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Bisher ist das ein Kratzen an einzelnen Symptomen

Oliver Fritsch | Freitag, 16. April 2004 Kommentare deaktiviert für Bisher ist das ein Kratzen an einzelnen Symptomen

FR-Interview mit Peter-Thilo Hasler, Analyst, kritisiert die Finanzstrategie Borussia Dortmunds

FR: Sie behaupten in Ihrer Studie nach der Halbjahresbilanz, Borussia Dortmund würde auch dann nicht den Break-even erreichen, wenn am Saisonende für 35 Millionen Euro Spieler verkauft würden. Warum?
PTH: Der Verein hat im ersten Halbjahr fast 30 Millionen Euro Verlust gemacht. Am Saisonende sind es vermutlich mehr als 60 Millionen. Selbst wenn der Club zukünftig 20 Millionen an Gehältern spart, 20 Millionen an Abschreibungen – reicht das immer noch nicht. Bei aller Liebe, da müssen noch andere Einsparpotenziale her.
FR: Was würden Sie empfehlen?
PTH: Weitere Kosten senken oder Einnahmen erzielen, so einfach ist das.
FR: Michael Meier verweist immer auf das Eigenkapital.
PTH: Das Eigenkapital von Borussia Dortmund ist zum Teil in Spieler investiert und damit in immaterielle Werte, die grundsätzlich mit Risiken behaftet sind. Das Stadion ist verkauft, die liquiden Mittel sind überwiegend auf einem separaten Konto gebunden.
FR: Erkennen Sie schon eine Kurskorrektur beim BVB?
PTH: Leider nicht. Bisher ist das ein Kratzen an einzelnen Symptomen. Amoroso wurde rausgeschmissen. Seltsam, ein Spieler, der immerhin mal 25 Millionen wert war, soll jetzt gar nichts mehr einbringen? Stefan Reuter wechselt mit 37 Jahren ins Management, Sunday Oliseh hat sich etwas zuschulden kommen lassen, Spieler wie Addo, Conceicao oder Herrlich verschwinden von der Gehaltsliste. Aber ist das Strategie? Vielmehr muss man fragen, warum manche Spieler, die ihren Zenit überschritten hatten, noch so viel verdient haben. Die leistungsabhängige Komponente muss künftig in den Verträgen viel größer werden.
FR: Die besten Spieler, das „Mittelalter“ zwischen 23 und 28 Jahren, will Matthias Sammer nicht hergeben. Präsident Gerd Niebaum und Michael Meier angeblich auch nicht.
PTH: Für einen 20- oder einen 35-Jährigen kriege ich in der Regel nur wenig. Also muss Dortmund auf das „Mittelalter“ zurückgreifen, das sind die begehrtesten Spieler.

Frank Bachner (Tsp 17.4.) durchleuchtet das Lizenzverfahren: „Beim BVB müssen sie derzeit auch mit Kleinkram rechnen. Der Verein macht in der laufenden Saison nach Schätzungen von Analysten fast 60 Millionen Euro Verlust, die Lizenz ist in Gefahr. Bis zum kommenden Mittwoch erfährt die Klubführung, welche Auflagen die DFL für die Vergabe der Lizenz macht. Dass es Auflagen gibt, davon gehen viele Beobachter aus. Aber sitzt nicht BVB-Manager Meier im Vorstand der DFL? Wird da nicht schon im Vorfeld der Lizenzvergabe, im kleinen Kreis quasi, Schadensbegrenzung betrieben? Zudem ist nahezu der ganze DFL-Vorstand mit Vertretern von Profiklubs besetzt. Alle Entscheidungen neutral? „Ja“, sagt Werner Hackmann. Er war einmal Präsident des Hamburger SV, jetzt ist er DFL-Chef. „Die Entscheidung über eine Lizenz trifft die Geschäftsführung der DFL, und die ist absolut unabhängig.“ Die Geschäftsführung besteht zurzeit aus zwei Kaufleuten und einem Journalisten – und die kontaktieren notfalls einen Wirtschaftsprüfer. Die eigentliche Arbeit erledigt aber die ebenfalls unabhängige DFL-Lizenzabteilung. Sie prüft alle entscheidenden Kriterien: Ist ein Verein wirtschaftlich gesund? Erfüllt er die Sicherheitsanforderungen? Ob eine Lizenz ohne oder mit Auflagen erteilt wird, bestimmt die Geschäftsführung. Gegen deren Auflagen kann ein Verein Beschwerde einlegen. Dann erst kommt der Vorstand ins Spiel. Der stimmt ab, ob die Auflagen korrekt sind. Wenn ja, muss der Klub nachbessern. Passiert das nicht, gibt es keine Lizenz. Normalerweise. In der Praxis sieht es manchmal anders aus. Dem damaligen Zweitligisten Eintracht Frankfurt wurde wegen einer umstrittenen Bürgschaft von der DFL erst die Lizenz verweigert. Der Klub zog bis vors Schiedsgericht und erhielt dann doch die Lizenz. Die Spielvereinigung Unterhaching stieg dadurch in die Regionalliga ab. Juristisch war alles korrekt. Die Frage ist, ob es hinter den Kulissen bei Abstimmungen nicht doch Absprachen gibt. Ganz nach dem Motto: Gib mir deine Stimme, nächste Saison benötigst du vielleicht meine.“

