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Uli Hoeneß bläst zur letzten Attacke

Oliver Fritsch | Sonntag, 2. Mai 2004 Kommentare deaktiviert für Uli Hoeneß bläst zur letzten Attacke

„die Besseren schweigen“ (FAZ); „Bremer Sturm der Gelassenheit“ (Tsp); „meisterhafte Bremer lassen sich nicht auf die Pelle rücken“ (FAZ) – „Uli Hoeneß bläst zur letzten Attacke“ (FAZ); FC Bayern, „pragmatisch und begeisterungslos“ (SZ) – „mit dem Kölner Abstieg steht fest, daß Overaths Revolte wirkungslos geblieben ist“ (FAZ) – 1. FC Kaiserslautern, „Fremdenlegion in Fußballstiefeln“ (SZ) – „ein Podolski macht noch keinen Kölner Klassenerhalt“ (taz) – „Teile der Freiburger Basis sind es leid, immer nur der sympathische Außenseiter zu sein“ (SZ); Hoffnung für 1860 München, „statt paramilitärischer Ordnung, die jede Individualität abwürgt, baut Gerald Vanenburg auf Eigenständigkeit“ (SZ u.v.m.

Werder Bremen – Hamburger SV 6:0

Wer hohe Ansprüche einlöst, muß nachher nichts mehr erläutern

Werder Bremen handelt auf dem Spielfeld, Uli Hoeneß vor Kamera und Mikrofon; Roland Zorn (FAZ 3.5.) weiß, was er selbst bevorzugt: „Jetzt, da es um die Wurst geht, führt Uli Hoeneß, Sproß einer Ulmer Fleischerfamilie, wie gehabt das große Wort. Der Wurstfabrikant bleibt dazu im Boulevardbild der Woche, wenn er den Hamburger SV einer „Sauerei“ bezichtigt und den Vorwurf erhebt, der HSV habe sich „abschlachten“ lassen. An Grob- und Derbheiten hat es auch in den Tagen davor nicht gefehlt, als das „Schlachtfest“ von Bukarest verarbeitet wurde. Die Hamburger übernahmen im Weserstadion die Opferrolle von der deutschen Nationalmannschaft. Unverhofft hohe Niederlagen wie unglaublich deutliche Erfolge verursachen Hohn, Spott, aber auch Mißtrauen, und so hat Hoeneß eine Woche vor dem Gipfeltreffen mit den fast schon titelreifen Bremern einen letzten rhetorischen Kraftakt unternommen, die schlappen Hamburger nachträglich zu ohrfeigen und die vor Kraft und Selbstvertrauen strotzenden Bremer vielleicht doch noch einzuschüchtern. (…) Das Verfallsdatum großer Worte in der Bundesliga ist oft schon erreicht, kaum daß ein Satz zu Ende gesprochen worden ist. Auch deshalb wirken die Bremer derzeit so unangreifbar. Sie halten Wort, weil sie nicht mehr versprechen, als sie wirklich können: den derzeit besten Fußball im Land zu spielen. Wer hohe Ansprüche einlöst, muß nachher nichts mehr erläutern. Und auch keine Antwort auf provozierende Fragen geben. Das 6:0 von Werder über den Hamburger SV sprach für sich – das weiß auch Uli Hoeneß.“

Er macht sich nicht nur lächerlich, er ist noch ein schlechter Verlierer dazu

Thomas Kilchenstein (FR 3.5.) empfiehlt Uli Hoeneß Schweigen: „“Kompliment an den SV Werder Bremer. Sechs Stück gegen den HSV, das hätte ich ihm wirklich nicht zugetraut. Ich dachte, die Bremer würden nach der jüngsten Durststrecke ins Straucheln geraten. Nun müssen wir sie unbedingt schlagen, ein 1:0 würde mir schon reichen.“ Das hat Uli Hoeneß natürlich nicht gesagt: Nie, nie, nie im Leben würden ihm solche Worte, noch dazu kurz nach dem Abpfiff, über die Lippen kommen. Das ist ihm nicht gegeben. Dafür ist er nicht der Typ, er kann da nicht aus seiner Haut. Der Manager des FC Bayern München kämpft immer bis zur letzten Minute. Er kämpft einen einsamen, einen hoffnungslosen, einen fast aussichtslosen Kampf. Und er macht sich nicht nur lächerlich, er ist noch ein schlechter Verlierer dazu. (…) Sportlich, das ist die Krux, machen diese Bayern, die ihrerseits mit Hilfe eines krassen Fehlers ihres ehemaligen Torwarts und eines abgefälschten Schusses beim nun abgestiegenen Tabellenletzten mühevoll siegten, den kühlen Bremern kein bisschen Angst. Also bemüht Hoeneß Verschwörungstheorien, sieht eine schweigende Übereinkunft der beiden Nordlichter. Als die Bayern zum Schluss der Hinrunde mal 6:0 beim SC Freiburg siegte, hat da die Liga aufgestöhnt über eine angebliche Süd-Allianz? Doch Hoeneß wittert ein Komplott der halben Liga mit dem Ziel, den Bayern schnöde zu verwehren, was der mächtige Manager als (Fußball-)gottgegeben voraussetzt: Meister wird eh der FCB.“

Wahrheit ist, dass der HSV diese Saison Leistungen wie in Bremen immer wieder abgeliefert hat

