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Bundesliga

Münchner Showtruppe, Schalker Schlussspurt, Rudi ratlos

Frank Baade | Montag, 19. April 2010 2 Kommentare

Bayern mit neuem Spaß bei der Arbeit, Schalke 04 immer noch ernsthafter Titelanwärter, Rudi Völler gibt „Rudi ratlos“, Angst essen Bochum auf, Labbadias Scheitern ist auch Hoffmanns Scheitern

Bayern neuerdings mit Zirkusnummern

Für die SZ war Andreas Burkert an der Manege: „Trainer Mirko Slomka wirkte bei seiner Analyse ähnlich hilflos wie seine Männer gegen eine aufgedrehte Münchner Showtruppe. Diesmal habe man auf der Hinfahrt im Zug ‚vielleicht zu viel gestanden‘, scherzte Kind zur Anreise, die wegen der Vulkan-Aschewolke und fehlender Reservierungen beschwerlich ausgefallen war. Zurück ging es im Bus: sechs Stunden, bis nachts um drei.“

Das Spiel der Bayern habe sich unübersehbar gewandelt „vom allzu verkopften, rationalen Auftritt hin zur mitreißenden Zirkusnummer.“ Das, ist Burkert erstaunt, sei nicht unbedingt zu erwarten gewesen. „Van Gaal und Spaß, das hatte sich angeblich in München ausgeschlossen wie eine Rot-Rot-Regierung in Bayern oder Komfort und Pünktlichkeit bei der Bahn.“

Boris Herrmann leidet bei diesem Gala-Abend mit dem Einwechselspieler Mario Gomez (Berliner Zeitung): „Der Nationalstürmer muss sich gefühlt haben, wie einer, der verspätet auf eine Party kommt, auf der schon alle besoffen sind. Er rackerte, taumelte, verkrampfte vergeblich bei seinen Versuchen, ein paar Punkte zu machen im Kampf um Stammplätze bei Louis van Gaal und Joachim Löw.“ Alles umsonst, zumindest an jenem Abend.

Und vielleicht auch in Zukunft: „Wenn der FC Bayern in den kommenden Wochen ein Problem bekommt, dann besteht es wohl in der Tatsache, dass dieser Robben schon fast zu gut für ein ausgewogenes Sozialgefüge ist.“ Unter anderem deshalb erkennt Herrmann bei den Bayern eine „gefährliche Stimmungslage zwischen Selbstsicherheit und Selbstüberschätzung“.

Hannover 96, das übrigens auch anwesend war, habe „nur ein einziges Mal überzeugt – als sie geschlossen den Platz verließen.“

Magath, das wandelnde Mysterium

Schalke gewinnt gegen Gladbach, macht dabei sogar mal selbst das Spiel, und prompt ruft Magath die Meisterschaft als Ziel aus. Bei nur 2 Punkten Rückstand eigentlich auch nicht allzu erstaunlich.

Philipp Selldorf (SZ) analysiert: „Magath ist zwar ein wandelndes Mysterium, diesmal aber darf man ihn geradewegs beim Wort nehmen. Das Bekenntnis zu seinen gesteigerten Titelhoffnungen zielt nicht auf die Verunsicherung der großmächtigen Bayern, er weiß selbst, dass das nicht funktioniert. Es dient der Ermutigung des eigenen Teams.“ Anders als viele Vorgänger will er seinen Spielern ein Motiv an die Hand geben, das beflügeln soll. „Die Animation hätte bereits gewirkt, wenn die Mannschaft am kommenden Samstag in Berlin gewinnen würde.“ Denn dann sei die Champions-League-Qualifikation sicher, und das, obwohl die Schalker zu Beginn der Saison kaum auf die Europa League zu hoffen gewagt hatten.“

