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Ein Duell, das nicht stattfindet

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Ein Duell, das nicht stattfindet

„Ein Duell, das nicht stattfindet. Angekündigt, hochgejazzt, doch dann haben die Revolverhelden nur Platzpatronen im Colt“, vermisst die taz die Brisanz der Rückkehr Effenbergs ins Münchner Olympiastadion. Die Atmosphäre war zwar freundlich, das sportliche Ereignis – Bayern siegte glücklich mit 1:0 – belanglos, weswegen die Zeitungsexperten heute diesem Geschehen nicht allzu viel Aufmerksamkeit widmen. „Wie soll man sich aber erklären, dass nach 90 Minuten außer Schiedsrichter Merk niemand einen einzigen Pfiff ertönen ließ? Hat das Münchner Publikum alle Ansprüche fahren lassen und sich an lustlos abgedrehte B-Movies gewöhnt, deren einzig akzeptabler Aspekt das Happy-End ist?“ fragt die SZ erstaunt.

Im Vordergrund dieses „unscheinbaren bis unangenehmen 13. Bundesliga-Spieltags“ (FAZ), steht daher erneut die Schiedsrichterdebatte, die von umstrittenen Entscheidungen in Leverkusen, München, Rostock, Hannover und Cottbus gefüttert wurde. Doch mehren sich erfreulicherweise die Stimmen derjenigen, die die Referees ob derer schwierigen Aufgabe in Schutz zu nehmen versuchen. Besondere Wirkung entfachen solche Standpunkte, wenn sie aus dem Mund eines Benachteiligten kommen; wie im Falle von Gladbach-Coach Hans Meyer, der dem Spielleiter zu seiner Leistung gratulierte, obwohl dieser ein Handspiel des Leverkusener Torschützen Daniel Bierofka übersah.

Zum Sportlichen: Das beste Spiel fand nach allgemeinem Konsens in Hannover statt, wo starke Gastgeber den noch stärkeren Herthanern mit 0:1 unterlagen. „In Berlin entsteht nach wechselhaften Wochen das Gefühl, gereift und zu Großem bereit zu sein“ bemerkt die FAZ in freudiger Erwartung fußballerischer Großtaten.

Roland Zorn (FAZ 18.11.) fasst die Ereignisse des vergangenen Wochenendes zusammen. „Schlechte Stimmung in Deutschland. In der Politik, in der Wirtschaft, in der Gesellschaft – und auch im Fußball. Dort allerdings ist es alle Jahre wieder dasselbe Lied: Wenn’s draußen novembert, wird’s auch grau auf den dauergrünen Wiesen der 18 Bundesliga-Klubs. Spätestens dann beginnt im Tiefparterre das große Zittern um die weitere Klassenzugehörigkeit, während sich in der Beletage erste Ermüdungserscheinungen nach zu vielen Duellen auf der nationalen wie internationalen Bühne bemerkbar machen. Zu der saisonal üblichen Dosis Kampf und Krampf gesellt sich in diesem Jahr ein ganz besonderes Reizklima, weil das Verhältnis zwischen Spielern und Schiedsrichtern zum Zerreißen gespannt ist. Daran hat sich auch am dreizehnten Spieltag nichts geändert, als die Unparteiischen allein in den sieben Begegnungen vom Samstag viermal das Stoppsignal Rot und einmal das Haltzeichen Gelb-Rot setzten.“

Im Rahmen der allgemeinen Schiedsrichterdiskussion – es grassiert der Vorschlag, Referees mit Hilfe von Polizeispezialisten durchgeführten Seminaren auf Konfliktsituationen auf dem Spielfeld vorzubereiten – übt Jan Christian Müller (FR 18.11.) massive Kritik, wobei er sich nicht ausschließt. „Soweit ist es nun also bereits gekommen. So wie Ordnungshüter darauf trainiert werden, Kriminellen fachgerecht die Handschellen anzulegen, ohne vorher vertrimmt und hinterher im Notarztwagen vom Tatort abtransportiert zu werden, lassen sich alsbald auch Deutschlands Elite-Schiedsrichter schulen, auf dass sie in Zukunft besser mit unbelehrbaren Fußball-Profis klar kommen (…) Zum Beispiel mit so einem wie Giovane Elber, der vor einer Woche fand, mit Vollspann in Richtung Vorderhirn des Dortmunder Torhüters Jens Lehmann treten zu können, dabei glücklich mit einer Gelben Karte wegkam und diese überflüssige Rücksichtnahme auf sein zerbrechliches Selbstwertgefühl sieben Tage später gehörig missinterpretiert: Ein lediglich mit einer ernsthaften Ermahnung geahndeter Check gegen seinen Wolfsburger Gegenspieler verführt ihn dazu, den selben Mann keine zehn Sekunden später nochmals mit dem Ellbogen ins Visier zu nehmen. Erst dann gibt es – leider zu spät – Gelb. Elber muss gehofft haben, dass sein zweites Vergehen im Rücken des Schiedsrichters stattfinden würde. So, wie ein Halbstarker beim Raubüberfall davon ausgeht, dass die alte Oma ihn sowieso nicht einholen kann und sich auch nicht traut, um Hilfe zu schreien. Elbers Verhalten vom Samstag steht exemplarisch für die zunehmenden, von uns Medien jahrelang nicht scharf genug gegeißelten Bösartigkeiten auf dem Fußballplatz.“