Man muß da schon unterscheiden zwischen den Verantwortlichen und dem Herrn Zorc

Roland Zorn (FAZ 17.4.) schildert die halb gereizte Stimmung vor dem Spiel Dortmund gegen Bayern: „Auf dem Trainingsgelände gleich neben dem Westfalenstadion wird gelacht wie lange nicht. Frühlingssonne, blauer Himmel, gute Laune – Spieler und Trainer der Borussia genießen nach zuletzt fünf Spielen ohne Niederlage das Hoch über Dortmund und stimmen sich im Zweifel fröhlich auf das vom Boulevard immer wieder gern zum „Haßduell“ stilisierte traditionelle Gipfeltreffen mit dem FC Bayern München ein. Vom Spielfeldrand aus schaut der Dortmunder Sportdirektor Michael Zorc dem gelb-schwarzen Treiben entspannt und gelöst zu. Als ihn ein Fernsehsender bittet, sich noch einmal empört über die jüngste Attacke des Münchner Managers Uli Hoeneß auf den jahrelang größten Rivalen und dessen tschechischen Spielmacher Tomas Rosicky zu äußern, lehnt Zorc dankend ab: „Wir sind nicht in der ,Lindenstraße‘ und spielen keine Rollen in einer Daily Soap. Das ist jetzt Senf nach der Mahlzeit.“ Zorc hatte als erster Borusse Hoeneß gekontert, der wie fast alle Jahre wieder vor dem Auftritt der Bayern im ausverkauften Westfalenstadion den Part des bösen Buben übernommen hat. Und das mit einem einzigen Satz, den er in einem Interview mit der begründeten Aussicht auf ein Echo hatte fallenlassen. Der BVB, lautete Hoeneß‘ Diktum angesichts des wirtschaftlich geschwächten Konkurrenten, könne außer Torsten Frings nicht einen Spieler „lohnend verkaufen. Oder glaubt jemand, daß irgendein Mensch auf der Welt Rosicky kaufen will?“ Zorc sah in dieser Bemerkung ein ruf- und geschäftsschädigendes Verhalten und unterstellte dem an Konter gewöhnten Hoeneß eine „linke Tour“. Der behielt sich für den Freitag noch einen Nachschlag vor, indem er Zorc wie zuvor Rosicky abqualifizierte: „Man muß da schon unterscheiden zwischen den Verantwortlichen und dem Herrn Zorc. In Dortmund nehme ich Dr. Niebaum (Präsident) und Herrn Maier (Manager der Borussia) ernst. Was der Herr Zorc erzählt, interessiert mich nicht. Der ist ein Wadlbeißer und sonst nichts.“ (…) Die Auseinandersetzungen zwischen den Verantwortlichen in der deutschen und der westfälischen Fußball-Hauptstadt kochen, weil zum üblichen Ritual gehörend, vor dem Zweikampf zwischen dem BVB und dem FC Bayern wieder einmal hoch, doch nachhaltig wütend schien diesmal keiner der Beteiligten. Die Bayern bedienen sich lediglich ihrer jahrelang erprobten, aber nicht immer tauglichen rhetorischen Bordmittel. Sie kommen als Tabellenzweite nach Dortmund und versuchen in ihrem Kampf um die letzte Titelchance, ihre Gegner seit einiger Zeit mit Sticheleien zu reizen. Klassenprimus Werder Bremen zeigte sich bis jetzt davon unbeeindruckt; die Borussia dagegen, in dieser Saison als taumelnder Riese ohnehin wund, jaulte kurz auf. Das sind sie ihrem Selbstwertgefühl schuldig.“