Bei Spiegel Online schreibt Philipp Köster über das vermeintliche Auf und Ab der Schalker Lage: „Die Rückkehr der Gelsenkirchener in den Meisterschaftskampf ist nicht hoch genug einzuschätzen. Die Mannschaft ist jung und könnte auf Verständnis hoffen, wenn ihr im Schlussspurt die Puste ausginge. Stattdessen ließ sie sich am Samstagnachmittag tragen, von der Begeisterung des Publikums und der eigenen. Dass es am Ende reichen wird, noch am FC Bayern vorbeizuziehen, ist nicht allzu wahrscheinlich.“

Beim Blick auf ein anderes Team, das schon sehr weit oben und zwischendurch wieder völlig abgeschrieben war, hält Köster die Schalker Hoffnungen aber nicht für zwangsläufig vergeblich: „Die Bremer wurden als eine der großen Enttäuschungen dieser Saison und der langjährige Coach Thomas Schaaf plötzlich als auslaufendes Modell gehandelt. Nun stehen sie im Pokalfinale und haben die Königsklasse in Sichtweite. Dass es bis zum 34.Spieltag keinen Trend gibt, der nicht noch umgekehrt werden könnte. Die Bremer beweisen es.“

Von Angst und Selbstzweifeln zerfressen

Zwar habe der FC Köln gewonnen, in der SZ macht sich Moritz Kielbassa dennoch seine Gedanken, wie man die Leistung steigern könne. Er berichtet, dass Podolski laut Selbstauskunft keinen Alkohol trinke. „Das mit Poldis Askese ist schade, vielleicht würden dem Jungen Gute-Laune-Kölschs helfen, um wieder regelmäßiger im Stil von Viva Colonia zu kicken – und nicht im depressiven Takt russischer Klaviermusik.“ Und über Podolskis Chef: „Zvonimir Soldo ist in Interviews ja ein 0:0 auf zwei Beinen, und zwar keines der besseren Sorte, Statements des Stoikers sind so spritzig wie der Börsenbericht.“

Dem unterlegenen VfL Bochum werden schon Abschiedsbriefe geschrieben, wie von Jörg Strohschein im Tagesspiegel: „Derart mut- und ziellos war schon lange kein Gegner mehr im Kölner Stadion aufgetreten. Noch nicht einmal die im Abstiegskampf notwendige Einsatzbereitschaft war vorhanden. Die Kölner Mannschaft schien fast verwundert darüber zu sein, wie störungsfrei sie den Ball laufen lassen und das Spiel bestimmen konnte – sie hatte gar keine andere Wahl.“ Denn Heiko Herrlichs „Team zeigte einzig das traurige Gesicht eines Abstiegskandidaten.“

Manch Bochumer Fan habe nach diesem Auftritt bereits „Visionen von Paderborn oder Fürth“. Das Bochumer Spiel nennt auch Philipp Selldorf (SZ) ein „Schauspiel der Unfähigkeit. Sie waren darüber selbst tief beschämt.“ Während der Partie seien die Spieler so aufgetreten, „als würden sie von Angst und Selbstzweifeln aufgefressen.“

Sie spielen auch noch gut dabei

Einen „Rudi ratlos“ nennt Oliver Trust den ein‘ Rudi Völler bei Spiegel Online, selbst Völler wisse nicht, wie es zu ändern sei, „dass Leverkusen halt Leverkusen ist, eine Mannschaft, die nie wirklich etwas gewinnt. Nicht mal, wenn sie, wie in dieser Saison, 25 Spiele am Stück nicht verloren hat? Man könnte in der Tat glauben, Leverkusen wolle das ewige ‚Vizekusen‘-Dilemma auch 2010 wieder aufführen.“ Und auch Trust bleibt dabei ratlos: „Das Unerklärliche dabei ist: Leverkusen spielt bei all dem Schlammassel auch noch gut.“ Angesichts der fehlenden Punkte trotz guter Leistungen aber rausche die Gefahr immer schneller heran: „Vier Punkte und zwei Plätze trennen den VfB und Bayer noch. Vor fünf Spieltagen waren es noch 18 Zähler und sechs Ränge.“

