indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Bundesliga

Mainzer Märchen geht weiter

Matthias Nedoklan | Montag, 27. September 2010 Kommentare deaktiviert für Mainzer Märchen geht weiter

In Mainz geht ein wahres Fußballmärchen weiter, Thomas Tuchels beherzte Fußballphilosophie erntet Lobeshymnen und beschert dem FSV die Maximalausbeute von 18 Punkten aus sechs Spielen

Moritz Kielbassa (SZ) adelt den Mainzer Trainer: „Es war ja auch ein aufwühlender Tag für ‚Gerd Tuchel‘, wie ihn der Münchner Vorstand Rummenigge im Grußwort des Stadionhefts nannte. Erst vormittags war der Tabellenführer, entgegen dem üblichen Prozedere, ins nasskalte München geflogen. Im Tageshotel am Englischen Garten hielt Gerd alias Thomas mittags eine lange Teamsitzung ab, Stau war auch, so traf der Mainzer Bus erst 50 Minuten vor Anpfiff im Stadion ein. Doch so spät sie kamen, so früh attackierten sie die Bayern, erneut ging Tuchels Matchplan auf. Als sein furchtloser, flexibel auf den Gegner abgestimmter Fußball 2:1 (1:1) gesiegt hatte gegen Louis van Gaals Spielidee der Dominanz durch stereotype Abläufe, da sagte Bayerns Erfolgstrainer, er ‚ziehe den Hut‘ vor dem jungen Mainzer Taktikflüsterer. Und Tuchel sagte leise: ‚Dieses Lob macht mich stolz.‘“

Christian Eichler (FAZ.net) erfreut sich am Mainzer Fußball: „Dieser Glaube schrumpfte auch nicht bei der Reise zum Meister. So durfte der holländische Trainer, der sich gern über die Defensivtaktik der meisten Münchner Gäste beklagt, etwas Neuartiges erleben: einen Gegner, der sein Team von Beginn an so unter Druck setzte, wie es noch niemand in van Gaals Amtszeit in München gewagt und geschafft hatte. Dreißig Minuten lang zogen die Mainzer ein famoses Pressing auf, das selbst passgenaue Mittelfeldspieler wie Schweinsteiger oder van Bommel zu hilflosen Pässen ins Leere oder ins Aus zwang.“

Mainz narrt den Favoriten

Carsten Eberts (Tagesspiegel) zieht den Hut vor Mainz 05: „Die Mannschaft von Trainer Thomas Tuchel hatte überaus imposant begonnen. Die erste Drangphase des FC Bayern, der wie erwartet mit Ivica Olic und Danjiel Pranjic für die verletzten Franck Ribéry und Diego Contento antraten, überstand der Tabellenführer mit dem nötigen Glück. Dann die 15. Spielminute: Da kamen die Mainzer über rechts, Lewis Holtby flankte in die Mitte – dort stand Sami Allagui, der den Ball wunderschön mit der Hacke ins linke untere Toreck schickte. Trainer Tuchel ballte seine Fäuste, ganz München erstarrte, die Mainzer hatten es mal wieder geschafft: Sie hatten den Favoriten genarrt.“

Klaus Hoeltzenbein (SZ) vermisst die Münchner Torgefahr: „Der Fingerzeig war eindeutig. Nur der Zeitpunkt war überraschend früh gewählt. Schon mehr als zehn Minuten, bevor eine weitere Saison-Niederlage des FC Bayern abgepfiffen und besiegelt wurde, beförderte Louis van Gaal seinen Verteidiger Daniel van Buyten mittels Zeigefinger zur Sturmkraft. Das ist einerseits eine nicht mehr sehr originelle, andererseits aber doch oft wirkungsvolle Idee, so früh gewählt aber war sie auch ein Eingeständnis: Unsere Stürmer sind von allem Wettkampfglück verlassen! Da vorne passiert sonst eh nichts mehr!“

Elisabeth Schlammerl (FAZ.net) schlägt in dieselbe Kerbe: „Es liegt einiges im Argen beim FC Bayern. Der Tabellenführer zeigte am Samstag, dass eine Mannschaft auch mit deutlich weniger Ballbesitz – laut Statistik nur 36 Prozent für die Mainzer gegenüber 64 für die Münchner – spielerisch überlegen auftreten kann. Nur fünf Treffer haben die Bayern in sechs Bundesligaspielen erzielt, noch keines ging dabei auf das Konto eines Stürmers. Genau genommen hat der Meister sogar erst vier Tore geschossen, denn das fünfte steuerte der Mainzer Bo Svensson (45.) als Eigentor bei. Die Bayern erkennen, dass sich die Schwierigkeiten nicht mehr mit den Spätfolgen der Weltmeisterschaft erklären lassen und auch nicht allein mit dem verletzungsbedingten Ausfall der beiden Kreativkräfte Arjen Robben und Franck Ribéry. Sie haben aber keinen Plan, wie sie dieses Mal aus der fast schon traditionellen Herbstkrise herauskommen wollen.“

