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Mit der Königsklasse beginnt der Alltag

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Mit der Königsklasse beginnt der Alltag

„Mag sie hochgestochen „Königsklasse“ oder mit tiefer Verachtung „Zasterliga“ genannt werden: Erst mit dem Beginn der Champions League rundet sich der Alltag im großen europäischen Fußball“, lesen wir in der FAZ anlässlich des heutigen Startschusses. Weitere Themen: die Sonntagsspiele der Fußball-Bundesliga in Hamburg und Bochum – Auslandsfußball vom Wochenende – Zweite Liga – eine nahezu unglaubliche Geschichte von den Färöer-Inseln u.v.a.

Champions League

Vor dem heutigen Start der europäischen Beletage wirft Felix Reidhaar (NZZ 17.9.) ein. „Es wird wieder einmal die letzte Champions League in diesem Format sein. Mitte Juli kam die Exekutive der Europäischen Fußball-Union zum Schluss, die kritisierte Zwischenrunde ab 2003/04 abzuschaffen und direkt zum KO-Modus überzugehen. Vom sportlichen Standpunkt begrüßt man diese Änderung. Kernelemente dieses Wettbewerbes werden das öffentliche Interesse, die Beliebtheit und Passion für das Spiel bleiben. Sie wurden durch die kommerzielle Entwicklung beeinträchtigt, was zuletzt zu einem deutlichen Zuschauerrückgang führte. Auf einem anderen Blatt stehen die Vorstellungen der Inhaber der Fernseh- und Marketingrechte. Weniger Spiele ergeben weniger Sendezeiten und weniger Werbeflächen. Das könnte auf die Preise drücken, wie die Hautevolee der Klubs fürchtet. Für sie gehören die Champions-League-Einnahmen längst zu den fixen Rechnungsinhalten.“

Den „Schrumpfungsprozess“ der Champions League beschreibt Wolfgang Hettfleisch (FR 17.9.). „Noch, so scheint es auf den ersten Blick, hat die in Europas besten Nationalligen grassierende Finanzkrise den Überbau nicht erfasst. Tatsächlich aber ist die „lean production“ vom kommenden Jahr an nicht nur dem Überdruss von Fernsehzuschauern angesichts der Fußball-Dauerberieselung geschuldet, sondern zugleich Ausdruck von Realitätssinn bei der Uefa. Die wundersame Geldvermehrung war einmal. Die Fernsehverträge laufen nächstes Jahr aus. In der Spielzeit 2003/2004 werden, da sind sich die Beobachter einig, die Einnahmen deutlich sinken.“

Roland Zorn (FAZ 17.9.) zum selben Thema. „Dass sich die Uefa allen Widerreden aus den geld- und schuldenüberfluteten Ligen Spaniens und Italiens zum Trotz zu einer sportlich attraktiveren und das wertvollste Kapital, die Spieler, pfleglicher schützenden Lösung durchgerungen hat, war eine löbliche Sommerentscheidung. Die Weltmeisterschaft in Korea und Japan lieferte auch den härtesten Fußball-Materialisten einen vorzüglichen Anschauungsunterricht, wie nachhaltig ein Produkt unter Formschwäche und Verletzungsanfälligkeit seiner Stars leiden kann. Damit war der Weg zur besseren Erkenntnis geebnet (…) Gesundungs- und Normalisierungstendenzen können dem in den vergangenen Jahren aufgedonnerten Geschäft rund um die Champions League nur gut tun. Andererseits hat sich die Marke so weit etabliert, dass sich nostalgische Rufe nach dem alten Europapokal der Landesmeister und dessen grundsätzlich verankertem KO-System inzwischen eigentlich verbieten müssten.“

Interview mit Marcel Reif SpOn

Philipp Selldorf (SZ 17.9.) hat einen Favoriten. „Wenn heute die nächste Saison in der Champions League startet, dann richtet sich der Blick zwangsläufig auf Real Madrid, den Titelverteidiger, der zum zehnten Mal den Europacup gewinnen soll und mit dem Einkauf des WM- Torjägers Ronaldo wie üblich den spektakulärsten Sommerhandel auf dem Transfermarkt abgeschlossen hat. Mit Stars wie Ronaldo, Figo, Zidane, Raul und Roberto Carlos scheint Real für Europas Krone prädestiniert wie kein zweiter Klub (…) Real Madrid wird oft der Vorwurf gemacht, dass der Verein eine unsympathische, fantasielose Scheckbuchpolitik verfolgt, indem er einfach die besten Spieler der Welt unter Vertrag nimmt und sich dabei um die Kosten kaum schert. Doch so schlicht verhält es sich nicht, „dahinter steckt sogar eine Philosophie: Sie holen immer nur einen Spieler – aber der hat’s in sich“, erkennt Bayern-Vorstand Karl-Heinz Rummenigge an, auch wenn er sich darüber ärgert, dass Vereine wie Real mit ihrer verschwenderischen Personalwahl „die Unglaubwürdigkeit des Fußballgeschäfts“ provozieren. Die Transfers von Figo, Zidane und nun Ronaldo waren jedoch ausgewählte Operationen, die strategischen Absichten dienten. Außerdem erfreut sich Real an der Eifersucht des Erzrivalen FC Barcelona.“