Hoffmanns Ungeduld und Labbadias Schwäche

Matthias Linnenbrüger und Patrick Krull listen in der Welt noch einmal die Vielzahl an Fehlern auf, die Bruno Labbadia vorgeworfen werden: „Aus Labbadia ist ein schwacher Trainer geworden, ausgemergelt von seinen eigenen Spieler. Kaum einer steht ihm noch zur Seite, will sich für ihn aufopfern. Das ist zwar nicht die feine Art, aber Labbadia ist auch nicht eben feinfühlig mit ihnen umgegangen. Beispiele?“ Die beiden Autoren nennen die überflüssig wirkende frühe Auswechslung von David Jarolim, den Rücktritt Frank Rosts aus dem Mannschaftsrat wegen einer Lappalie, das Ausplaudern der Pläne, Rost nicht über 2011 hinaus halten zu wollen, sowie Boateng selbst die Schuld dafür zu geben, dass dieser trotz Verletzung nicht ausgewechselt wurde. Und zu schlechter Letzt: „Bei der Krisensitzung nach dem schlimmen 0:1 in Gladbach Ende März soll Ze Roberto vor versammelter Mannschaft gesagt haben, dass er 35 sei und sich von einem paar Jahre älteren Trainer nicht sagen lasse, welche Laufwege er zurückzulegen habe.“ Dass sich die Abstürze von Labbadias Teams nach anfänglichen Erfolgen wiederholen, sei nun nichts Neues mehr. „Aus seiner Zeit in Leverkusen ist ebenfalls durchgesickert, dass er es sich nach einigen Monaten mit den Spielern verscherzt hatte.“

Jörg Marwedel (SZ) glaubt nicht mehr an eine Zukunft für Labbadia beim HSV. Mit Folgen auch für Bernd Hoffmann: „Labbadias Entlassung wäre die schlimmste Niederlage für Hoffmann. Sie zeigt nämlich, dass er in einem Punkt eben kein Topmanager ist: im sportlichen wie im psychologischen Bereich.“ In Hoffmanns Verantwortlichkeit läge es auch, dass Labbadia ohne „Sportchef“ habe auskommen müssen. So wie er es von seinen Einkäufen verlange, solle auch Hoffmann sich doch mal einem Charaktertest unterziehen, legt Marwedel nahe: „Um aufzuzeigen, ob Hoffmanns ungeduldige Art den Klub nicht manchmal auch bremst.“

Dutt, der Mann neben der Schaukel

Christoph Ruf (SZ) beurteilt den Freiburger Trainer als Mann des Ausgleichs: „Dutt, der auch nach den derbsten Niederlagen stets die Spieler schützt, sieht sich als Trainer, der sein Team begleitet wie ein Vater die Schaukelversuche seines Kindes. Wenn dem die Kräfte schwinden, schubst er es an, wenn es übermütig wird, bremst er den Schwung ab.“ Letzteres sei diesmal eher nötig gewesen, da der Gegner nach zuletzt guten Auftritten derart schwach gewesen sei: „Hochgradig verwirrt agierte die Abwehr, in der vor allem die Innenverteidiger Andreas Wolf und Maroh froh waren, als Wagner endlich abpfiff. Nach vorne spielten die Nürnberger lange gar nicht, erst in den letzten zehn Minuten wurden sie etwas agiler.“

Mit Dominic Maroh, dem „Mann der Partie“, beschäftigt sich die Berliner Zeitung.

Gemeinschaft schlampiger Genies

Einen üblichen Verlauf einer Partie zwischen diesen beiden Kontrahenten sah Claudio Catuogno (SZ) und erinnert sich gerade noch rechtzeitig, „dass zwischen Bremen und Wolfsburg halt häufig derjenige gewinnt, der seine Defizite im Tore-Verhindern mit dem größtmöglichen Offensivwirbel kompensiert.“ Der von vielen Seiten arg gelobte Frings sei dabei in beiden Richtungen beteiligt gewesen: „Defizite hat es schon auch gegeben im eigentlichen Dienstbereich von Torsten Frings, dem aggressiven Spiel gegen den Ball. Da war zum Beispiel dieses hüftsteife Tänzchen, das sich die Bremer Verteidiger Naldo und Mertesacker leisteten, und an dessen Ende Grafite zum Wolfsburger 2:1 einschoss.“ Aber auch Tim Wiese sei nicht fehlerfrei geblieben, denn einmal habe „er sich aufgeführt, als säße nicht Joachim Löw auf der Tribüne, sondern Raúl Lozano, der Volleyball-Bundestrainer: Der Torwart Wiese pritschte erst Grafite den Ball auf den Kopf und patschte ihn anschließend gegen die Latte.“