Schalke wächst zusammen

Ulrich Hartmann (SZ) sieht Licht am Ende des Tunnels: „Seit Samstag muss die latente Kritik an der neu zusammengestellten Schalker Mannschaft aber differenziert werden. In der Offensive wächst etwas zusammen, das war gegen Gladbach phasenweise gut zu sehen. Der flinke Spanier José Jurado als Spielmacher ist ein Gewinn fürs Team, der Stürmer Huntelaar auch, und Raúl vielleicht – man kann das noch nicht so genau sagen. Rakitic und Jones/Farfan bilden die Außenpositionen in der Mittelfeldraute. Das scheint ein passendes System zu sein, die Mannschaft wächst da mehr und mehr hinein.“

Richard Leipold (Tagesspiegel) sucht einen Aufwärtstrend auf Schalke: „Felix Magath, der Trainer des FC Schalke 04, erinnerte zuletzt an einen Puzzlespieler. Er probierte alles Mögliche aus, aber die Teile, in diesem Fall die vielen neuen Spieler, passten nicht so zusammen, wie der Meister sich das vorstellt. Nach dem ersten Saisonsieg in Freiburg waren die Schalker zuversichtlich, dass nun allmählich zusammenwächst, was zusammengehört. Beim 2:2 gegen Borussia Mönchengladbach setzte sich der Trend erst in der zweiten Halbzeit fort, in der Schalke eine beherzte Aufholjagd startete.“

Für Andreas Morbach (FR) nehmen die Schalker langsam Fahrt auf: „Die hohen Ansprüche in Gelsenkirchen machen angesichts des komplizierten Umbaus des teuren Ensembles inzwischen einer erstaunlichen Geduld Platz. Da freut sich das Volk schon mal darüber, dass gegen Gladbach ein 0:2-Rückstand wettgemacht und nicht auch noch das dritte Heimspiel der Saison in den Sand gesetzt wurde – und dass in das Sturmgespenst Raúl langsam Leben kommt. 599 Minuten musste der Star-Einkauf aus Madrid auf sein erstes Pflichtspieltor im Schalke-Trikot warten. Dann bescherte er dem neuen Klub – neun Minuten nach dem Platzverweis gegen den Gladbacher Roel Brouwers – mit dem späten Ausgleich (87.) wenigstens einen Punkt und den kleinen Hopser weg vom Tabellenende.“

Stuttgart schlittert in die Krise

Oliver Trust (FAZ.net) sorgt sich um den VfB Stuttgart: „Zumindest in Stuttgart erwies sich der Ausfall der Führungskräfte um Geburtstagskind Ballack, der 34 Jahre alt wurde, und Kießling als nicht so schwerwiegend. Bayer hatte vor 38.300 Zuschauern auf der Baustelle der Mercedes-Benz-Arena beim 4:1-Sieg weniger Mühe als erwartet, was am geordneten und schnellen Kurzpassspiel der Leverkusener lag, aber auch an der weiterhin erschreckend schwachen Form der Stuttgarter, die bei nur einem Saisonsieg tiefer in die Krise schlitterten.“

Rainer Schäfer (Berliner Zeitung) schwärmt vom BVB: „Dortmund gelang eine Demonstration spieltechnischer Überlegenheit in aller Konsequenz. Auch St. Pauli gelang es hin und wieder, schnell das Mittelfeld zu überbrücken. Aber beim entscheidenden Pass fehlte meistens die nötige Genauigkeit, die Dortmund traumwandlerisch abrufen kann. Die Spieler, die Jürgen Klopp aufbieten kann, sind ein Versprechen auf ästhetischen und erfolgreichen Offensivfußball. Keiner spielt in der Bundesliga so exakte und gut getaktete Pässe wie der Präzisionstechniker Nuri Sahin, der mit einem Steilpass ganze Abwehrreihen zertrümmern kann. Lucas Barrios ist inzwischen auch wertvoll, wenn er nicht das Tor trifft, aber Abwehrspieler durch den Strafraum treibt, bis sie den Überblick verlieren. Und der 18-jährige Mario Götze erinnert an den jungen Sebastian Deisler. Götze ist ein Instinktfußballer höchster Veranlagung, der sich frech und unverschämt durch alle Hindernisse fummelt.“

freistoss des tages

Kommentare

Comments are closed.

  • Quellen

  • Blogroll

  • Kategorien

  • Ballschrank

110 queries. 0,556 seconds.