Dass Bayern München sich offenbar auf den Hamburger SV angewiesen fühlt, legt Jörg Marwedel (SZ 3.5.) als Schwäche aus: „Nichts beschäftigt die deutschen Gerichte so sehr wie der „Krieg über den Gartenzaun“. Zu viele Nachbarn mögen sich nicht, was zu kleinen und großen Konflikten führt. Auch im Fußball ist das so. Schotten und Engländer, Holländer und Deutsche, Bremer und Hamburger – sie alle pflegen ihre speziellen Scharmützel, weil sie sich einerseits nah sind, andererseits aber ganz anders sein wollen. Einmal, in den achtziger Jahren, ist darüber sogar ein Werder-Fan zu Tode gekommen. Und wenn Gegner sich im Weserstadion die Sympathien verscherzt haben, müssen sie hören: „Ihr seid scheiße wie der HSV.“ Welche Gründe also sollte es geben, den demütigenden 6:0-Triumph der Bremer über die hanseatischen Rivalen in eine gewollte Nachbarschaftshilfe umzudeuten? Die gemeinsame Abneigung gegen die Macht der Bayern? (…) Der Wahrheit kommt man mit Verschwörungstheorien kaum näher. Eine Wahrheit ist, dass der HSV seit 20 Jahren dem Titel hinterher hechelt, weil es der Klub seither nicht geschafft hat, ein Team mit Charakter und Qualität aufzubauen. Wahrheit ist, dass der HSV diese Saison Leistungen wie in Bremen immer wieder abgeliefert hat, nur wurde er dafür nie so hart bestraft. Und vielleicht ist bald auch eine Wahrheit, dass Toppmöller an der Aufgabe zerbricht, diesem HSV eine neue Mentalität einzuimpfen.“

Ich glaube, dass Herr Hoeneß alt genug ist

Jan Christian Müller (FR 3.5.) staunt über die Gelassenheit der Bremer: “Es versteht sich von selbst, dass die Herren Schaaf und Allofs von Journalisten freundlich gebeten wurden, die Verschwörungstheorien des Bayern-Managers zu kommentieren. Ein klitzekleiner Streit über die ganze Republik hinweg wäre schließlich prächtig geeignet, eine Woche lang die Sportseiten zu füllen und die Fans in Rage zu bringen. Doch Allofs deutet bloß entspannt in Richtung DFB-Schiedsrichterausschuss und weist darauf hin, dass der Unparteiische nun sicher weiß, „dass er hellwach in ein solches Spiel gehen muss“. Und Schaaf ergänzt nur: „Ich glaube, dass Herr Hoeneß alt genug ist und weiß, in welcher Position er ist. Jeder kann sich seine Meinung zu solchen Aussagen machen. Das muss man nicht kommentieren.“ In noch weniger Worten von noch weiter oben herab kann man es nicht ausdrücken. Unterdessen sah sich der konsternierte Hamburger Trainer Klaus Toppmöller gezwungen, sich „bei allen Fans in Deutschland zu entschuldigen“. Selten hat man Toppmöller derart kurz angebunden erlebt. „Wir sind in der zweiten Halbzeit komplett eingebrochen“, stammelte der Fußballlehrer und zeigte sogar Verständnis für den Ärger der Bayern: „Das hatte mit Fußball nichts mehr zu tun.“ Man habe gesehen, so Toppmöller, „dass wir nur Mittelmaß sind“. Das, kein Zweifel, war gegenüber dem eigenen Personal rücksichtsvoll formuliert.“

Wenn unsere Mannschaft noch eine Motivationshilfe gebraucht hätte, dann hat es sie gratis aus München gegeben

Roland Zorn (FAZ 3.5.) ergänzt: „Auf eine irritierte Reaktion oder eine zumindest wütende Antwort hat Uli Hoeneß auch am Samstag vergeblich gewartet. Mochte der streitlustige Manager noch soviel Dampf in Richtung Hamburg und Bremen ablassen, rieben sie sich zumindest bei Werder nicht einmal die Augen. Nun gut, die Bayern wollen den Tabellenführer der Bundesliga am kommenden Samstag im Olympiastadion „wegfegen“ und „richtig niedermachen“, doch Angst hat der bullige Bayern-Matador damit nicht einem Bremer gemacht. „Wir konzentrieren uns auf uns“, hat Trainer Thomas Schaaf dem fuchtigen Münchner nobel entgegengehalten, „das muß man nicht kommentieren, das steht uns gut zu Gesicht und bringt sehr viele Sympathien.“ Hilfspunkte, die Werder Bremen eigentlich gar nicht mehr braucht, da der Spitzenreiter am Samstag selbst so etwas wie eine Kehraktion im Weserstadion veranstaltete. Die flotten Bremer Feger wischten mit dem 6:0-Triumph über den hilflosen, tatenlosen, willenlosen Hamburger SV ihre Restzweifel beiseite, daß der deutsche Meister Werder Bremen heißen wird. (…) Jedenfalls dienten die Hamburger bei der Bremer Generalprobe auf die bevorstehende große Meisterfeier an diesem Tag der Arbeitsverweigerung nur als seelenlose Dummies. De facto waren sie der große Spielverderber für die Münchner, die die Bremer jetzt auch in der Tordifferenz nur noch von weitem vorneweg eilen sehen; dem HSV deswegen vorsätzlich freundliche Nachbarschaftshilfe zu unterstellen wäre zuviel des Guten für diese untaugliche Mannschaft, die sich im Hoeneßschen Wortsinn „wegfegen“ ließ. „Jeder weiß“, tat Werders Sportdirektor Klaus Allofs jede mehrdeutige Anspielung als Unsinn ab, „wie gern uns der HSV im Nordderby ein Bein gestellt hätte, um sich mit seinen Fans zu versöhnen.“ Beinahe dankbar haben sie in Bremen die Münchner Zwischenrufe gehört. Störer Hoeneß? Klaus Allofs, der das Münchner Ballyhoo auch schon als Spieler erlebt hat, lächelte nur souverän und sagte: „Wenn unsere Mannschaft noch eine Motivationshilfe gebraucht hätte, dann hat es sie gratis aus München gegeben.““