René Martens (FTD 18.11.) dagegen hält die Hitze der Debatte für übertreiben. „All die Aufregung lässt darauf schließen, wir hätten miterleben müssen, dass in einem Bundesligastadion zum Schutz des Schiedsrichters Polizisten aufs Spielfeld stürmen, einem Spieler per Schlagstock eine Platzwunde und einem Trainer eine Ladung Tränengas verpassen. So erging es Ende Oktober in Brasilien zwei Angestellten des FC Santos. Und haben wir in Deutschland etwa gerade Schurken à la Byron Moreno erlebt? Der Ecuadorianer kippte Italien aus dem WM-Turnier – danach konnte er sich ein Haus kaufen und seine Schulden abbezahlen. In Ecuador ist er gesperrt, weil er in einer Partie zwölf Minuten nachspielen ließ, sodass die Richtigen gewinnen konnten. Doch hier zu Lande nichts. Kein Skandal nirgends, und dennoch ist die Hysterie schon so groß, dass ein Blutgrätscher wie Christian Beeck plötzlich als sympathischer Bursche verklärt wird, weil er Opfer eines Schiedsrichters wird, der vermeintlich das Gefühl in seinen Fingerspitzen vergisst, wenn er Torschützen auf Zäunen jubeln sieht. Die Rechtfertigung des Exekutors Meyer aus Burgdorf –- bei Hannover! – mag hölzern klingen. Aber dass Schiris das Regelwerk der Fifa so uneingeschränkt solidarisch verteidigen wie Kardinäle die Haltung des Papstes in Sachen Abtreibung – das ist ja nicht neu.“

Hannover 96 – Hertha Berlin 0:1

Vom 1:0-Erfolg der Hertha in Hannover ist Dietrich zur Nedden (taz 18.11.) sehr angetan. „Sieben Minuten gespielt und kein einziges Foul, auch keines, das unbemerkt geblieben war. Der große Zeiger drehte drei weitere Runden, bis sich ein Herthaner erbarmte und gegen Bobic regelwidrige Methoden anwendete. Danach folgten fünf weitere Minuten ohne Foulspiel. Diese friedvolle Viertelstunde verbrachten Hertha und 96 aber nicht etwa mit Nichtstun, sondern spielten hochorganisierten Fußball, der beinahe so aussah, als sei das ganz einfach. Direkt, schnell und präzise lief der Ball hin und her, wobei die Hannoveraner eine Idee weniger direkt, schnell und präzise kombinierten als die Berliner. Was die nämlich in ihrem Drang nach vorne inszenierten, machte einen so starken Eindruck, dass Dieter Hoeneß später sagen durfte: „besser kann man nicht spielen“, und man ihm spontan erst mal nicht grundsätzlich widersprechen wollte. Mit dem, was Hertha zeigte, können die diversen Investoren zufrieden sein, die in der Hauptstadt partout einen Fußballklub von Weltniveau züchten wollen. Eine schreckliche Ahnung lag in der Luft: Lässt sich Erfolg etwa doch kaufen?“