Wolfgang Hettfleisch (FR 17.9.) kommentiert die Papst-Audienz des Real-Teams. „Falls die Würdenträger der religionsähnlichen Sportgemeinschaft Real aber gedacht hatten, der alte Herr werde ihnen nur rasch seinen Segen erteilen, auf dass die Gegner noch ehrfürchtiger den Blick senken als ohnedies zu erwarten, waren sie schief gewickelt. Denn der nahm sich die Besucher aus Madrid ordentlich zur papalen Brust. Nachdem er auf die völkerverbindende Kraft des Fußballs hingewiesen hatte, prangerte der Papst dessen Ausverkauf „an sportfremde Interessen“ an. Womöglich hatte sich Karol Wojtyla von seinen Beratern noch mal die Summen der Transfers von Zidane, Figo und zuletzt Ronaldo nennen lassen. Der Papst, erzkonservativ in Glaubensfragen, gilt als beinharter Kritiker des Turbo-Kapitalismus. Da knieten gerade die Richtigen vor ihm.“

Zu den internationalen Ambitionen des Deutschen Meisters bemerkt Richard Leipold (FAZ 17.9.). „In dem Bemühen, ihre internationale Reputation zu stärken, geben die Dortmunder sich selbstbewusster als gewohnt. Sportmanager Michael Zorc verlangt von einem Deutschen Meister, „ohne Wenn und Aber die Zwischenrunde zu erreichen“. Mindestens. Mancher in Dortmund ist der Zeit schon voraus. Es gehe nicht nur darum, die Zwischenrunde zu erreichen, „wir müssen sie auch überstehen“, sagt Verteidiger Christian Wörns, der am Samstag gegen Schalke einen Schlag gegen das Knie bekommen hatte, voraussichtlich aber in London spielen kann. Auch Meier proklamiert dieses Ziel. Es würde eine deutliche Ergebnisverbesserung bedeuten. Im Vorjahr war die Borussia als Gruppendritter der Vorrunde in den Uefa-Pokal abgestiegen und hatte den finanziellen Schaden mit dem Erreichen des Endspiels teilweise wettgemacht. Nirgendwo ist der Zusammenhang zwischen sportlichem und wirtschaftlichem Erfolg so eng wie in der Champions League.“

Interview mit Christoph Metzelder SpOn

Interview mit Uli Hoeneß FAS

Raphael Honigstein (SZ 17.9.) über Arsène Wenger, Trainer von Arsenal London, heutiger Gegner Dortmunds. „Der Franzose am Schaltpult von Raumschiff Arsenal sieht sich nach dem vierten Sieg im sechsten Spiel zunehmend in seiner These bestätigt, dass sich mit dem Gewinn des Doubles im vergangenen Jahr die Machtverhältnisse im englischen Fußball dauerhaft zu Gunsten der Londoner verschoben haben. Während sein Lieblingsfeind Alex Ferguson in den Niederungen der Tabelle mit dem Untergang der ManU-Dynastie konfrontiert wird, schießen die Kanoniere die Konkurrenz aus luftiger Höhe scheinbar mühelos in Grund und Boden (…) Auf der Insel ist zurzeit weit und breit kein ebenbürtiger Gegner zu erkennen, doch um im Kreis der ganz Großen anzukommen, muss Wenger auch in der Champions League endlich Erfolg haben – ähnlich wie der heutige Gegner Borussia Dortmund haben die Londoner in Europa nach eigenem Selbstverständnis in den letzten Jahren viel zu wenig erreicht. Seitdem sie nach Gastauftritten im größeren Wembley-Stadion wieder in Highbury spielen, sind sie zu Hause ungeschlagen, doch eine unerklärliche Auswärtsschwäche bringt Arsenal in schöner Regelmäßigkeit zu Fall.“