Sie spielen pragmatisch und begeisterungslos

Philipp Selldorf (SZ 3.5.): „Der Manager drehte voller Vergnügen die große Runde durch die Interviewzone und versprach „ein ganz heißes Spiel“: „Wir müssen wenigstens zeigen, wer die beste Mannschaft in Deutschland ist. Vielleicht schießen wir ja drei, vier Stück – und dann wird“s noch mal lustig.“ Ein 1:0 oder 2:1 wäre nicht genug, „das bringt nichts“, meint er, „wir müssen die jetzt wegfegen“. Warum die Bayern vier Tore gegen Bremen schießen sollten, wurde in Köln allerdings nicht klar. Sie waren überlegen und gewannen verdient, aber ihr Auftritt wirkte, als würden sie eine ungeliebte Arbeit verrichten. Sie spielten pragmatisch und begeisterungslos, die hochbegabten Individualisten aus acht Nationen vereinten sich zu einer Mannschaft von schnöder Durchschnittlichkeit. „Schön gequält“ habe man sich wieder, meinte Kahn. In den zehn Minuten nach dem überraschenden Führungstor der Kölner tauschten die Bayern mit dem FC die Rollen. Der Absteiger beherrschte das Spiel, die Elf des Meisterklubs lief angstvoll umher – das waren „diese ganz gefährlichen Momente, wo wir viel zu viel nachgrübeln und uns hängen lassen“ (Kahn), ein oft erlebtes Motiv und ständiges Rätsel dieser Saison.“

Eine Erste-Mai-Demonstration der Fußballkunst, temporeich, launig, sehenswert

Benno Schirrmeister (taz 3.5.) fühlt die Meisterstimmung in Bremen: „Nach dem Spiel verwandelt sich Dönermeile vom Stadion Richtung Bremer Altstadt zum plaudernden Freiluft-Bistro. Die Vorgärten werden gedüngt, besonders intensiv diesmal, weil jedes Tor begossen sein will. Bierhaltige Stimmen intonieren Lieder von Meisterschaft und ausgezogenen Lederhosen, ja, ja, das Bayernspiel steht auch noch aus. Uli Hoeneß soll einen hohen Sieg der Münchner gefordert haben, na, aber da kann der gemeine Werder-Fan nur lachen. Vorausgesetzt er kann noch lachen, während er, die Meisterschale aus Pappe unterm Arm, den widerspenstigen Hosenstall zähmt. Na, ist denn Werder nicht gerade Meister geworden? Neunundzwanzig Sekunden dauerts. So lange braucht Ivan Klasnic, um den Hamburgern nach dem Anstoß den Ball abzujagen und von der Spielfeldmitte erstmals aufs Gästetor zu schießen. Keeper Tom Starke, der sein erstes komplettes Bundesliga-Spiel erlebt, ist etwas weit vorgelaufen. Jetzt springt er überrascht hoch. Uff, gerade noch erwischt die Kugel. Festhalten kann er sie nicht, bekommt sie schließlich aber doch unter Kontrolle. Das wird ihm selten genug gelingen während der Partie. Sie endet verdient mit 6:0 für die Heimmannschaft. Deren Keeper Andreas Reinke wird ein einziges Mal zu Strafraumakrobatik gezwungen: In der 70. Minute klärt er per Hechtsprung bei einer Rückgabe des eigenen Verteidigers Ismaël. Erwähnenswert ist die Eröffnungsszene nicht wegen Starkes Achtungserfolges, sondern wegen seiner Unsicherheit: Der Ball kam weder hart, noch platziert aufs Gehäuse – maximal war der Schuss ein Test für den letzten Mann. Und Starke fiel durch. Gut möglich, dass Werder damit den Hauptschlüssel zum Hamburger Tor entdeckt hatte. (…) Waren es didaktische Absichten? Hatte es persönliche Gründe? Bremen spielte in einer völlig anderen Liga als Hamburg. Doch das dürfte weniger an Werders Brillanz gelegen haben, als an der Selbstaufgabe des HSV. Das Gerücht eines Anti-Bayern-Solidarpakts im Norden hatte vor der Begegnung die Runde gemacht. Und Gästetrainer Klaus Toppmöller schien es nicht entkräften zu wollen: Rätselhaft bleibt sein Entschluss, nicht nur die Leistungsträger Rodolfo Cardoso und Bernardo Romeo auf der Bank zu lassen. Ausgerechnet gegen den Spitzenreiter probierte er den Newcomer im Tor aus. Starke rackerte, schwitzte, mühte sich. Und machte, wie jeder, der etwas tut, was ihn heillos überfordert, eine erkleckliche Anzahl von Fehlern. Die übrige Hamburger Abwehr wurde überhaupt nicht gesichtet. Was blieb, waren freie Räume, durch welche die Bremer lustvoll tobten. Eine Erste-Mai-Demonstration der Fußballkunst, temporeich, launig, sehenswert. Nein, es war kein Entscheidungsspiel: Beim Match in München wird sich Bremen den Titel holen, das steht fest. Für den Fan zumindest, so wahr sein Hosenlatz nach langem Kampf geschlossen ist.“