Raimund Witkop (FAZ 18.11.) sieht das ähnlich. „Der Unterhaltungswert des Nachmittags war kaum noch zu steigern, also versuchte es Huub Stevens gar nicht erst: „Wir sind auf dem Weg, da entwickelt sich etwas.“ So nüchtern resümierte der Trainer von Hertha BSC Berlin den 1:0-Erfolg bei Hannover 96 in einem hervorragenden Spiel. Um das Niveau der Partie auch rhetorisch zu halten, hätte Stevens nur einfallsreich genug loben müssen. Das aber ist die Sache des Holländers nicht, der statt dessen zu nörgeln begann: Man habe nach der frühen Führung – Bart Goor in der 17. Minute – zuwenig Chancen herausgespielt. Harte Worte nach neunzig Minuten, in denen beide Mannschaften nicht einen langweiligen Moment, dafür aber Tempo, Kombinationen und Torszenen jede Menge produziert hatten. Kritik auch an blendenden Leistungen gehört zwar zum pädagogischen Arsenal der Trainer, aber manchmal ist es schade. Denn einige Angriffe der Berliner – im späteren Verlauf vorwiegend Konter – müssen dem Gegner den Eindruck vermittelt haben, ein Hochgeschwindigkeitszug rase auf sie zu. Mit der Besonderheit, daß dabei Kontrolle über Ball und Raum nicht beeinträchtigt waren. Vor allem dem brasilianischen Duo Alves und Marcelinho war es ziemlich egal, ob gerade zwei oder fünf Verteidiger vor ihnen waren – sie kamen fast immer gefährlich in Tornähe. Um so schöner, daß der inzwischen selbstbewußte Aufsteiger aus Hannover den Berlinern kaum nachstand.“

Jörg Marwedel (SZ 18.11.) erläutert die „Fußball-Rezeptur“ von Hertha-Trainer Huub Stevens: „klares Schema, Höchstmaß an Sicherheit plus ein Quäntchen künstlerische Freiheit. Zu besichtigen war also eine Berliner Mannschaft, die einen derart kompakten Wall um ihr Tor aufgebaut hatte, dass der Ball allenfalls durch Zufall den Weg ins Netz gefunden hätte. Derweil veranstalteten vorn, unterstützt von einem maschinengleich arbeitenden Mittelfeld, der überragende Marcelinho und der wieselige Alex Alves einen brasilianischen Zauber, dass einem Angst werden konnte um die keineswegs schwachen Hannoveraner.“

Interview mit Fredi Bobic Tsp

Borussia Dortmund – 1860 München 1:0

Christian Zaschke (SZ 18.11.) analysiert das Spielgeschehen. „In dieser ersten Halbzeit ist die Borussia einigermaßen standesgemäß aufgetreten. Sie ist Deutscher Meister, sie steht in der zweiten Runde der Champions League, und doch wirkte sie zuletzt auf eigenem Platz so unentschlossen wie ein Zweifler an Gott, der in einen Orden eintreten soll. Sie misstraute dem eigenen Urteil; sie verlor den Glauben an die eigene Stärke. 68.600 Menschen sahen im Westfalenstadion eine Mannschaft, die unruhig war (…) Doch Dortmund ist zurzeit keine Mannschaft, die eine Führung ausbaut und souverän verteidigt. Ab Mitte der zweiten Halbzeit gaben die Dortmunder das Mittelfeld auf, und die Sechziger kamen ins Spiel. In dieser Phase war sehr gut zu beobachten, was den Münchnern schwerfällt: das Spiel in einer Weise zu gestalten, die dem Gegner gefährlich wird. Ständig war 1860 in Ballbesitz. Die übrigen wehrte die sichere Dortmunder Verteidigung ab. Zudem öffnete sich dem Mittelfeld kein Weg in den Sturm. Häufig drehte Häßler, der gut spielte, kurz hinter Mittellinie wieder um, weil er kein Anspiel fand. Er drehte Kreise wie ein Segelboot mit festgeklemmter Pinne, er kam nicht vom Fleck.“

Zu der vermeintlichen Wirkung der Ansprache von BVB-Präsident Niebaum an die Mannschaft meint Felix Meininghaus (FTD 18.11.). „Nach dem Seitenwechsel ließ Dortmund gegen harmlose Gäste viel von dem Feuer vermissen, das Niebaum eingefordert hatte. Warum der BVB, der in dieser Saison zu Hause schon viermal unentschieden gespielt hat, aus Schaden nicht klug wird, bleibt unergründlich. Immer wieder nimmt es die Mannschaft fahrlässig in Kauf, den Gegner nach starkem Beginn ins Spiel kommen zu lassen. Sammer begründete das Nachlassen mit dem „Substanzverlust“ nach kräftezehrenden Wochen. Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit. Seit Saisonbeginn beschränken sich die Dortmunder bei einer Führung darauf, das Ergebnis zu verwalten. Mit solchem Minimalistenkick riskiert der Meister nicht nur unnötige Punktverluste, sondern verärgert auch die zahlreiche Stammkundschaft. Gegen 1860 München quittierten die Fans das uninspirierte Ballgeschiebe der zweiten Hälfte mit deutlichen Unmutsäußerungen.“