Raphael Honigstein (SZ 16.9.) diagnostiziert eine sportliche Dekadenzphase beim Champions-League-Sieger von 1999. „Manchester United ist eine Spitzen-Mannschaft, die seit eineinhalb Jahren auf hohem Niveau stagniert, während die anderen Fortschritte machen. Sicher, die Verletztenliste ist lang. Doch dass aus der Krise der Mannschaft im vergangenen Jahr eine dauerhafte Schwäche geworden ist, hat andere Gründe. Fergusons Kader ist zum einen im Vergleich mit anderen Titelaspiranten viel zu dünn – eine Folge der Einkaufspolitik des Schotten, der in den vergangenen beiden Jahren für 90 Millionen Pfund mit Van Nistelrooy, Forlan, Veron und Ferdinand vier neue Spieler nach Old Trafford holte, während sich die Konkurrenz für weitaus weniger in der Breite verstärkte. Das System der punktuellen Verstärkungen hat bis jetzt nur in Person von Van Nistelrooy Dividenden abgeworfen. Veron sucht nach 14 Monaten in Manchester immer noch seine Position und seine Form, der Uruguayer Forlan hat noch kein Tor erzielt; ob der sehr starke, aber limitierte Innenverteidiger Ferdinand allein die notorisch unsichere Abwehr zusammenhalten kann, ist fraglich. Nicht einmal auf altbewährte Kräfte ist Verlass. Beckham, der mit seiner Synthese aus Glamour und Effizienz jahrelang das Spiel von Manchester personifizierte, verrichtet seit vielen Monaten Dienst nach Vorschrift; die Kollegen Giggs und Scholes haben ob der vielen Positionswechsel, die Ferguson nach Verons Verpflichtung probierte, ihren Rhythmus verloren. United ist kein Team mehr, dass spielerische Überlegenheit zwingend in Tore ummünzt; Niederlagen gegen Vereine wie Zalaegerszegi und Bolton haben Fergusons Truppe dazu um dem Nimbus gebracht, unschlagbar zu sein. Angst vor den Red Devils braucht auf der Insel im Moment niemand zu haben.“

George Best dachte an Selbstmord FR

Über die Vermarktungsaktivitäten David Beckhams schreibt Timm Schröder (FR 17.9.). „Richtig Geld aber verdient der Kapitän der englischen Nationalmannschaft in seinen Nebenrollen. Etwa als Repräsentant des deutschen Sportartikelherstellers adidas. Der verewigte ihn zur WM auf einem riesigen Plakat, das an der Autobahn in Birmingham mit einem 20 mal 20 Meter großen Beckham-Kopf für den designierten WM-Helden und auch ein bisschen für sich selbst warb.“

Jean-Marie Lanoë (NZZ17.9.) porträtiert den Trainer des Champions-League- Teilnehmers AJ Auxerre. „Was Roux seit 1961, dem Jahr, in dem er als Trainer in Auxerre seine Tätigkeit aufnahm, erreicht hat, lässt sich ohne Einschränkung sehen. Er schuf in dem verschlafenen 40.000-Einwohner-Städtchen an der Yonne einen der erfolgreichsten Klubs. Er baute ein Centre de formation auf, das im Hexagone neben demjenigen von Nantes als erste Adresse gilt. Er entdeckte und förderte Spieler wie Bats, Ferreri, Cantona, Charbonnier oder Cissé und hauchte den Karrieren von Scifo, Roche oder Blanc nochmals neues Leben ein. 1970 gelang ihm der Aufstieg in die dritthöchste Liga, 1974 in die zweithöchste und 1980 schliesslich in die Eliteklasse, der Auxerre seither angehört. Als Titelgewinne kann er den Cup-Sieg 1994 und das Double Cup/Meisterschaft 1996 vorweisen.“

Zur Stimmung des kauzigen Barça-Coaches van Gaal lesen wir in der NZZ (17.9.). „Waren Aufregung und Betroffenheit echt oder nur dem Anhang vorgespielt? Er habe das Spiel nicht gesehen, aber die Nacht kein Auge zugetan, erklärte Joan Gaspart, nachdem Barça in der ersten Cup-Runde ausgeschieden war. Den Präsidenten verstehen konnte sicher Frau van Gaal; auch sie habe, so ihr Ehemann Louis vor TV-Kameras, eine schlaflose Nacht verbracht. Der Trainer selber schläft immer gut, nach dem Fauxpas beim drittklassigen Klub Novelda in der Provinz Alicante sei er allerdings mit Kopfschmerzen aufgewacht. Um den Cules zu zeigen, dass er nicht nur ein cooler Analytiker ist, sondern auch aufzeichnen kann, was seine Spieler auf dem Rasen veranstaltet bzw. falsch gemacht haben? Angesichts des vollen Spielkalenders wäre es längst angebracht gewesen, die Copa del Rey, liebstes Kind von Verband und Nostalgikern, zu entmythologisieren. Cup-Runden werden ab dieser Saison zwar nicht mehr in Hin- und Rückspielen abgewickelt, der unterklassige Verein genießt generell Heimrecht. Ob aber ein größerer Anreiz für die Topklubs besteht, sich ins Zeug zu legen, steht auf einem anderen Blatt.“