Entgegen dem Verlauf in der zweiten Halbzeit habe Wolfsburg von Anfang an konzentriert gewirkt, ergänzt Christian Kamp in der FAZ. Anders der Gegner: „Bei den Bremern hatte man einmal mehr das Gefühl, es mit einer Arbeitsgemeinschaft schlampiger Genies zu tun zu haben, die schnell beleidigt waren, wenn es nicht nach ihrem Geschmack lief.“

Immerhin eine Arbeitsgemeinschaft, die sich später noch ihrer Stärken besann.

In der Berliner Zeitung erinnert Boris Herrmann an die enorme Diskrepanz zwischen Hinrunden- und Rückrundenleistung bei erstaunlich vielen Teams, und bleibt dabei weder bei Hertha BSC noch bei Hoffenheim stehen.

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Kommentare

2 Kommentare zu “Münchner Showtruppe, Schalker Schlussspurt, Rudi ratlos”

  1. Kreisligatrainer
    Dienstag, 20. April 2010 um 09:13

    Wenn man von Labbadia & Co so liest, dann kommt man immer mehr zu dem Schluss, dass es zwei Kategorien von Trainern gibt:

    Unsichere Trainer-Mimosen wie Löw, Slomka oder Labbadia erzählen der Presse von modernem Fussball, von modernen Trainigsmethoden, von akkribischer Arbeit, von klaren Vorstellungen, von Durchgreifen, von Sommermärchen usw.. Selbstdarstellung ohne Ende. Mit dem Endergebnis keine Erfolge.

    Trainer wie Happel, Zebec, Magath, Hitzfeld reden zum Teil überhaupt nicht mit der Presse und erzählen nichts über diese modernen Methoden. Mit dem Ergebnis Titel, Titel, Titel.

    Der Unterschied ist richtige Trainer oder richtige Selbstdarsteller.

    Und das Problem ist, und deswegen halten sich die Selbstdarsteller so lange und schaden der Entwicklung des deutschen Fußball so sehr: Ahnungslose Sportjournalisten fallen immer wieder auf die Löws und Labbadias dieser Welt herein und betreiben teilwesie reine Hofberichterstattung über sie, während andere wirklich gute Trainer eben nicht zu den Lieblingen der Medien gehören, weil sie den Journalisten eben nicht ständig in den Allerwertesten kriechen!

  2. Bero
    Dienstag, 20. April 2010 um 12:24

    Ich weiß nicht woher dieses ganze Löw-Bashing in der letzten Zeit kommt. Was macht denn der Mann falsch? Die Elf ist für die WM qualifiziert und der Nationaltrainer muss auch nicht jeden Hansel, den die Presse in die Elf schreibt, mitnehmen. Dafür ist er der Trainer.
    Und Sammer wäre der schlechtere Nationaltrainer. Was war denn das für ein „seltsamer“ Zug vom Dfb, Sammer gegen die Stimmen von Trainer, Co-Trainer und Team-Manager zum Sportdirektor zu berufen? Mehr hätte man denen wohl nicht ins Gesicht springen können. Was hat denn Sammer für eine super Lobby, bzw. wo kommt die her? Und was hat Sammer als Trainer groß erreicht, dass hier plötzlich manchen den Heilsbringer des deutschen Fußballs in ihm sehen? Kommentator im Fernsehen zu sein? Da frag ich mich doch, wer sich hier durch mediale Aufmerksamkeit blenden lässt.
    Sorry für off topic.

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