VfL Bochum – Schalke 04 0:2

Andreas Morbach (FTD 18.11.). „Mal Uefa Cup, dann Abstieg, Aufstieg, Abstieg, Aufstieg, im Moment sogar ganz vorne in der Liga. So unvorhersehbar wie das Leben selbst. Das ist Bochum, das sein Dasein als fußballerischer Jojo gestern Abend im Revierderby gegen den FC Schalke 04 mit einem 0:2 fortsetzte und seinen „Parameter“ suchenden Trainer Peter Neururer zumindest die Gewissheit verschafft hat: Der Nachbar im Westen dürfte in diesem Jahr wohl eine Nummer zu groß sein.“

Spielbericht SZ

Hansa Rostock – VfB Stuttgart 1:1

Roland Zorn (FAZ 18.11.) bemängelt die Härte des Spiels. „Rund ging es in Rostock, wo der nach ansehnlichem Start doch wieder in Seenot geratene FC Hansa holzend wie lange nicht gegen den Verruf, nur noch der Schönspielerei zu frönen, antrat. Im Duell mit den sich robust wehrenden Stuttgartern bekam das Publikum wieder einmal jenes Unsittengemälde zu sehen, das seit längerem die klimatischen Beziehungen der Beteiligten eintrübt: fiese Fouls, schauspielerische Täuschungsversuche und Rudel rauflustiger Spieler. Mittendrin ein Schiedsrichter, in diesem Fall Hermann Albrecht, bei dem die Rostocker und Stuttgarter bösen Buben schlechte Karten hatten und noch von Glück reden konnten, daß der Fifa-Referee nicht alles so ahndete, wie es bei diesem Härtefall nötig gewesen wäre.“

Christian Ewers (FAZ 18.11.) sieht die Schuld dafür primär bei den Gastgebern. „Das Spiel lief gerade sechs Minuten, da wollte Jochen Kientz kurz klarstellen, warum er in Rostock den Kampfnamen „Knochen-Jochen“ trägt. Kientz, der seine Haare mit viel Gel zu einem zackigen Hahnenkamm aufgestellt hatte, sprintete im Mittelfeld dem Ball hinterher. Er sah nur sich und den Ball. Keinen Mitspieler, keinen Gegenspieler, Kientz hatte sein Ziel fest im Auge. Dummerweise hielt sich der Stuttgarter Mannschaftskapitän Zvonimir Soldo gerade in Ballnähe auf. Pech für ihn an diesem Nachmittag. Kientz kam herangestürmt und verpaßte dem arglosen Soldo einen Bodycheck. Einen üblen, den selbst jeder Eishockeyschiedsrichter mit einer Hinausstellung bestraft hätte. Soldo krümmte sich minutenlang mit schmerzverzerrtem Gesicht auf dem Rasen. Hermann Albrecht jedoch, der Fußball-Referee, ließ Milde walten. Es waren ja erst sechs Minuten gespielt, Albrecht verhängte eine Bewährungsstrafe: Gelb für Kientz. Vielleicht war dieser frühe Akt der Nachsichtigkeit ein Fehler. Denn in den folgenden 84 Minuten wurde es nur noch schlimmer. Es wurde gegrätscht, getreten und geschauspielert, wie es glücklicherweise nur selten in der Bundesliga zu sehen ist. Albrecht zeigte zweimal Rot und sechsmal Gelb. Tore dagegen notierte er nur zwei. Die „Schlacht“ im Ostseestadion endete 1:1. Nach dem Abpfiff, als beide Teams mit erdverschmierten Trikots Richtung Kabine trotteten, wollte niemand etwas von einem überharten Duell wissen (…) Tatsächlich ist es Hansa Rostock mit dem Spiel gegen Stuttgart gelungen, sein Image als zahnlose Schönspielertruppe abzulegen. Vier Gelbe Karten und eine Rote Karte für Bachirou Salou sind eine schaurige Bilanz. Doch drängt sich die Frage auf: Genügt die Grätsche als einziges Mittel im Kampf um den Klassenverbleib? Wohl kaum. Hansa übt sich zur Zeit in reiner Destruktion, ohne selbst etwas fürs Spiel zu tun. Der Stuttgarter Ausgleich durch Kevin Kuranyi war verdient, denn die Schwaben spielten den attraktiveren Fußball. Allerdings hatten sie sich anfangs einschüchtern lassen vom rüden Spiel.“