Das Streiflicht (SZ 3.5.) erkennt den entscheidenden Vorteil der Bremer: „Uli Hoeness wittert Verrat, aber darum soll es hier nicht gehen. Uli Hoeness wittert immer Verrat, wenn er nicht ganz oben steht, er kann nicht umgehen mit Niederlagen. Da wird er wild, lächerlich wild. Aber, er kann nichts machen in diesem Jahr, es ist wie verhext. Seine Bommelmütze, zur Weihnachtszeit getragen, bommelt den Konkurrenten aus Bremen keine Angst ein. Und von den gefletschten Nussknackerzähnen des Torwarts Kahn lassen sich die Bremer auch nicht wegbeißen. Die Bremer haben die beste Mannschaft und den allerbesten Glücksbringer, den es gibt. Ein Mensch als Maskottchen, wie Franz Müntefering für die SPD. Bei Werder Bremen heißt dieser Mann Ailton. Ailton Goncalves da Silva, Stürmer mit der Nummer 32, erfüllt alle Voraussetzungen, die einen Mann zum Maskottchen reifen lassen. Optisch kommt er, bestehend aus zwei Kugeln mit Beinen dran, einem Teddybären nahe, und inhaltlich zelebriert er seine Rolle als Symbol wie keiner vor ihm. Rasiert sich ein A ins kurze Haar überm fleischigen Nacken. Spielt in roten Stiefeln, wechselt aber, wie beim Sechsnull gegen Hamburg, in der Halbzeit auf blau. Mit blau hat er getroffen, das Stadion war eine rauschende Menge und er, der kleine Mann aus brasilianischen Baracken, war deren Zentrum. Fast schien er zu weinen, da riss er sich das Trikot vom Leib, bettete es auf den Platz, küsste die Raute, das Vereinssymbol. Wenn Ailton ausgewechselt wird, winkt er ins Publikum wie ein Staatspräsident auf seiner letzten Reise. Wenn er nach dem Spiel interviewt wird, sagt er: Ailton gutt, Familie gutt, alles gutt. Der Rest ist nicht zu verstehen. Ein Maskottchen muss ja nicht verstanden werden. Es muss gefühlt werden. Das ist ein großer Unterschied.“

1. FC Köln – Bayern München 1:2

Mit dem Abstieg steht fest, daß Overaths Revolte wirkungslos geblieben ist

Alles im Lot in Köln; Gregor Derichs (FAZ 3.5.) beschreibt die Kölner Lust am Untergang: „Als der dritte Abstieg nach 1998 und 2002 feststand, wollten Tausende Fans des 1. FC Köln das Stadion nicht verlassen. Die in den Umkleidekabinen verschwundenen Spieler wurden aufgefordert, auf den Rasen zurückzukehren. Der Anhang wollte die Mannschaft feiern. „Viva Colonia“ sangen die Fans voller Inbrunst und ließen den Absteiger – so etwas gibt es nur in Köln – hochleben. Das Publikum ist das fetteste Pfund des dreimaligen deutschen Meisters. Der dritte Abstieg sollte eigentlich mit aller Macht vermieden werden, da in dieser Saison das neue Stadion für die WM 2006 fertig wurde. Diese Arena mit den begeisterungsfähigen Fans sei das Faustpfand für eine baldige Rückkehr in die deutsche Spitze, lauteten die Visionen. Doch Anspruch und Wirklichkeit klaffen in der Domstadt oft auseinander – vor allem im Fußball. Vom ersten Spieltag an betrachtete der Klub mit dem Geißbock im Emblem die Tabelle von unten. (…) Geplant wird in der zweiten Liga mit einem Saisonetat von 24 Millionen Euro gegenüber etwa 36 Millionen in dieser Spielzeit. „Mit drei, vier Verstärkungen sieht es für die zweite Liga nicht schlecht aus“, sagt Marcel Koller, der weiter beschäftigt wird. Auch Sportdirektor Andreas Rettig wird bleiben. Er war zusammen mit Koller zwischenzeitlich auf Widerstände gestoßen, weil er das vorsichtige Wirtschaften des Präsidenten Albert Caspers umzusetzen hatte. Besser Schulden machen und viel Spaß haben mit ein paar Stars wie einst Allofs, Fischer, Littbarski oder Häßler, als ein Fahrstuhldasein zwischen Liga eins und zwei wie Bielefeld oder Nürnberg führen, lautet die Überzeugung etlicher klubinterner Kritiker. Denen gehörte bis zum März auch Wolfgang Overath an. Mit mächtigen Worten prangerte er das Unvermögen der Verantwortlichen und provinzielle Zustände beim FC an – bis er in die Vereinsführung integriert wurde. Seitdem ist der frühere Nationalspieler handzahm. Koller, dem er besonders auf die Finger schauen wollte, gewann Pluspunkte, auch weil er bekannte, Overath sei sein erstes Idol gewesen. Der neue starke Mann stellte auch dem zweifellos kompetenten Rettig ein gutes Zeugnis aus. Mit dem Abstieg steht fest, daß Overaths Revolte weitgehend wirkungslos geblieben ist. Lediglich Caspers, der frühere Vorstandsvorsitzende der Ford Deutschland AG, soll im November durch Overath abgelöst werden. Die Mahnung von Caspers aus der Vergangenheit, daß der Verein einen dritten Abstieg nicht überstehen werde, paßt nicht in eine Landschaft mit den höchsten Kirchtürmen dieser Welt. Im notorisch optimistischen Köln ist der Wiederaufstieg Pflicht, aber zugleich nur eine Etappe zu ganz großen Zielen.“

