenschaft nun viel lieber in eine noch virtuelle spanische Fernbeziehung. Vierzehn Millionen Euro hat der FC Valencia dem HSV zunächst geboten – mit dem ersten Annäherungsversuch haben die Spanier schon mal jede Nähe zwischen Star und Noch-Arbeitgeber gekappt. (…) Es tut ziemlich weh, was van der Vaart dem gesunden Menschenverstand so zumutet, wo mit Herz & Schmerz doch nur die branchenüblichen Erpressungsversuche kaschiert werden.“

Ralf Köttker (Welt) rät dem Klub, auf den Vertrag mit van der Vaart zu pochen: „Der HSV tut gut daran, diesem Egoismus nicht nachzugeben. Es wäre sportlich unverantwortlich, die zentrale und derzeit nicht adäquat ersetzbare Figur gehen zu lassen. Außerdem würde die sportliche Führung an Glaubwürdigkeit verlieren, wenn sie sich nach den Beispielen Boulahrouz oder van Buyten wieder erpressbar macht. Spieler wie van der Vaart müssen lernen, dass Verträge nicht nach Lust und Laune gebrochen werden können. Und dass es Wichtigeres gibt als ihr Wohlergehen. (…) Menschlich gehört van der Vaart bereits jetzt zu den großen Enttäuschungen der neuen Saison.“

Durchgangsstationen

Andreas Lesch (Berliner Zeitung) verkneift sich Bitterkeit: „Profis, die überschwänglich das Vereinsemblem auf ihrem Trikot küssen oder Klubchefs, die ihre Spieler als unverkäuflich titulieren, dürfen im Fußball-Business nicht allzu ernstgenommen werden. Die Klubs schließen auch langfristige Verträge ab, um ihre Profis vor Vertragsende teuer verkaufen zu können. Moralgerede ist fehl am Platze, Verträge werden gebrochen, wenn für alle Seiten das Geld stimmt. Das ist Gesetz im Profifußball, egal, ob dies gut oder schlecht ist.“

Nico Stankewitz (stern.de) blickt auf das allgemeine Verhältnis zwischen Star und Verein: „Unverkäuflich oder nicht – mittelgroße Vereine wie der HSV sind mehr denn je in der Hand ihrer Topspieler. Werder Bremen musste im Fall Miroslav Klose erleben, dass gegen die Wechselabsichten eines Topspielers und – vor allem – gegen den Willen des Spielerberaters kein Kraut gewachsen ist. Wenn wirklich große Vereine an die Tür klopfen, sind Clubs wie Werder Bremen oder der Hamburger SV fast völlig machtlos. Sie bleiben in erster Linie Durchgangsstationen für Spieler von internationalem Format.“

Ausgerechnet Valencia

Frank Heike (FAZ) nimmt van der Vaart in Schutz: „Im Grunde ist ja seit dem Transfer-Coup klar, dass van der Vaart sich beim HSV ins Schaufenster stellt, um größere Klubs anzulocken – was gar nicht bös gemeint ist, denn er hat stets vollen Einsatz für seinen Klub gezeigt und ihn zurück in die bunten Blätter und Magazine geführt: in einer Stadt, die nach Glamour lechzt, sind van der Vaart und seine Frau Sylvie zum Lieblingspaar Hamburgs geworden. Die beiden haben den HSV gesellschaftsfähig gemacht, bewegen sich wie selbstverständlich auf jedem Parkett und sind in ihrer Werbung unbezahlbar. Der junge Holländer selbst ist ein Star zum Anfassen: keine Wohltätigkeitsveranstaltung, keine Autogrammstunde in Schulen ist ihm zu viel. Seit seine Frau Sylvie das Cover des millionenfach ausgelieferten ‚Otto‘-Katalogs ziert, ist sie zu den bekanntesten Models hierzulande aufgestiegen. Gern hat man ihnen die einmal zu oft behauptete Liebe zur Hansestadt abgenommen, die jetzt aber auf kurz oder lang in eine Liebe zu Valencia umschlagen dürfte.“

Was hat Valencia, was Hamburg nicht hat?, fragt Axel Kintzinger (Financial Times Deutschland) und kritisiert den Berater: „Er hat nie einen Hehl daraus gemacht, seine Zukunft bei einem großen europäischen Klub zu sehen – vornehmlich in Spanien. Die Mutter ist Spanierin, seine Großeltern leben in dem Land. Warum auch nicht? Große spanische Klubs, da dachten die HSV-Fans bislang an Real Madrid und den FC Barcelona, und hätte einer von denen van der Vaart verpflichten wollen, so fühlte man sich in Hamburg wohl geehrt. Aber Valencia? Valencia spielt zwar häufig in der Champions League, kommt aber meist nicht weit. 2001 erreichte der Klub allerdings das Finale in der Königsklasse – um dann mit dem FC Bayern das wohl schlechteste Europacup-Endspiel aller Zeiten abzuliefern und im Elfmeterschießen an Oliver Kahn zu scheitern. Ansonsten steht der Verein für einen autokratischen Präsidenten, der seinen Trainern in die Spielerauswahl reinredet, für defensiven Zerstörerfußball und für Stars, die es dort selten lange aushalten. Zusätzliche Verwirrung stiften der späte Zeitpunkt des Werbens und der angebotene Preis. 14 Millionen Euro für einen Spieler von der Qualität van der Vaarts ist eine von der Marktrealität weit entfernte Summe. (…) Auch sein Berater sieht schlecht aus. Sören Lerby hat weder verhindern können, dass es zu einem lautstarken Streit zwischen van der Vaart und Beiersdorfer gekommen ist, noch dass ausgerechnet sein Klient diesen Disput öffentlich macht, noch dass er in aufgewühlter Verfassung Interviews gibt, in denen er Sachen sagt, die ein Fußballprofi nie sagen sollte.“

FAZ: Marko Marin, 18-jähriges Gladbacher Talent, bezaubert beim 1:1 in Kaiserslautern: „Irgendwann wird dieser Dribbler und Ideenspender seinen Esprit wohl für Deutschland in den großen Turnieren ausspielen“
FR: Der kleine Marin wird aufpassen müssen, dass er mit seiner rotzfrechen Spielweise im rustikalen Unterhaus ohne frisch polierte Schienbeine über die Saison kommt; vermutlich wird er am Ende der meistgefoulte Zweitligaspieler sein.

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