Bayern München – VfL Wolfsburg 1:0

Zur Form des Tabellenführers heißt es bei Ludger Schulze (SZ18.11.). „Die Bayern – sie haben eine den Namen nach atemberaubende Mannschaft, die man, ohne weit daneben zu liegen, als Ableger einer Weltelf bezeichnen könnte. Doch die individuellen Vorzüge fügen sich nicht zu einem Gesamtkunstwerk: opulenter Rahmen, nur kein Bild drin. Von Ausnahmen abgesehen trotten sie an der unteren Leistungsgrenze herum. Furcht einflößende Abwehrpfeiler wie Thomas Linke oder Samy Kuffour verlieren beim geringsten Stress Kopf, Übersicht und Gelassenheit. Dem ehemals imponierenden Kämpfer Jens Jeremies scheint abhanden gekommen zu sein, was ihn einmal zum Schreckgespenst der Liga gemacht hat. Unaufgeregt verrichtet Jeremies seinen Dienst, als hätte er einen Job von neun bis fünf. Michael Ballack, der die vielfältigsten Talente bündelt, passt sich zusehends dem sinkenden Niveau an, geleitet von der vagen Hoffnung, seine Blässe durch den einen oder anderen Treffer vergessen zu machen. Mitunter wirft er eine genialische Szene auf den Rasen, nicht genug, um zu beweisen, dass er den FC Bayern zu neuer Blüte führen kann. Schließlich Giovane Elber: Blasiert treibt er sein zickiges Spielchen, das hauptsächlich aus Beinschüssen und anderen Veralberungen des Gegners besteht. Elber macht den Eindruck einer alternden Diva, die der Plackerei des Showbetriebes überdrüssig ist und sich im Glanz einer großen Vergangenheit sonnt. Aus der allgemeinen Tristesse erhoben sich immerhin drei Lichtblicke: Oliver Kahn wirkte nach Wochen der gelebten Verunsicherung wieder konzentriert- aggressiv und seiner Verantwortung bewusst. Auch Torschütze Roque Santa Cruz ist auf dem stark aufsteigenden Ast. Als überragender Münchner jedoch zeichnete sich Zé Roberto aus mit Laufstärke, verwirrenden Dribblings und einer Fülle von Flanken, die mit geometrischer Genauigkeit in den Wolfsburger Strafraum segelten.“

Elisabeth Schlammerl (FAZ 18.11.) schreibt über die Rückkehr Effenbergs. „Nicht nur das Wiedersehen mit den Klub-Oberen und den ehemaligen Mitspielern war herzlich, auch die Fans des FC Bayern begrüßten Effenberg wie einen verlorenen Sohn. „We love you Effe“ und „Effe is back“ stand auf Transparenten in der Südkurve des Münchner Olympiastadions, und beim Verlesen der Wolfsburger Mannschaftsaufstellung gab es beim Namen Effenberg Beifall im Stadionrund. So viel Ehre wurde dem streitbaren Leitwolf während seiner vier Jahre in München nur nach großen Spielen zuteil. Selbst der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber, zugleich Vorsitzender des Verwaltungsbeirats des FC Bayern und in dieser Funktion einst größter Kritiker von Effenberg, fand nur lobende Worte für den Rückkehrer: „Er hat Michael Ballack gezeigt, was dem noch fehlt, er war heute der Stärkere.“ Die gute Laune und Auskunftswilligkeit nach dem Spiel hatte vermutlich auch damit zu tun, daß Effenberg als leichter Punktsieger aus dem Duell mit seinem Nachfolger beim FC Bayern, Ballack, hervorging. Er genießt den Vergleich, der in den vergangenen Wochen immer wieder gezogen wurde, und der nicht zu seinen Ungunsten ausfiel. Der Wolfsburger Leitwolf trat im Olympiastadion auf, wie man es von ihm in München, mal abgesehen von seinem ersten Jahr, gewohnt war. Er versuchte mit Gesten und Grätschen den Gegner einzuschüchtern, aber Akzente konnte er nur selten setzen. Würde er noch beim FC Bayern spielen, wäre seine Leistung als mittelprächtig abgetan worden – in einer durchschnittlichen Wolfsburger Elf, von der nicht halb soviel erwartet wird wie vom FC Bayern, wird Effenbergs Wirken hoch geschätzt (…) Der FC Bayern ist auf dem besten Weg, zu dem ergebnisorientierten Fußball zurückzukehren, der ihm in den vergangenen Jahren zwar keine Schönheitspreise einbrachte, aber dafür jede Menge Titel.“