Isch kann misch nisch selber nominieren

Philipp Selldorf (SZ 3.5.) fordert Poldi für Rudi: „Podolskis Hereinplatzen in den deutschen Profifußball erinnert an das Erscheinen Olaf Thons vor 20 Jahren, als der 17-jährig das Regiment bei Schalke 04 übernahm (wenngleich in der Zweiten Liga) und durch drei Tore gegen den FC Bayern (beim 6:6 im DFB-Pokal) nationales Aufsehen erregte. Mit knapp 18 wurde er Nationalspieler. Wie damals Thon in Schalke verkörpert heute Podolski in Köln so viel Lokalkolorit, dass ihn das Publikum mit Liebe überschüttet. Fragen nach seinen Ambitionen auf einen Platz im Nationalteam begegnete er ungezwungen: „Was soll isch machen? Isch kann misch nisch selber nominieren.“ Wenn er es könnte, würde er es tun. Falsche Bescheidenheit ist ihm fremd, vergangene Woche sagte er, nun sei „Rudi“ am Zug, und Nationalkeeper Kahn verabschiedete er im Kölner Stadionkeller mit einem leutseligen Klaps, als der im TV-Interview gerade über den mentalen Zustand der Bayern-Elf philosophierte. „Tschau“ sagte Kahn dann souverän, aber irritiert, und auch er hätte nichts dagegen, Prinz Poldi in Portugal wiederzusehen.“

Es gibt da einen Pobolski, oder wie der heißt

Gregor Derichs (FAZ 3.5.) fügt hinzu: „In aller Munde war der junge Mann, nachdem die deutsche Nationalmannschaft in Rumänien ihr Waterloo erlebt hatte. Lukas Podolski, das sei doch einer, der die Offensivschwäche beheben könne, wenn schon der alte Martin Max nicht dazu zu bewegen sei, Ansprüche auf eine Nominierung für die Europameisterschaft zu erheben. Podolski, mit 18 Jahren gut halb so alt wie Max, ziert sich nicht, seinen Wunsch auf eine Berufung in den A-Kader des deutschen Fußballs eindeutig zu formulieren. „Ich muß nur meine Leistung bringen. Der Rest muß der Rudi machen“, sagt der Stürmer des 1. FC Köln. Mit dem Akkusativ hat der im Herbst aus der A-Jugend in die Kölner Profimannschaft beförderte Jüngling vielleicht Probleme, aber nicht mit dem Toreschießen (…) Ob die Lobpreisungen auf das vielleicht größte Sturmtalent seit vielen Jahren beim DFB wahrgenommen werden, ist indes fraglich. DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder sprach vor einigen Wochen von den Fortschritten in der Nachwuchsarbeit. Es gebe da „einen Pobolski oder wie der heißt“, sagte er.“

Was wird Ottmar Hitzfeld tun, nachdem feststeht, dass sein Vertrag nicht verlängert wird? Gregor Derichs (FAZ 3.5.) weiß es auch nicht: „Vier deutsche Meistertitel, zwei DFB-Pokalsiege, den Gewinn der Champions League und des Weltpokals feierte Hitzfeld seit 1998 mit den Bayern. Inzwischen steht das Verfallsdatum dieser Erfolgsära fest. Noch maximal eine Saison, dann folgt in der lange Zeit idealen Ehe zwischen den Bayern und dem Badener die Scheidung. „Es ist richtig, daß 2005 die Arbeit bei Bayern München beendet ist. Es war eine herrliche Zeit“, erklärte Hitzfeld vor der Abreise nach Köln. Daß der Abschied schon früher erfolgt, schließt er nicht aus. „Wenn ich das wirklich schaffe bis 2005 – es ist noch ein sehr langer Weg bis dahin –, dann war es eine hervorragende, angenehme Zeit mit dem nötigen Streß, dem nötigen Druck, aber auch mit herrlichen Erlebnissen, mit großartigen Erfolgen.“ Es hörte sich an, als ziehe der mit insgesamt 16 Titeln dekorierte, erfolgreichste deutsche Trainer eine Schlußbilanz. Aber das wird ihm Hoeneß, bei aller Freundschaft, nicht durchgehen lassen. „Wir werden mit Hitzfeld noch ein erfolgreiches Jahr hinlegen“, sagte der Manager, der sich mit dem 55 Jahre alten Badener vor zwei Wochen auf das vorgesehene Vertragsende am 30. Juni nächsten Jahres definitiv einigte. „Wir wollen nicht, daß er zum öffentlichen Gezerre wird und jeder über ihn diskutiert und in Frage stellt. Das hat ein Mann wie er nicht verdient“, erklärte Hoeneß [of: so, so.].“