Zweifacher Nachfolger von Oliver Kahn

Oliver Trust (FR 17.4.) berichtet die Ambitionen Timo Hildebrands: “Der Torwart des VfB Stuttgart gilt als aussichtsreichster Kandidat für die Position im deutschen Nationalteam hinter Oliver Kahn und Jens Lehmann für die EM in Portugal. Im Frühjahr 2004 heißt es über Hildebrand, er sei der Mann für Rekorde, der sogar Fanpost aus dem fernen China erhält. 885 Minuten ohne Gegentor, was ihm den Beinamen „Nullinger“ einbrachte, die meisten Spiele, die „zu Null“ endeten und allerlei andere Bestleistungen. „Timo Hildebrand gehört die Zukunft“, sagt der deutsche Teamchef Rudi Völler. Was in jener runderneuerten Behausung im Remstal ihren Ursprung hatte, drückt sich in der Gegenwart in unerschütterlichem Selbstvertrauen aus. Das spürt derzeit auch der VfB in den Vertragsverhandlungen. Hildebrand setzte im Geschäft Bundesliga auf die zwischenmenschliche Schiene, den bis 2005 laufenden Kontrakt wollte er alleine verlängern. „Ich dachte, ich komme ohne Berater weiter. Ich habe mich geirrt“, gesteht er ein. Auch das gehört zum neuen Hildebrand. Emotionslose Analysen des Ist-Zustandes und, wenn nötig, schnelle Änderungen des eingeschlagenen Weges. Das angebotene Gehalt (der VfB soll 1,8 Millionen geboten haben) sei eine Art Wertschätzung. Die transportierte Forderung von 2,5 Millionen seines neuen Beraters Dusan Bukovac sei übertrieben, aber er wolle nicht als „billiger Jakob“ enden. Branchenkenner erzählen, es gehe im Vertragsgerangel nicht um Geld, sondern um eine Ausstiegsklausel für das WM-Jahr 2006. Hildebrand wolle sich die Option offen halten, die Nachfolge von Oliver Kahn im Tor von Bayern München anzutreten. „Ich will 2006 im Tor der Nationalmannschaft stehen“, sagt Hildebrand. „Und ich will Meister werden.“ Die Haltung macht dem Mann nicht nur Freunde. Schließlich sei er es gewesen, der die Kollegen Kevin Kuranyi und Andreas Hinkel vor wenigen Wochen für ihr Zaudern im Geschacher um besser dotierte Verträge rügte. Hildebrand aber verschob seine Gespräche mit den Schwaben in die nächste Sommerpause, „weil ich mich auf den Kampf um Platz zwei konzentrieren will.“ In Wahrheit wartet er ab, wie sich sein Trainer Magath entscheidet.“

Moritz Küpper (FR 17.4.) verbessert die statistische Faustregel des Abstiegskampfes: „Die Rückkehr ist längst vollzogen. Mit „Football is coming home“ begleitete die ARD die Rückkehr der Fußballrechte in dieser Saison. 1992 hatte sich Sat 1 den Fußball geangelt und mit ran die Berichterstattung verändert. Inzwischen ist ran gestorben, ihren Platz in der Fußball-Historie hat sich die Sendung aber durch die ran-Datenbank gesichert. Was wurden nicht alles für Zahlen diskutiert. Ballkontakte, Zweikämpfe, gelaufene (Kilo-)Meter. Nicht selten schien demnach das falsche Team gewonnen zu haben. Trotzdem wurden die Statistiken salonfähig. Dass aber selbst korrekte Zahlen es nicht schaffen, vermeintliche Weisheiten des Fußballs zu entlarven, ist erstaunlich. So sagen viele Trainer sehnsüchtig vor der Saison: „40 Punkte, danach schauen wir weiter.“ Dabei würde doch ein Blick in die Statistik reichen: Seit Einführung der Drei-Punkte-Regel musste noch nie ein Bundesligist mit 40 Zählern die Reise in Liga zwei antreten, nicht einmal mit 39. 1998 stieg der Karlsruher SC mit 38 Zählern ab, Mönchengladbach schaffte mit genauso vielen Punkten den Klassenerhalt. Und das ist die Ausnahme: Bislang reichten im Schnitt 36 Punkte für Liga eins. Der Rekord stammt aus dem Jahr 2002: Mit 30 Zählern stieg Freiburg ab, 31 Punkte hätten also gereicht.“

Ökonomisierung des Lebens schreitet voran

Manchester United verbietet seinen Profis, Autogramme zu geben; Michael Horeni (FAZ 17.4.) rügt: “In diesen Tagen erreichte eine Mitteilung von Manchester United, dem wohlhabendsten Fußballklub der Welt, ein mit kommerziellen Absonderlichkeiten bestens vertrautes Publikum, das aber mitunter immer noch bereit ist, Fußball als existentielles Freizeitphänomen zu betrachten. Das börsennotierte Unternehmen teilte also mit, daß es seinen schwerreichen Angestellten nunmehr untersage, ihre Unterschrift auf bestimmte Gegenstände zu setzen. Die Erben Beckhams werden nun, wenn sie dem Aufruf ihrer Chefs folgen, einen großen Bogen um Zuschauer machen, die den Namenszug auf Fußbällen oder Trikots verewigen lassen wollen. Denn im Internet ließen sich, so das Kalkül der Fußballverkäufer aus dem Theater der Träume, die beschrifteten Utensilien mit einigem Erfolg verkaufen – und das wiederum könnte Umsatz und Gewinn im Merchandising schmälern. Heute werden die Worte von Fußballern auf eine ganz andere Goldwaage gelegt. Die Ökonomisierung des Lebens schreitet voran, und die Überlegungen aus Manchester werden sicher bald übernommen, denn sie sind eine logische Konsequenz in einer Welt, die es sich zu eigen gemacht hat, die Dinge nach ihren ökonomischen Entwicklungschancen zu bewerten. Vielleicht sollten Fußballfans auf der Sinnsuche gar nicht mehr um Autogramme nachfragen und den Ball nicht mehr zum Signieren vorhalten, sondern zum Spielen. Fünf Minuten Fußball mit Zinedine Zidane oder David Beckham sollten auch genügen, um tatsächlich etwas über den Sinn des Fußballs zu erfahren. Und diese Erfahrung ließe sich nicht einmal im Internet verkaufen.“

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