Spielbericht taz

Das „Duell“ zwischen Ballack und Effenberg SZ

Energie Cottbus – Arminia Bielefeld 2:1

Zur Diskussion um den des Feldes verwiesenen Cottbuser Beeck bemerkt Javier Cáceres (SZ 18.11.). „Das Eigentümliche an der Situation war, dass Beeck sich zum Duschen in die Kabine begab, ohne auch nur die geringsten Anstalten zu machen. Auch nach vollendeter Körperpflege war Beeck kaum mehr als ein mea culpa zu entlocken, obwohl da bereits absehbar war, dass manche Medien den Umstand instinktsicher zum „Skandal“ (Bild am Sonntag) erheben – und in die derzeit tobende Schiedsrichterdebatte einreihen würden (…) Aus Cottbuser Sicht hatte die Posse um Beeck aber auch einen positiven Aspekt – in Einheit mit dem Sieg übertünchten sie nämlich so Einiges. Den offiziellen Abschied der ausgemusterten Profis Bruno Akrapovic und Vasile Miritua sowieso; desweiteren aber auch weitere Diskussionen um Energies Finanzsituation. Unter der Woche hatte Vereinspräsident Dieter Krein erklärt, dass sich die Außenstände aus Sponsorengeldern auf eine halbe Million Euro belaufen; weil auch die TV-Gelder wegen der Kirch-Krise weniger üppig fließen und die Zuschauereinnahmen gesunken sind, hat der Klub mit Spielern und Angestellten Gespräche über Gehaltsverzicht begonnen. Darüber hinaus geriet aber auch fast in Vergessenheit, dass der Bundesligavergleich zwischen Cottbus und Bielefeld qualitativ von einer selten gesehenen Belanglosigkeit war.“

Matthias Wolf (FAZ 18.11.) beleuchtet die Lage der Lausitzer. „618 Minuten hatten sie in der Bundesliga auf ein Tor gewartet, dann traf der Pole Andrzej Kobylanski um 15.38 Uhr. Vor den Augen von Manfred Stolpe, als Bundesminister auch für den Aufbau Ost zuständig. Er hat den Kampf des kleinen FC Energie zu einer Mission mit Symbolcharakter für das ganze, von wirtschaftlichen Problemen gebeutelte Land Brandenburg erklärt – und Kobylanski nahm die Vorlage auf. „Das war ein wichtiges Tor für die ganze Region“, sagte er. Welche Bedeutung der Treffer für ihn selbst hatte, darüber wollte er nicht reden. Der Schütze des zweiten Treffers, Christian Beeck, sprach dann im Sinne seines Kollegen: „Es ist immer die Frage, wie ein Spieler sich verhält, der auf dem Abstellgleis steht“, erklärte der Kapitän: „Koby hat eine sensationelle Antwort gegeben.“ Es ist erst wenige Wochen her, da saß Kobylanski auf der Tribüne, und Manager Klaus Stabach fällte das vernichtende Urteil: „Er ist zu alt, hat den Zenit überschritten.“ Nun zeigte der erst 31 Jahre alte Mittelfeldspieler jenen alten Cottbuser Kampfgeist, der bereits abhanden gekommen schien. Kobylanski rannte – und die anderen folgten ihm. Das Publikum, zuletzt wie erstarrt, inklusive (…) Der Fußball-Lehrer trägt den neuen Jugendstil des Vereins nur eingeschränkt mit, wie auch vor dem Spiel deutlich wurde: Da erhielten die entlassenen Bruno Akrapovic und Vasile Miriuta zum Abschied Präsente. Geyer ließ es sich nicht nehmen, beide Weggefährten demonstrativ noch einmal fest an sich zu drücken. Doch wenn nicht alle Zeichen trügen, wird er noch häufiger Abschied nehmen müssen. Der Kader müsse weiter ausgedünnt werden, sagt Manager Stabach: Der Rückgang bei Fernsehgeldern, sinkende Zuschauerzahlen sowie wirtschaftliche Probleme bei regionalen Sponsoren ließen keine andere Wahl. So können auch jene Geldgeber, die versprochen haben, die Neuzugänge Rink und Berhalter zu finanzieren, ihre Zusagen nicht einhalten, Stabach beziffert das Etatloch auf 800.000 Euro bis Jahresende. Intern soll er davon gesprochen haben, bis Saisonschluß könnten vier Millionen fehlen. Nun werden alle Profis gebeten, auf zwanzig Prozent ihres Gehalts zu verzichten – Geyer hat als erster Bereitschaft signalisiert. Die Bielefelder hatten Energie Cottbus wohl schon abgeschrieben”