Christof Franzen (NZZaS 15.9.) porträtiert einen Champions-League-Teilnehmer. „Spartak Moskau ist der Verein des Volkes, der Proletarier und Gewerkschafter. Der Spitzname des Klubs lautet „Fleisch“ – weil es eine Lebensmittel-Gewerkschaft war, die ihn 1922 gegründet hatte. Spartak galt immer als unabhängig – im Gegensatz zu allen anderen Moskauer Klubs.“

Bundesliga vom Sonntag

Hamburger SV – 1. FC Kaiserslautern 2:0

Über den Auftritt der Gästeelf schreibt Jörg Marwedel (SZ 17.9.). „Gerets trug zum eisgrauen Bart einen schwarzen Trainingsanzug. Manche finden das schick, andere sehen darin vor allem den Bezug zur düsteren Lage, für die der belgische Meistercoach einen weiteren Grund gefunden hat: „Die wichtigen Spieler sollen Vorbild sein. Das ist momentan nicht so.“ Gerets meinte Kapitän Thomas Hengen, Altstar Mario Basler, Miroslav Klose und vor allem Ciriaco Sforza als Libero – sie hatten sich gegen die Hamburger versteckt wie Leichtmatrosen bei einem Piratenangriff (…) Es ehrt Sforza, dass er beschwörend bat: “Gebt mir die Schuld, aber lasst die anderen in Ruhe.” Gleichwohl droht der einstige „Spiritus Rector“ (Otto Rehhagel), dem es neben Spielpraxis auch an Tempo mangelt, als jüngste Altlast der entmachteten Klubführung in die FCK-Historie einzugehen. Vielleicht wäre es hilfreich, würde er seinen Anschlussvertrag als Sportdirektor sofort statt erst 2004 antreten. Andererseits, lästern seine Gegner im Umfeld, könne man dann gleich den Brandstifter zum Feuerwehrmann befördern.“

Frank Heike (FAS 15.9.) bemerkte vor dem Spiel. „Es gibt sichere Anzeichen dafür, dass ein Trainer beginnt, vor allem seinen eigenen Arbeitsplatz zu sichern. Geschickt werden die vielen kleinen Bühnen des Fußballspiels genutzt, um von den eigenen Regieschwächen in der großen Inszenierung abzulenken. Spieler werden nicht mehr aufgestellt, die Schiedsrichter werden ebenso kritisiert wie die Einkäufe des ehemaligen Trainers. Und wenn trotz all dieser Ablenkungsmanöver weiterhin verloren wird, bleiben nur noch die Hauptdarsteller auf der Bühne, auf die man mit dem Finger zeigen kann, um nicht plötzlich selbst im Mittelpunkt der Kritik zu stehen. Kurt Jara hat darin in den vergangenen drei Wochen eine gewisse Meisterschaft entwickelt (…) Nun also geht es wieder einmal um einen Neuaufbau. Den wievielten eigentlich seit 1999? Allen Ernstes hatte Jara zuletzt gesagt, eigentlich müsste man jetzt schon mit dem Zusammenstellen einer Mannschaft für die Serie 2003/04 beginnen, spätestens in der Winterpause. Und das nach drei Spielen (…) Ach ja, der Hamburger SV. Kaum ist das Sommertheater um beleidigte Vorstandsvorsitzende, selbstherrliche Aufsichtsräte, alte und neue Sportdirektoren beendet, wird die sportliche Misere so deutlich, dass man sich fast ein bisschen unterhaltsamen Trubel aus der Führungsetage zurück wünscht.“