1. FC Kaiserslautern – Borussia Mönchengladbach 2:2

Fremdenlegion in Fußballstiefeln

Für Kaiserslautern sehe es nicht gut aus, meint Martin Hägele (SZ 3.5.): „Wenn Minuten nach dem Abpfiff eines Fußballspiels im Fritz-Walter-Stadion mehr als die Hälfte der 47 018 Zuschauer vor ihren Sitzen stehen und auf den Rasen starren, obwohl dort kein Spieler mehr ist; wenn die Leute nicht mehr reden mit ihren Nachbarn, sondern schweigen wie ein Trauerzug hinterm Sarg; wenn man in den Augen dieser Menschen aber keine Tränen entdeckt, sondern Leere – dann stirbt wieder ein Stück Betzenberg. Es gibt wenig Hoffnung für die „Roten Teufel“, weil im Verein kaum noch Energien spürbar sind. Weder bei den Spielern, noch beim Trainer oder dem Vorstand. Kurt Jara lief nach der Pressekonferenz einfach davon, wollte nichts mehr sagen. Rene C. Jäggi war anzumerken, dass seine optimistischen Parolen Worthülsen waren. (…) Klubchef Jäggi dürfte weiterhin laut vorrechnen, dass der Abstieg eingedenk der Heimstärke kein Thema sei. Doch ohne den Nimbus vom Teufelsberg ist Jaras Kader mehr oder weniger eine Fremdenlegion in Fußballstiefeln, deren sportliche Qualitäten der neue Sportchef bei seiner Antrittsrede vor zwei Monaten richtig eingeschätzt hat: Bis zum letzten Spieltag müsse man gegen den Abstieg kämpfen. Trotzdem ist dem Trainer anzulasten, mit seinen Personalwechseln die Zeichen in die verkehrte Richtung gesetzt zu haben. Für den temperamentvollen Portugiesen Dominguez etwa durfte nach einer Stunde der Pole Kosowski ran, ein Mann, der bislang nicht durch besonderen Mumm aufgefallen und beim Pfälzer Publikum längst unten durch ist. In der 86. Minute machte Lokvenc für Mettomo Platz, „weil er eine Muskelverhärtung anzeigte“ (Jara). Statt des torgefährlichsten FCK-Angreifers also ein Verteidiger, auf einer Position, die es zuvor im Spiel gar nicht gegeben hatte. Mit Psychologie oder gar Taktik hatte der Wechsel nichts zu tun. Als der Verteidiger aus Kamerun am Spielfeldrand auftauchte, demonstrierte Jara damit öffentlich seine Angst. Denn so wie der FCK-Trainer diese Partie durch verhaltene Körpersprache und exzessive Vorsicht verloren hat, hat Kollege Holger Fach das Spiel gewonnen. Der ehemalige National-Libero dirigierte sein Team immer nach vorne. In entscheidenden Phasen ist Fußball halt doch ein Kopfspiel.“

Die Teufelchen zogen sich verzagt an den eigenen Strafraum zurück

Peter Heß (FAZ 3.5.) sieht das ähnlich: „Die Pfälzer müssen sich fragen lassen, gegen wen sie in dieser Saison noch gewinnen wollen. Auswärts ernten sie schon lange keine Punkte mehr, höchstens noch Mitleid. Von der lange gepriesenen Heimstärke ist auch nicht mehr viel geblieben, sogar bei günstigsten Rahmenbedingungen. Ermutigender als die Partie gegen die Borussen kann ein Fußballspiel nicht verlaufen für eine Mannschaft. Und dennoch schafften es die Lauterer nicht, ihre Nerven in den Griff zu bekommen und den Sieg zu sichern. Halil Altintop hatte schon in der 3. Minute sein erstes Bundesligator erzielt und seine Lauterer auf den richtigen Weg gebracht. Als die stabilisierende Wirkung der Führung nachließ, Gladbach vor dem Ausgleich stand, legte Hristow nach. Zwei Minuten nach der Pause schoß er das 2:0. Doch die Wohlfühlphase dauerte nur wenige Augenblicke. Dann düpierte der Gladbacher Mittelfeldspieler Broich den Lauterer Torwart Wiese mit einem Weitschuß ins kurze Eck. Prompt wackelte Kaiserslautern bedenklich. Dann aber kam dem FCK sogar noch der Gegner zu Hilfe. Borussen-Innenverteidiger Obradovic provozierte durch ein selten unbedachtes Verhalten eine Gelb-Rote-Karte und verdammte seine Mannschaft dazu, in Unterzahl weiterzuspielen. Der Verteidigungsspezialist rückte nach einem Freistoßpfiff den Ball nicht heraus, obwohl er wegen eines Fouls an Lokvenc schon verwarnt worden war und ihn der Unparteiische mehrmals unmißverständlich zur Herausgabe des Spielgeräts aufgefordert hatte. Daß dann zehn Borussen elf Lauterer von einer Verlegenheit in die nächste stürzten, sagt alles über die Verfassung der Rote Teufel genannten Fußballprofis aus der Pfalz. Die Teufelchen zogen sich verzagt an den eigenen Strafraum zurück, um den Vorsprung zu verteidigen, anstatt, ihre Überzahl nutzend, früh anzugreifen und die Gladbacher weit weg vom eigenen Tor zu halten.“

Borussia Dortmund – Hansa Rostock 4:1

Richard Leipold (FAZ 3.5.) schildert Torsten Frings’ Priorität: “Eigentlich wollte Torsten Frings die Gerüchte um einen Wechsel zum FC Bayern nicht mehr kommentieren. Deshalb werde er „überhaupt nichts dazu sagen“, kündigte der Dortmunder Mittelfeldspieler an, der beim 4:1 über Hansa Rostock wieder einmal Taten hatte sprechen lassen. Kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, ließ er einen längeren Monolog zum vermeintlichen Tabuthema folgen. „Ich habe immer gesagt: Wenn Borussia Dortmund mich verkaufen muß, dann möchte ich zu Bayern München wechseln.“ So weit nichts Neues. Doch dann rutschte ihm ein Satz raus, der ihn in Erklärungsnot brachte. „Wenn das nicht der Fall sein sollte, werde ich wohl hierbleiben müssen.“ Das letzte Wort dieses Satzes verlieh einer zunächst harmlosen Stellungnahme etwas Entlarvendes. „Hast mich gut gelockt“, sagte Frings dem Reporter. Wenn der Siebenundzwanzigjährige bei der Borussia bleibt, dann also nur, weil er bleiben „muß“. Der Dortmunder Sportmanager Michael Zorc reagierte auf die Bemerkung des derzeit wirkungsvollsten BVB-Profis mit Vorwürfen in Richtung der Münchner, die längst kein Geheimnis mehr daraus machen, daß sie den noch bis 2006 an Dortmund gebundenen Frings gerne zur nächsten Saison unter Vertrag nähmen. „Da haben die Bayern ganze Arbeit geleistet“, schimpfte Zorc, Vor einigen Wochen habe der Umworbene „noch ganz anders gesprochen“. Vor seinem verbalen Irrläufer hatte Frings auf dem Rasen des Westfalenstadions abermals vorgeführt, warum Trainer Matthias Sammer ihn für unentbehrlich hält.“