Bayer Leverkusen – Borussia Mönchengladbach 2:2

Christoph Biermann (SZ 18.11.) analysiert die Lage der Leverkusener. „Dort ist in dieser Saison eine Station eingerichtet worden, an der alle darbenden Teams mit Punkten versorgt werden. Der VfL Bochum begann dort seinen Höhenflug, Hannover 96 schaffte die Wende, und der VfB Stuttgart stabilisierte sich in der Tabelle. Neben Kaiserslautern unterlag dort nur der FC Bayern, und Borussia Dortmund kam über ein Remis nicht hinaus – aber die wollten wohl zu viel. Es leidet Bayer nämlich stets, wenn der Gegner das Visier herunterlässt und sich hinten verbarrikadiert. Längst hat sich die Tendenz zu einer Gewissheit verfestigt, dass seine Mannschaft in Manchester besser aussieht als gegen Mönchengladbach und bald wahrscheinlich gegen Barcelona als gegen Bielefeld. Schauerlich war es wieder einmal, wie die Spieler des letztjährigen Meisterschaftszweiten den Kopf verloren. Ständig verstellten sie sich die Wege, verstopften die Räume, boten sich nicht ausreichend an, spielten zu flau oder zu wild. Schlichtweg dumm agierten auch die, deren taktisches Geschick sie im letzten Jahr noch bis ins Finale der Champions League brachte. Dazu kommt ein nun auch offiziell eingestandenes Sturmproblem.“

Erik Eggers (Tsp 18.11.). „Eine Begebenheit am Rande hat den erfahrenen Schiedsrichterbeobachter Günther Linn dann doch sehr irritiert. Es war nicht die Szene kurz vor Schluss des Spiels zwischen Bayer Leverkusen und Borussia Mönchengladbach, als Daniel Bierofka den Ball mit der Hand stoppte und ihn anschließend zum 2:2-Endstand ins Netz schießen konnte, weil Schiedsrichter Peter Gagelmann das Vergehen nicht gesehen hatte. Diese Szene hat Linn mit einer gewissen Routine zur Kenntnis genommen. „Das ist zwar schade“, sagt der Beobachter, „aber er hat es nun einmal nicht gesehen.“ Solche Fehler findet Linn nicht außergewöhnlich. Außergewöhnlich fand er das Verhalten des Mönchengladbacher Trainers Hans Meyers. Linn, der selbst zwischen 1966 und 82 als Schiedsrichter in der Bundesliga war, berichtete einigermaßen perplex, dass Meyer in die Schiedsrichterkabine gekommen sei und sich „bei Gagelmann für die vorzügliche Leistung bedankt“ habe. Und zwar ohne jede Ironie, die den Gladbacher Trainer sonst auszeichnet. „Wenn der Schiedsrichter dieses Handspiel gesehen hätte, dann hätte er es auch gepfiffen“, hatte Meyer bereits in der Pressekonferenz gesagt, und auch in der Kabine habe er dem Schiedsrichter keine Vorwürfe gemacht. „Das habe ich unter diesen Bedingungen noch nie erlebt“, sagt Linn. Immerhin waren den Gladbachern durch die Fehlentscheidung zwei wichtige Punkte im Kampf gegen den Abstieg abhanden gekommen. Linn lässt durchblicken, dass Meyer wegen seiner sportlichen Haltung einen Fair- Play-Preis verdient hätte.“

