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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Deutsche Elf

Das schönste Tor seiner Karriere

Frank Baade | Donnerstag, 15. Oktober 2009 1 Kommentar

Rumpelfußball wird gegen Finnland mit typisch deutschem Glück belohnt, die Spieler der zweiten Reihe enttäuschen allesamt, das Hamburger Publikum pfeift

Im Tagesspiegel findet Sven Goldmann nur ganz am Ende Grund zum Fröhlichsein: „Joachim Löw legte Wert auf die Feststellung, dass man gesehen habe, dass die Moral stimmt. Die Mannschaft wollte unbedingt ohne Niederlage durch die Qualifikation kommen, und das sei ihr gelungen. Ansonsten ist es nicht leicht, diesem Spiel etwas Positives abzugewinnen, mal abgesehen von der Erkenntnis, dass der Bundestrainer in wichtigen Spielen die richtigen Spieler aufstellt. Die Mannschaft vom Mittwoch hatte so ziemlich nichts von der Brillanz, die sie vier Tage zuvor beim mitreißenden Sieg gezeigt hatte. Löw hatte aus dem Russland-Spiel neben Podolski nur René Adler, Philipp Lahm und Michael Ballack gegen die Finnen in der Startaufstellung aufgeboten, auch sie taten sich schwer beim Versuch, die Qualifikation mit einer akzeptablen Leistung zu beschließen. Allein Ballack stemmte sich gegen die Lethargie und Ideenlosigkeit. Lahm startete auf der linken Seite mit ungewohnt viele Fehlern, wenn auch nicht ganz so vielen, wie sie Andreas Beck auf der anderen Seite unterliefen. Beide Außenverteidiger waren maßgeblich am frühen finnischen Führungstor beteiligt. (…) . Nun war bekannt, dass sich diese Nationalmannschaft schwer damit tut, das Spiel selbst zu gestalten. Aber ein bisschen mehr Phantasie hätte man schon erwarten können, auch ohne den kreativen Geist Mesut Özil. Sein Vertreter Piotr Trochowski machte im Übereifer vor heimischem Publikum so ziemlich alles falsch, und auch die Stürmer Cacau und Mario Gomez verpassten die Gelegenheit, sich als Alternative für Miroslav Klose anzubieten. und als alles schon mit einer Niederlage rechnete, stolperte Podolski den Ball mit Glück und gnädig unterstützt von tollpatschigen Finnen über die Torlinie. Sein Schlusswort hatte mehr Witz als das deutsche Spiel im eisigen Hamburg: ‚Ich glaube, dass war eines der schönsten Tore meiner Karriere.‘“

Lethargisch, lustlos, lahm

In der FR nennt Jan Christian Müller das Spiel knapp: „Eine Partie zum Vergessen“, denn: „Lethargisch (Michael Ballack), lustlos (Mario Gomez) und lahm (Thomas Hitzlsperger) präsentierte sich die zentrale Achse, rechts wusste Cacau überhaupt nicht genau, wie er sich in der ungewohnten Position als Rechtsaußen bewegen sollte. Hinter Cacau sah Andreas Beck nicht nur vorm Gegentreffer schlecht aus, als er sich vom schnellen Roni Porokara überlaufen ließ. Die Deutschen wehrten sich nur halbherzig und ohne Mumm, kamen aber nach dem Wechsel besser in die Zweikämpfe. Löw hatte Hitzlsperger, der in dieser Form bestimmt nicht besser als sein derzeit stillgelegter Konkurrent Torsten Frings ist, und Ballack für Christian Gentner und Mesut Özil in der Kabine belassen und dem unterirdischen Gomez nun Cacau in der zentralen Spitze zur Seite gestellt. Der Energieabfall bei Spielern wie Ballack, Westermann, Podolski oder Lahm so wenige Tage nach dem fordernden Höhepunkt in Russland konnte niemanden verwundern. Die verunsichert wirkenden Spieler aus der zweiten Reihe wie Piotr Trochowski, Gomez, Cacau, oder Beck aber brauchen starke Leitwölfe an ihrer Seite, um sich selber stark zu fühlen.“