SC Freiburg – Hannover 96 4:1

Michael Hohlwein (FAZ 3.5.) berichtet: „Leise entfernte sich der Hannoveraner Wladimir But aus dem Dreisamstadion. Dort hatte er zweieinhalb Jahre gespielt, ehe sein Vertrag im Sommer 2003 nicht verlängert wurde. Der ehemalige Dortmunder, von früheren Trainern als „größtes Talent in Europa“ bezeichnet, hielt sich ein halbes Jahr beim hessischen Oberligaklub Borussia Fulda fit, weil ihn kein Profiverein mehr haben wollte. Im Winter holte ihn Ralf Rangnick zu 96. Dort war er zu zwei Kurzeinsätzen gekommen, die sich auf 33 Minuten addierten. Seit Ewald Lienen Anfang März das Traineramt von Rangnick übernommen hat, war der Russe keine Sekunde mehr berücksichtigt worden. In Freiburg jedoch setzte Lienen auf den „Ich will es allen zeigen“-Effekt und brachte den Sechsundzwanzigjährigen statt des zuletzt formschwachen Clint Mathis als offensiven Mittelfeldspieler zum Einsatz. Aber But überdrehte im Bemühen, ein Tor zu erzielen, war ständig und viel zu früh in der Spitze zu finden. Und dort steht ein Spieler, der alles andere als sprintstark oder antrittsschnell ist, auf verlorenem Posten.“

Teile der Basis sind es leid, immer nur der sympathische Außenseiter zu sein

Malte Oberschelp (SZ 3.5.) beschreibt den Wandel der Freiburger Fankultur: „Aus Sicht des SC Freiburg sah der größte anzunehmende Unfall beim Spiel gegen Hannover 96 so aus: Freiburg verliert, rutscht in den Tabellenkeller, und Vladimir But schießt zwei Tore. But war während seiner Freiburger Zeit Publikumsliebling, obwohl er einen Großteil davon auf der Bank verbrachte. Das ist erstaunlich, doch in Freiburg steckt hinter der Unterstützung eines Spielers oftmals Kritik am Trainer. Die Leute riefen „Buuut!“ und meinten: „Warum spielt er so wenig, wo wir doch ein schlampiges Genie entbehren müssen und auch einmal über die Geistesblitze eines Klassekickers jubeln wollen, anstatt Woche für Woche diese oberlehrerhaften Kurzpässe anzuschauen?“ (…) Von Euphorie war rund um das Dreisamstadion allerdings wenig zu spüren. Auf das Team war wenig Verlass, es schlug daheim außer Bremen und Bayern fast jeden, und brach auswärts regelmäßig ein. Nur mancherorts wird noch gemunkelt, man bekäme ohnehin keine Karten, tatsächlich waren die Heimspiele oft nicht ausverkauft. Die Erwartungshaltung der Fans ist gestiegen. Man zittert nicht mehr um den Klassenerhalt wie in den frühen Bundesligajahren, sondern nimmt ihn zur Kenntnis. Das Modell Freiburg wird von Intellektuellen gelobt, aber Teile der Basis sind es leid, immer nur der sympathische Außenseiter mit dem kleinen Budget zu sein. So ist das Verhältnis von Mannschaft und Publikum durch Misstrauen belastet. Wechselseitig wird Leistung eingefordert, und man argwöhnt, die eigene Arbeit werde nicht gewürdigt. Beim 0:3 in Frankfurt schafften es ein paar Ultras mit „Finke raus“ und „Absteiger“-Rufen ins Dritte Fernsehprogramm, und während des Spieles gegen Hannover wurden nicht wie sonst die Zwischenstände der anderen Partien gezeigt. Unklar blieb, ob die Nerven der Spieler geschont werden sollten, oder man ein negatives Feedback von den Rängen fürchtete.“

1860 München – Bayer Leverkusen 1:1

Statt paramilitärischer Ordnung, die jede Individualität abwürgt, baut Vanenburg auf Eigenständigkeit