VfL Bochum – Hansa Rostock 0:1

Christoph Biermann (SZ 17.9.) spendet den Verlierern Trost. „Der VfL Bochum verlor zum vierten Mal daheim gegen seinen Angstgegner und wird diese Niederlage als eine der kuriosesten in 28 Jahren Bundesliga noch lange in Erinnerung behalten. Denn die Spieler hatten wenig falsch gemacht – außer halt den Ball nicht ins Tor zu schießen. Daher war Peter Neururer zufrieden mit seinem Team (…) Die schöne Tabellenführung ist damit aber erst einmal dahin – jedenfalls die in der Bundesligatabelle. Geblieben ist eine andere, die von den Zählmeistern des kicker ermittelt wurde. Demnach hat der VfL Bochum in den ersten fünf Spielen bereits 50 Torchancen herausgespielt hat, mehr als alle anderen Teams und etwa doppelt so viel wie Nachbar Schalke. Trost spendet diese Statistik kaum.“

Zu den der Niederlage zum Trotz Zufriedenheit signalisierenden Reaktionen von Trainer Neururer heißt es bei Michael Ashelm (FAZ 17.9.). „Sollte hier etwas schöngeredet werden? Etwa ein Psychotrick des Trainers? Weil die Fußball-Branche unter dem Strich andere Bewertungskriterien für die Leistung heranzieht, besteht immer höchste Gefahr, plötzlich das Ziel aus den Augen zu verlieren. Ein Schock dieser Art, also trotz starker Leistung als Verlierer gescheitert zu sein, hat schon den einen oder anderen aus dem Gleichgewicht gebracht (…) Dass ihnen trotz des Auswärtssieges an diesem Abend nur die Nebenrolle zustand, störte unterdessen die Rostocker überhaupt nicht. Es reichte ihnen, das entscheidende Tor geschossen und mit einigen gewieften Kontern den zum Teil anwesenden Dortmunder Trainerstab (nächster Gegner ist der Meister) beunruhigt zu haben.“

Zur Lage bei Aufsteiger Hannover 96 lesen wir von Martin Hägele (NZZ 17.9.). „Ein Sieg am Wahlwochenende und die Mannschaft aus der Stadt von Bundeskanzler Schröder könnte schon schnell wieder zu jenem Kurs zurückkehren, den man sich in der niedersächsischen Metropole nach der perfekt geplanten Rückkehr ins Oberhaus ausgemalt hat: offensiver und taktisch ordentlicher Fußball, mit Abstiegskampf sollten Rangnicks Leute eigentlich nichts zu tun haben. Wer ein solch souveräner Meister der Zweiten Liga war, sollte eigentlich in der Bundesliga nichts zu befürchten haben. Erst aus dieser Gemengelage von Begeisterung, Boom und Selbstbewusstsein konnte sich das gefährliche Klima entwickeln, das dann die Leistungsträger des Vorjahres ergriff und selbst vor der Symbolfigur Rangnick nicht Halt machte.“

Auslandsfußball am Wochenende

Martin Pütter (NZZ 17.9.) sah den 1:0-Sieg von Leeds United über Manchester United. „Wer die alte Weisheit erfunden hat, dass Fußball eine Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln ist, muss unter anderem sowohl die Partien zwischen Leeds United und Manchester United als auch die Berichterstattung in den englischen Medien vor Augen gehabt haben. Wenn diese beiden Teams aus den größten Städten der Grafschaften Yorkshire und Lancashire aufeinander treffen, gehen die Gemüter hoch – auf dem Spielfeld und auf den Zuschauerrängen. Der Match vom Samstag an der Elland Road bildete keine Ausnahme (…) Wer über die Pennines (die Hügelkette, die Manchester und Leeds trennt) zum Rivalen wechselte, wurde und wird als Verräter betrachtet. Allerdings gilt das nur für die Spieler, die von der Elland Road in Richtung Old Trafford gehen. Der größte Verräter für die Fans von Leeds United war dabei Eric Cantona. Der Franzose hatte in der Saison 1991/92 Leeds United zum Gewinn der Meisterschaft verholfen, hatte aber nach wenigen Wochen der folgenden Saison zu Manchester United gewechselt, wo er mithalf, den Grundstein für die Dominanz der Equipe von Alex Ferguson in den folgenden Jahren zu legen.“

Birgit Schönau (SZ 16.9.) bemerkt zum Auftakt der Serie A. „Der Ball rollt wieder, nach vier Monaten, nach dramatischen Pleiten, wilden Drohungen und endlosem Gezerre – und damit ist, wie Adriano Galliani behauptet, die Normalität wieder hergestellt.“