Exquisiter Ballverteiler

Zum Publikum äußert sich Matti Lieske in der Berliner Zeitung: „Das Hamburger Publikum gilt als heikel, doch dass es keine 20 Minuten dauern würde, bis es die DFB-Auswahl nur vier Tage nach der glorreichen WM-Qualifikation von Moskau in Grund und Boden verdammte, überraschte doch. Die deutschen Spieler hatten zuvor vollzählig geschworen, nicht in den laschen Trott einiger anderer Spiele zu verfallen, in denen es auch um nichts gegangen war. Doch genau das passierte. Einzig Michael Ballack rackerte, rannte und schimpfte, ansonsten standen die Spieler meist zu weit weg vom Gegner, kamen nicht in die Zweikämpfe, vernachlässigten das Spiel ohne Ball und spielten Fehlpass um Fehlpass. Vor allem Thomas Hitzlsperger und Piotr Trochowski taten sich dabei hervor und ließen Sehnsucht nach Mesut Özil und fast sogar Bastian Schweinsteiger aufkommen. Bezeichnend war, dass der 38-jährige Jari Litmanen, der im Mittelfeld ebenso wie Roman Eremenko exquisit die Bälle verteilt hatte, bei seiner Auswechslung mit großem Applaus verabschiedet wurde, der glücklose Mario Gomez dagegen mit einem weiteren Pfeifkonzert.“

Die Psyche Gomez‘

Bei Spiegel Online empfindet Christian Göddecke das Auftreten der Deutschen als peinlich und trostlos. Ob man denn nicht Verständnis haben müsse für diese Leistung, wenn man sich gerade erst gegen Russland qualifiziert habe? „Nein, muss man nicht. Denn das Spiel gegen Finnland war alles andere als bedeutungslos, der Bundestrainer höchstselbst hat es vor wenigen Tagen zur ersten WM-Vorbereitungspartie erkoren. In Hamburg sollte eine Testphase beginnen, die zwar bis zum Sommer 2010 andauern, aber insgesamt nicht mehr als eine Handvoll Länderspiele umfassen wird. Nicht viel Zeit für Spieler der zweiten Reihe, sich zu empfehlen. Und eigentlich überhaupt keine für Fehler. Denn Löw hat den Wert der Finnland-Partie so laut und deutlich klar gemacht, dass die entsprechenden Profis sich schon die Ohren zuhalten mussten, um es nicht zu vernehmen. Sie alle hatten ihre Chance – und nutzten sie nicht oder nur ansatzweise.“ Speziell zu den Pfiffen gegen Gomez merkt Göddecke an: „Selten hat man es erlebt, dass ein deutscher Nationalspieler immer und immer wieder von den eigenen Fans bloßgestellt wird. Ob während der Euro 2008 oder beim Spiel gegen Liechtenstein – trifft Gomez nicht, wird er ausgepfiffen. Wie es deshalb um die Psyche des Stürmers bestellt ist, kann man nur ahnen. Sicher ist, dass nur Tore die Stimmung wieder heben werden und dass es davon gegen Finnland wieder keines gab.“

Im Interview beim Tagesspiegel berichet Mesut Özil, welche seiner Fähigkeiten über welche Nationalität verfügt.

Morgen folgen weitere Pressestimmen zu dieser Partie.

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Kommentare

1 Kommentar zu “Das schönste Tor seiner Karriere”

  1. A. Bassler
    Freitag, 16. Oktober 2009 um 16:18

    Die Leistung der deutschen Mannschaft läßt sich m.E. an wenigen Punkten festmachen:

    1.) Systemwechsel auf 4-3-3. Die Stürmer hatten andere Laufwege, standen sich mangels Platz immer wieder im Weg. Cacau wußte doch gar nicht, wohin mit seiner Dynamik! Dadurch fehlte auch ein Mann im Mittelfeld, so dass die Finnen durch Überzahl im Mittelfeld nach Belieben den Ball kontrollieren konnten. 4-3-3 ist also nicht das ideale System.

    2.) Individuelle Formschwächen mit individuellen Fehlern (Beck, Hitzlsperger, Lahm, Gomez …)

    3.) 6 von 10 Feldspielern gegenüber dem Rußland-Spiel waren ersetzt, die Mannschaft konnte gar nicht eingespielt sein.

    4.) Die Spieler aus der „zweiten Reihe“ haben nur noch wenige Bewährungschancen und kommen übermotiviert daher. Das führt zwangsläufig zu Verkrampfung.

    5.) Umstellung von Kunstrasen auf Naturrasen (obwohl so natürlich sind die Spielflächen ja auch nicht mehr…) 😉

    6.) Hamburger Publikum. Dies gilt seit Jahrzehnten schon als besonders kritisch. Ich kann mich erinnern, dass deutschen Nationalspielern nach einer Partie schon einmal Sitzkissen um die Ohren flogen.

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