Gerald Kleffmann (SZ 3.5.) deutet die Aussagen der Münchner Spieler über die zwei Trainer Vanenburg und Götz zuungunsten Götz’: „„Wir werden uns bis zur letzten Sekunde wehren“, fasste Torben Hoffmann die Botschaft seiner Tat in Worte. Der fleißige Harald Cerny bestätigte: „Der Wille ist zu hundert Prozent da.“ Ja – wo war er denn vorher? Auch schon da, präzisierte der Mittelfeldspieler eilig. Aber in der Umsetzung hatte es meist gehapert – womit sich ein interessantes Thema auftut: die Arbeit von Falko Götz. Die Art, wie es Vanenburg versteht, mit der nach seinen Worten „verunsicherten Mannschaft“ umzugehen, offenbart die Defizite im Schaffen des vorherigen Trainers. „Er gibt uns Freiheiten“, erklärte Cerny den Unterschied. Freiheiten, auch mal aus einer ungünstigen Lage aufs Tor zu zielen. Selbstvertrauen, Respekt, Freude sind weitere Begriffe, die penetrant im Zusammenhang mit dem ehemaligen niederländischen Nationalspieler und Löwen-Profi fallen. Bei Götz? Klingt das so: „Dazu möchte ich mich nicht äußern“ (Andreas Görlitz) – „Über den Trainer möchte ich nichts Schlechtes sagen“ (André Lenz, der Michael Hofmann ab der 62. Minute im Tor vertreten musste; Hofmann erlitt eine Zerrung). Positives sagt aber auch keiner. Cerny versicherte: „Dieses Thema ist abgeschlossen.“ Götz, die Trainer-Fata-Morgana, hat sich aufgelöst im Nichts bei 1860. Aus guten Gründen. Er hat mehr Schaden im Team angerichtet als angenommen. Während er den tschechischen Nationalspieler Tyce ganz, den pitbulligen Agostino lange verschmäht und Talent Benjamin Lauth meist despektierlich behandelt hatte und so Stammkräfte zu formschwachen Mitläufern formte, spricht Vanenburg die Sprache der Spieler. Tyce und Cerny blühen plötzlich auf. „Gerald ist näher dran an uns“, sagt ein Profi. Statt paramilitärischer Ordnung, die jede Individualität abwürgt, baut Vanenburg auf Eigenständigkeit. „Er hebt sich nicht von uns ab“, sagt der Profi. Götz stellte sich gerne über das Team, pflegt bis heute eine eigene Homepage und wies dort in seiner Kolumne daraufhin, man habe ihn „auf einem Nichtabstiegsplatz“ entlassen.“

Elisabeth Schlammerl (FAZ 3.5.) ergänzt: „Unter Vanenburgs Regie hat sich der TSV 1860 zwar nicht spielerisch weiterentwickelt, aber Kombinationsfußball und technische Feinheiten helfen im Abstiegskampf ohnehin nur bedingt weiter. Der Holländer hat es immerhin geschafft, aus einem verunsicherten, leidenschaftslosen Team innerhalb von wenigen Tagen eine Mannschaft zu formen, die den Glauben an sich wiedergefunden hat, die sich vehement wehrt, kämpft und mit aggressivem Spiel sogar einen Gegner wie Leverkusen beeindruckt. Oft ist das den „Löwen“ in den Duellen mit Spitzenmannschaften nicht gelungen in dieser Saison. Aus den zwölf Spielen gegen die ersten sechs der Tabelle haben sie nur fünf Punkte gewonnen, zwei davon gegen das Team von Klaus Augenthaler. Mit einem derart forschen Auftritt des Tabellen-Sechzehnten hatte Bayer offenbar nicht gerechnet. „Ich denke, die waren ein bißchen überrascht“, sagte Agostino, der in der vierten Minute das 1:0 für „Sechzig“ erzielt hatte. Bei der ersten Aktion der Münchner im Strafraum habe sich seine Abwehr „angestellt wie eine Schülermannschaft“, findet Trainer Klaus Augenthaler. „Da haben wir ein bißchen blöd ausgeschaut“, gab auch Nationalspieler Carsten Ramelow zu – und das traf vor allem auf ihn zu.“

VfL Wolfsburg – Eintracht Frankfurt 1:0

Ingo Durstewitz & Frank Hellmann (FR 3.5.) sehen gute Frankfurter: „Eintracht Frankfurt, der designierte Absteiger, ist am Samstagnachmittag im niedersächsischen Retorten-Städtchen, wo 2001 der zweite Abstieg der Frankfurter besiegelt worden war, dem neuerlichen Sturz aus der Bundesliga ein gutes Stückchen näher gerückt, weil der hessische Neuling vier Spieltage vor der Abrechnung eine Bundesligapartie verloren hat, die er nie und nimmer hätte verlieren dürfen. Alle statistischen Erhebungen sprachen nach den 90 Minuten für die leidenschaftlich rackernde Frankfurter Elf. Sie schoss achtzehn Mal aufs Tor (Wolfsburg zwölf Mal) und erarbeitete sich 55 Prozent Ballbesitz. Das haben in Wolfsburg, für gewöhnlich eine Macht im neuen Schmuckkästchen, noch nicht viele Mannschaften geschafft. „So viele Spielanteile hatten wir noch nie in dieser Saison“, resümiert Trainer Willi Reimann. Die Eintracht hat die erschreckend schwachen Wölfe mit Mann und Maus verteidigen lassen, hat die normalerweise spielerisch eleganten Niedersachsen zu tumben Befreiungsschlägen über 60, 70 Meter gezwungen, hat dafür gesorgt, dass deren bester Spieler, der Stürmer Diego Fernando Klimowicz, sich als Turm in der Abwehr profilieren durfte, hat das Publikum zu Pfiffen gegen die eigenen Mannschaft genötigt und Fernando Baiano sogar zur provozierenden und mit Gelb bestraften Zeitverzögerung bei seiner Auswechslung getrieben. „Na und?“, blafft Eintracht-Stürmer Ioannis Amanatidis im Bauch des Glaspalasts konsterniert und schließt eine rhetorische Frage an: „Was hat es uns gebracht?“ Null Punkte und Aussichten, die kaum zu übertriebener Hoffnung Anlass geben.“

morgen auf indirekter-freistoss: die Spiele vom Sonntag in Stuttgart und Schalke

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