Sammelbericht vom ersten Spieltag der Serie A 1. SZ 2. NZZ

Zum 3:2-Sieg des Bierhoff-Klub Chievo über Lazio heißt es bei Peter Hartmann (NZZ17.9.). „Manchmal ist Fußball ein einfaches Spiel, und es siegt, wie im Märchen, das Gute. So wie im Römer Stadio Olimpico unter der milden Herbstsonne der italienischen Krise. Elf, die irgendwie das Böse, all die Großkotzigkeit und die Aufgeblasenheit des Calcio vertreten müssen, die Himmelblauen von Lazio, gegen die elf aus der Idylle, aus Chievo, und das Resultat ist: Das Wunder, das letzte Saison Italien verblüffte und beschämte, scheint weiterzugehen, Chievo gewann 3:2. Ein Ergebnis wie höhere Gerechtigkeit, wie eine Bestrafung des Verlierers. Denn hier trafen Kulturen aufeinander, vielleicht auch die Vergangenheit und die Zukunft.“

Birgit Schönau (SZ 17.9.) über das Debüt von Oliver Bierhoff. „Chievo gewann die Partie in Rom 3:2, Bierhoff wurde zum besten Akteur auf dem Platz gekürt – ein perfektes Comeback. Es sah aus, als hätte der lange Deutsche schon immer für den Stadtteilklub des viertgrößten Kuchenbäckers von ganz Verona gespielt, und vor allem wirkte es so, als hätte Bierhoff dabei auch noch Spaß.“

Ivica Osim schmeißt nach acht erfolgreichen Jahren Trainerfunktion bei Sturm Graz das Handtuch. Werner Pietsch (NZZ 17.9.) dazu. „Die lockeren Sprüche, die ihm besonders in Wien viel Ablehnung und Unverständnis eintrugen, wurden in den letzten beiden Jahren immer seltener. Der Umbau der Mannschaft verlief nicht nach Wunsch.“

Europäischer Fußball – Ergebnisse, Torschützen, Tabellen NZZ

Kritik an Vogts FR

Zweite Liga

Thomas Kilchenstein (FR 16.9.) schreibt zur Frankfurter 0:2-Heimniederlage gegen Wacker Burghausen. „Spiele wie das gegen Wacker Burghausen hat Eintracht Frankfurt noch nie geliebt. Schon immer hat der Klub gerne in Not befindlichen Teams mit einer Drei-Punkte-Gabe auf die Beine geholfen, bevorzugt Tabellenletzten oder Mannschaften wie den zuvor sieglosen Burghausenern. So auch diesmal. 0:2 unterlagen die Hessen dem Zweitliga-Neuling von der bayerisch-österreichischen Grenze. Sie verloren ein Spiel, in dem sie klar feldüberlegen waren, aber keine Idee hatten, wie sie eine gut formierte Hintermannschaft ausspielen können. Gegen allenfalls brave Bayern fanden die Frankfurter nie ein Mittel. Hilf- und harmlos kombinierten sie vor dem mit allerlei Verteidigern verstellten Strafraum der Gäste. Selbst als sie, wie der junge Bakari Diakité in der Schlussphase, einen Meter vor der Torlinie nur noch den Fuß hinzuhalten brauchten, scheiterten sie. Mit dieser Niederlage, der zweiten hintereinander, ist der schöne Höhenflug von Eintracht Frankfurt erst einmal beendet. Die Frankfurter sind am fünften Spieltag der Zweiten Liga auf dem Boden der Tatsachen angekommen, haben eine prima Chance ungenutzt verstreichen lassen, sich mittels eines Sieges ganz oben im Klassement zu etablieren.“

Thomas Kilchenstein (FR 17.9.) einen Tag später. „Warum soll ausgerechnet ihm gelingen, was praktisch noch keinem so richtig gelungen ist? Dass die Eintracht nämlich just dann, wenn sie gegen einen vermeintlich leichten Gegner die ganz große Gelegenheit hat, sich ganz oben in der Tabelle einzunisten, mal gewinnt. Schon immer waren die Hessen berühmt dafür, beladene, schwachen und krisengeschüttelten Teams mit einer eigenen großmütigen Niederlage auf die Beine zu helfen. Ob nun Hölzenbein und Grabowski spielten, Möller, Yeboah oder Bein oder jetzt Keller, Guie-Mien oder Kryszalowicz – diese Mentalität, diese Charakterschwäche, gegen die so genannten Kleinen zu patzen, ist allen Eintracht-Spielern, einerlei woher sie kamen, eigen (…) Ruhe hinter den Kulissen wird es bei diesem Klub wohl nie geben. Egal, wer die Fäden in der Hand zu halten scheint. Und Kulissenschieberei wirkt sich immer auch auf die Leistung auf dem Rasen aus. Eintracht Frankfurt steht – zum wievielten Mal eigentlich? – wieder am Scheideweg.“