Jörg Stratmann (FAZ 18.11.) zum Spielgeschehen und den Reaktionen darauf. „Hans Meyer hat die Bemerkung nicht ins Lächerliche gezogen. Dabei lag dem zu kabarettistischen Einwürfen neigenden Trainer des Bundesligaklubs Borussia Mönchengladbach bestimmt noch eine Spitze auf der Zunge, als der Leverkusener Kollege Klaus Toppmöller den Krankenstand in dem Moment beklagte, da er das 2:2 beider Teams kommentieren sollte. Doch lag es wirklich daran, daß Toppmöllers Team nur mit Glück die vierte Saisonniederlage in der BayArena vermied? Auch Toppmöller konnte schließlich nicht umhin, ganz andere Schwächen einzuräumen. „Wir müssen kleine Brötchen backen“, sagte er. „Uns fehlen die Mittel, um sogar einen ersatzgeschwächten Gegner abzuschießen.“ Umgekehrt nämlich hätte Kollege Meyer viel eher von empfindlichen Lücken berichten dürfen. Zum Beispiel, daß gleich drei Kräfte der eingespielten Viererabwehrkette fehlten. Auf der linken Seite lief Amateur Daniel Embers auf, der erst dreimal mit den Profis trainiert hatte; später kam ein zweiter Amateur, Sebastian Plate, hinzu. Darüber hinaus war Stürmer van Hout nicht im Vollbesitz seiner Kräfte. Doch weil sich die Seinen dann „wirklich gut“ aus der Affäre zogen, klagte Meyer nicht. Im Gegenteil, er machte Witze darüber: „Vor dem Spiel habe ich gehört, daß uns neun Stammspieler fehlen. Da muß auch der Hausmeister und seine Frau dabeigewesen sein.“ Eigentlich habe er nur „drei bis vier Basisspieler“ vermißt. So aber sei sein Team wohl unterschätzt worden. „Ein psychologisches Lehrbeispiel“ nannte Meyer den Effekt, der fast zum ersten Sieg über Leverkusen seit acht Jahren geführt hätte. Gegen das Bollwerk, hinter das sich die Gladbacher vor und nach gelegentlichen Kontern zurückzogen, fand Leverkusen jedenfalls kein Rezept.“

1. FC Nürnberg – Hamburger SV 1:3

Gerald Kleffman (SZ 18.11.). beobachtete Hamburger Jubelszenen nach dem Spiel. „Es war ein bewegender Moment, es schien, als habe der HSV den Weltpokal gewonnen oder irgendetwas Bedeutendes – und nicht bloß Nürnberg besiegt, mit 3:1 Toren. So maßlos ist der Profifußball an manchen Tagen. Andererseits, man muss den HSV verstehen. Es gab einige Gründe, warum die Gefühle nach dem Erfolg in Nürnberg siedeten wie kesselndes Teewasser. Egal, wo man stand und egal, welchem Hamburger man lauschte, die Lobesarien wollten nicht enden. Hier, im Eingang zu den Umkleidekabinen, stand Bernd Hollerbach, der Mittelfeldrackerer, und plauderte von einer Mannschaft, die nach der wochenlangen Krise wieder zueinander gefunden habe, eine harmonische Einheit sei und endlich, zum ersten Mal in dieser Saison, auswärts gewinnen konnte. Dort, im Pressekonferenzraum – in Nürnberg ist es eine alte Turnhalle – stand Kurt Jara, der Trainer und lobte so ziemlich alles, was mit Hamburg und Fußball zu tun hatte. Die Zweikampfstärke, die Dynamik, die Flanken, die Pässe, die Einsatzfreude, die Moral. Alles, einfach alles sei vorbildlich gewesen. Wahrscheinlich hätte Jara auch den eigenen Busfahrer für dessen Einparkkünste gelobt, wenn ihn jemand gefragt hätte. Jaras Hang zur Euphorie war jedoch nicht unbegründet. Von Anfang an spielten die Hamburger so, als seien sie die Gastgeber. Sie schossen aus der Ferne, sie kombinierten direkt und unkompliziert, sie setzten jedem Ball nach. Vor allem das wieder komplett zur Verfügung stehende Trio Mehdi Mahdavikia, Sergej Barbarez und Rodolfo Cardoso glänzte als Motor des HSV-Spiels.“

Hans-Joachim Leyenbeg (FAZ 18.11.). „Den „Club“ hatte die kleine Siegesserie der vergangenen Wochen pomadig und selbstzufrieden gemacht. Die Hamburger aber kombinieren Spielkultur mit einer Zielstrebigkeit, die plötzlich an jene Saison erinnert, als sie es mit Trainer Pagelsdorf bis in die Champions League brachten (…) Beim HSV heißt die bange, unausgesprochene Frage, ob er langfristig mit Cardoso gesundet. Der Rückkehrer, der wegen einer Kniegeschichte fast sechs Monate aussetzen mußte, veredelt das Spiel des HSV. An ihm wachsen auch die Kollegen.“

Portrait Sasa Ciric SZ

Europäischer Fußball: Resultate – Torschützen – TabellenNZZ

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