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Bundesliga

Fußball jenseits der Baumgrenze

Oliver Fritsch | Donnerstag, 27. September 2007 Kommentare deaktiviert für Fußball jenseits der Baumgrenze

7. Spieltag, Teil 1: Dortmunder Debakel gegen Hamburg / Berlin vermasselt Fortführung des Aufschwungs gegen Rostock

0:3 gegen Hamburg – Roland Zorn (FAZ) erschrickt über die Wirkungslosigkeit des Dortmunder Trainers: „Während des Spiels sah man Thomas Doll immer wieder gestenreich den großen Einsatz proben: Schwungvoll mit beiden Armen in Richtung gegnerisches Tor winkend, versuchte er sich an einer Zeichensetzung, die seine Spieler nicht zu verstehen schienen. Und so kamen die Handlungsanweisungen des spillerig anmutenden Dirigenten ohne Orchester geradezu grotesk rüber. Wer Action einfordert und Stillstand erntet, kann später vielleicht nur noch so resigniert reden wie der Fußballlehrer. Der BVB blamierte sich vor 72.000 größtenteils entsetzten oder wütenden Zuschauern bis auf die Knochen. Doll, ein liebenswerter, gegen seinen früheren Klub aber wieder so hilflos wie in seiner HSV-Spätphase wirkender Kumpelcoach, entschuldigte sich als erstes beim Publikum und bemühte in seiner ratlosen Analyse gleich fünfmal den mitleiderregenden, nach Zahnarztbesuchen immer wieder gern gebrauchten Satz: ‚Das hat sehr weh getan.‘ Was die Borussen ihrem seit Jahren schmerzerprobten Anhang diesmal zumuteten, war an fußballerischer Armseligkeit nur noch schwer zu unterbieten: Fußball jenseits der Baumgrenze. (…) Huub Stevens war zu ‚99,9 Prozent‘ zufrieden und wusste doch sogleich, wie der Dortmunder Triumph und der damit verbundene Satz in die Spitzengruppe der Liga daheim eingeschätzt würde. ‚In Hamburg glauben die Leute nun wieder, dass man Meister werden kann.‘ Die einen desillusioniert, die anderen gegen Illusionen ankämpfend: Es ist ein Kreuz mit dem Fußball.“

Freddie Röckenhaus (SZ) ergänzt: „Erschütternd, wie schnell der ehemalige HSV-Trainer, der zum ersten Mal gegen seinen alten Klub antreten musste, bei den Rhetorik-Bausteinen angelangt ist, die man von ihm aus seiner Zeit der Misserfolge in der Hinserie der vergangenen Saison in Hamburg kennt.“

Felix Meininghaus (FTD) denunziert die Dortmunder Defensive: „Die Dortmunder offenbarten in allen Mannschaftsteilen gravierende Schwächen, die in der Abwehr jedoch besonders deutlich zum Vorschein kamen. Im Tor steht Roman Weidenfeller, ein Mann, der sich durch eine Pseudodiskussion dermaßen hat verunsichern lassen, dass er kaum einen geraden Abstoß hinbekam. Drei Spiele war die unbestrittene Nummer 1 gesperrt, in denen sein Vertreter Marc Ziegler drei Siege und null Gegentore als Bilanz verbuchen konnte. Dass Weidenfellers Arbeitsnachweis in dieser Saison vier Niederlagen und dreizehn Gegentore beträgt, war bis zu seinem Auftritt gegen den HSV auf eine Verkettung von unglücklichen Zufällen zurückzuführen. Doch nun wird eine Debatte an Fahrt gewinnen, die bislang nur außerhalb des Vereins geführt worden ist. Vor Weidenfeller agierten, Christian Wörns und Markus Brzenska, zwei Manndecker, die sich von Hamburgs quicklebendigem Stürmer Paolo Guerrero wie Schüler umspielen ließen. Da tut sich für Doll eine weitere Baustelle auf, nur hat er mit Robert Kovac einen Mann in der Hinterhand, der sich zu Saisonbeginn mit indiskutablen Leistungen selbst auf die Bank rotiert hatte.“

Wie beim ersten Discofox

Matthias Wolf (FAZ) kann nicht ausschließen, dass die Berliner Niederlage gegen Rostock auf Überheblichkeit zurückzuführen ist: „Die Partie gegen bissigere und lauffreudigere Hanseaten war ein Beleg dafür, wie schmal der Grat zwischen Selbstbewusstsein und Arroganz ist. Einzelne Spieler haben zuletzt schon mit offenen Augen von der Champions League geträumt. Der Hang zur Selbstüberschätzung ist ein Berliner Phänomen. Doch am Ende stand die Erkenntnis, dass Hertha von dauerhafter Klasse wohl noch sehr weit entfernt ist. (…) Keine Frage, sie hätten die Höhenluft in Berlin gerne noch ein wenig genossen.“ Claudio Catuogno (SZ) schreibt: „Die von Lucien Favre propagierte One-touch-Strategie wirkte fahrig und unkoordiniert. Wie beim ersten Discofox in der Tanzschule: eins, zwei, tipp, eins, zwei, tipp, und ständig tritt man sich auf die Schuhspitzen.“

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