Thomas Becker (FR 14.9.) über den Zweitligisten Wacker Burghausen. „Dass das lauschige Städtchen an der österreichischen Grenze in den Medien derzeit so präsent ist, liegt vor allem an zwei Herren, die fast nur noch im Doppelpack zu erreichen sind: Manager Kurt Gaugler und Trainer Rudi Bommer, der am Sonntag mit seinem Team zu seinem früheren Arbeitgeber Eintracht Frankfurt reist. In weniger als zwei Jahren haben sie mit ihrer Mannschaft erreicht, dass man mit dem Namen Burghausen nicht nur „Jazzwoche“ oder „längste Burg Europas (1036 Meter)“ verbindet, sondern auch mit Fußball, Profi-Fußball sogar. Zwar arbeiten immer noch einige Spieler halbtags im an den Sportpark grenzenden Wacker-Werk, aber ansonsten kann Gaugler, einst selbst Landesliga-Keeper beim SV, alles aufzählen, was einem Klub im bezahlten Fußball ansteht: frische Homepage, neuer Rasen, aufgerüstete Flutlichtanlage für die Fernseh-Spiele am Montag, eine mobile Zusatztribüne, Arbeitsplätze für die Presse, Fan-Shop („80, 90 Trikots sind schon vorbestellt“), und auch um das weitgehende Desinteresse in der souverän bestrittenen Regionalliga-Spielzeit macht er sich kaum Sorgen.“

Anlässlich des 100-jährigen Bestehens kramt Richard Leipold (FAZ 17.9.) in den Annalen des MSV Duisburgs. „Im Wedau-Stadion hat der Klub seine wenigen fetten Jahre in der Bundesliga gefeiert. Den größten Erfolg erreichte die Mannschaft in der Premierensaison 1963/64, als sie unter Trainer Gutendorf, der seiner Taktik wegen „Riegel-Rudi“ hieß, Meisterschaftszweiter wurde. Es folgten zumeist graue Jahre, mit einigen Ausnahmen: 1978 etwa qualifizierte der MSV sich als Tabellensechster für den Uefa-Pokal, im Halbfinale des europäischen Wettbewerbs scheiterten die „Zebras“ am späteren Cupsieger Borussia Mönchengladbach. Dieser Erfolg fiel wie die erste Europapokalteilnahme (1975) in die von 1970 bis 1982 dauernde Ära, die in der Vereinschronik mit „MSV Dietzburg“ betitelt ist. Dietz, einst Kapitän der Nationalelf, ist die wichtigste Identifikationsfigur des Duisburger Fußballs. Den ersten Abstieg nach neunzehn Jahren ununterbrochener Zugehörigkeit zur Bundesliga vermochte aber auch der bodenständige Libero nicht zu verhindern. Dieses Missgeschick, das sich noch dreimal wiederholen sollte, geschah im Jahr des achtzigjährigen Bestehens.“

Weiteres

Felix Reidhaar (NZZaS 15.9.) über Fifa-Personalien. „Gut zwei Monate ist es her seit der Rückverlegung des temporären Fifa-WM-Betriebs von Seoul und Tokio nach Zürich. In dieser Zeit ist in der Direktion kaum ein Stein auf dem andern geblieben. Der aufmüpfige Generalsekretär Zen-Ruffinen wurde durch den Stellvertreter, Finanzchef Urs Linsi, ersetzt. Der Leiter Wettbewerbe (Michael Black) ging schon früher im Jahr, seine nachgezogenen Assistenten (Kneubühler und Rupf) wurden hierarchisch schnell wieder zurückgestuft. Der Entwicklungschef George Cumming hat sein Büro ebenso geräumt wie der Kommunikationsdirektor Keith Cooper oder der Fernsehdirektor Roger Feiner. Eine direktoriale Chefsekretärin mit Unterschrift gibt es auch nicht mehr im Vorzimmer des Geschäftsführers. Daneben haben einige weitere Personen den Zürichberg verlassen, die Zen-Ruffinen nahe standen.“

Uwe Marx (FAS 15.9.) ironisiert. „Natürlich kennt auch der Fußball den Spieler als PR-Instrument. Der VfL Wolfsburg holte sich Stefan Effenberg in die VW-Stadt, dessen Ferrari obendrein und viele Kameras, die erst vor dem Wohnzimmerfenster des Neuen halt machen müssen. Es ist, als gehe ein Scheinwerfer über dem Verein an, der zwar auch vor Effenberg Spiele gewonnen hat, sich aber offenbar arg unterbelichtet vorkam. Wie langlebig solche Marketingmaßnahmen sein können, zeigte sich dieser Tage in einer anderen großen Stadt: Wien. Dort kam der Fußballverein Rapid einmal auf die Idee, Lothar Matthäus auf seine Trainerbank zu lassen. Der sollte für einen Hauch von großer weiter Fußball-Welt, für zusätzliche Sponsoren, am besten weltweite Schlagzeilen und Punkte für die Tabelle sorgen – so ungefähr in dieser Reihenfolge. Von Matthäus ist noch heute die Rede, auch wenn er längst entlassen ist. Der Torwart von Rapid nannte ihn gerade erst den „größten Tölpel“, der ihm je als Trainer untergekommen sei. Was unbestritten immer noch eine Schlagzeile ist. Insofern verbietet es sich, die Unternehmensstrategie der Wiener erfolglos zu nennen.“

Christian Eichler (FAS 15.9.) erzählt eine (fast) unglaubliche Geschichte. „Färöer: Nicht mal viele Europäer wissen, wo und wie das ist. Brasilianer schon gar nicht. Sie wissen nur: Es ist Europa. Der gelobte Kontinent. Brasiliens Fußball ist korrupt, das Geld verdienen die Funktionäre. Neunzig Prozent der über 20.000 Profis bekommen Hungerlöhne, weniger als 150 Euro im Monat. Wer kann, geht. Rund 5.000 Brasilianer spielen in fast hundert Ländern. Verdienen Geld, träumen von zu Hause. Frieren auf Färöer: Weiter weg von zu Hause kann ein Brasilianer nicht sein. Der Fischhändler von Toftir hatte gute Geschäfte gemacht, nun wollte er auch gerne mal einen Brasilianer für seinen Klub, und als der frühere Nationalcoach, inzwischen Klubtrainer in Island, anrief, dass er sich gerade ein paar ordern wolle, sagte der Fischhändler, bring mir vier mit und zwei noch für einen Kollegen (…) So einfach ist das. Es hört sich zwar ein wenig nach Sklavenhandel an. Doch für die neun Burschen, die im März 1999 in die nördliche Nordsee kamen, sechs nach Färöer, drei nach Island, war es die große Chance – die Chance, genug zu verdienen, um nicht ins Armenviertel zurück zu müssen. Färöer als Ausweg aus den Favelas (…) Toftir ist eine Reihe von Häusern an der Straße am Fjord. Kein Kino, keine Kneipe; nur eine Kirche, eine Fischfabrik und ein Stadion. Außer Arbeiten kann man hier nicht viel tun. Die Menschen sind von herber Schönheit, das Licht manchmal überwältigend – aber das sind ehr Trümpfe für europäische Wandertouristen als für brasilianische Wanderarbeiter (…) Frieren, Fußball holzen, Fische puhlen und Fernsehen in färöerischen Sprache – um das nicht auszuhalten, muss man kein Brasilianer sein.“

Hans-Jochen Waldbröl (FAZ 16.9.). „Unverhofft kommt gar nicht mehr so oft – was die Weltrekorde der Leichtathleten angeht. Weil unverhofft, oder jedenfalls unangemeldet, ja auch die Besuche der Leistungskontrolleure in aller Welt sein sollen. Vielleicht haben die immer noch sparsam ausgedehnten Überraschungsvisiten tatsächlich peu à peu zu größerer Transparenz der Trainingslager geführt. Und womöglich ist die Effektivität der Trainingsmethoden, die Plausibilität der Trainingserfolge durch die andauernd drohende Präsenz der pharmakologischen Fahnder wirklich wahrhaftiger geworden. Wer könnte sich mehr darüber freuen als die Dopingbekämpfer, dass erstaunliche Leistungssteigerungen inzwischen länger auf sich warten lassen oder unerklärliche Leistungssprünge heutzutage kürzer geraten? Was ist schon eine Hundertstelsekunde? Nach 100 Metern und drei Jahren Anlauf nicht gerade ein sensationeller Fortschritt; mithin die kleinste Steigerungsrate, von der die Statistiker Notiz nehmen. Mit seinen 9,78 Sekunden, in denen er die Vorgabe seines Vorläufers und Landsmannes Maurice Greene unterboten hat, ist Tim Montgomery als Amerikaner in Paris zu Beginn des neuen Jahrtausends nicht gerade einen Jahrhundertweltrekord gerannt.“

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