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Florett, nicht Säbel

Oliver Fritsch | Dienstag, 1. Juni 2004 Kommentare deaktiviert für Florett, nicht Säbel

Ottmar Hitzfeld beweist seine Diplomatie in einem Interview (Tagesspiegel am Sonntag) über seinen Rauswurf bei Bayern München und rechnet mit dem Florett ab, nicht mit dem Säbel: „Hat nicht jeder das Recht, sich mal zu irren?“ – Zweifel an der Anziehungskraft Bayern Münchens (FAZ) – Kritik an der Öffentlichkeitsarbeit der Bayern, Stuttgarter und Dortmunder: „Lügen sind im Profifußball Geschäftsgrundlage“ (FR) – Bert Marwijk, Dortmunds Neuer, soll „einer seelenlosen Söldnertruppe das Negativ-Image abstreifen“ (FTD) – Stéphane Chapuisat spielt zum 100. Mal für die Schweiz – Claudio Ranieris Abgang u.v.m.

Hat nicht jeder das Recht, sich mal zu irren?
Interview mit Ottmar Hitzfeld im Tagesspiegel am Sonntag (30.5.)

TspaS: Wenn der Vorstandsvorsitzende Rummenigge Sie (bei der Verabschiedung) in den Arm genommen hätte, hätten Sie die Vereinnahmung abgewehrt? Der hat Sie in den letzten Wochen immerhin schwer gemobbt.
OH: Nein, nein, ich hätte ihn auch umarmt. Ich bin ja ein dankbarer Mensch, und wir haben gemeinsam etwas erreicht, da dürfen die letzten Wochen nicht zählen. Außerdem wurde ich nicht überrascht. Ich kenne den FC Bayern und sein Führungspersonal seit sechs Jahren.
TspaS: Man hat Sie hingehalten, man hat hin- und herlaviert, mal sagte Präsident Franz Beckenbauer, Sie könnten bis 2020 bleiben, dann hat er Sie öffentlich demontiert. Bei Ihrer Verabschiedung im Stadion ist er nicht einmal zu Ihnen auf den Rasen gekommen.
OH: Es gibt Hierarchien beim FC Bayern, und nach denen hat der Vorstandsvorsitzende die Verabschiedung vorzunehmen. Der heißt nun mal Rummenigge. Beckenbauer ist ja vom Aufsichtsrat gerüffelt worden, dass solche Aussagen kein zweites Mal vorkommen dürfen, dass es nicht sein kann, dass der Aufsichtsrat Entscheidungen trifft, die dann ausgeplaudert werden. Mit denen kann man so ein Spielchen nicht machen. Beckenbauer hat mir am Abend bei einem Abschiedsessen gesagt, dass er meine Demontage in dem Fernsehinterview nicht so gemeint habe. Ich akzeptiere das.
TspaS: Wir glauben Ihnen kein Wort.
OH: Das akzeptiere ich auch.
TspaS: Dass Torwart Oliver Kahn nach dem letzten Spiel beim Defilee der Spieler als Einziger fehlte, das ist demnach auch völlig in Ordnung.
OH: Ja, wir hatten immer ein super Verhältnis, er war meine Vertrauensperson in der Mannschaft. Ihm geht es auch nicht so gut derzeit, er ist angespannt.
TspaS: Wenn wir auf einer etwas emotionaleren Ebene zusammenfassen dürfen: Teile des FC Bayern verabschieden sich vom erfolgreichsten Trainer seiner Vereinsgeschichte auf unschöne und undurchsichtige Art und Weise. Und Sie finden das in Ordnung.
OH: Ob ich das in Ordnung finde, ist doch eine völlig unerhebliche Frage. Ich bin Profi und zu diesem Dasein gehören Niederlagen. Mit denen muss man leben und darf durch sie nicht verbittern.
TspaS: Sie können wohl nicht anders.
OH: Nein. Und ich will es auch nicht. Der FC Bayern ist ein Klub, der unter Erfolgsdruck steht. Der FC Bayern muss immer gewinnen, er muss viele Titel holen. Das sind keine Ziele, die ein Trainer sich hier setzt, das sind klare Aufträge, und wenn diese Aufträge nicht erfüllt werden, muss man eben gehen. Das ist wie in der Wirtschaft, das ist einfach so. Warum also sollte ich verbittert sein?
TspaS: Weil das Scheitern des FC Bayern in dieser Saison ja auch fachliche Gründe haben könnte.
OH: Ja, man könnte die Situation auch fachlich analysieren. Dann würde man feststellen, dass unsere kreativen Spieler Sebastian Deisler und Mehmet Scholl lange krank und verletzt waren, dass andere wie Michael Ballack ohne solche kreative Unterstützung nicht recht zur Geltung kommen. Wenn Deisler durchgespielt hätte in dieser Saison, wäre ich nicht entlassen worden, sondern wir wären Meister geworden. Man könnte feststellen, dass der Kader eben nicht der beste ist, den der Klub je hatte. Das hatte es zu Beginn der Saison geheißen und war schon damals grundfalsch.
TspaS: Wie kann der geballte Fußball-Sachverstand des FC Bayern zu dieser Fehleinschätzung kommen?
OH: Hat nicht jeder das Recht, sich mal zu irren? Schauen Sie, der FC Bayern ist ein extremer Verein. Nur Siege helfen dir, als Trainer zu überleben. Man wird ja nicht geschützt, man kann nicht in Ruhe etwas aufbauen, bei jeder Kleinigkeit stürzt alles wieder ein. Wenn man neue Spieler kauft, weiß man nicht, wie sie mit der Presselandschaft zurechtkommen. Deshalb haben wir einige Tageszeitungen nicht mehr in der Kabine ausgelegt, damit die Spieler nicht so viel lesen.
TspaS: Vor einem Jahr schied Bayern in der Champions-League-Vorrunde aus. War da ein Bruch zu spüren zwischen dem Verein und Ihnen?
OH: Bruch ist ein zu starkes Wort. Man merkt als Trainer den Grad des Rückhaltes, den man hat. Trainer stehen schnell in der Kritik besonders der Boulevardpresse – da ist es in der damaligen Situation nicht immer allen gelungen, Ruhe zu bewahren. Der Verein war enttäuscht, der Verein muss ja schwarze Zahlen schreiben, hat 170 Millionen Umsatz im Jahr, der braucht die Einnahmen aus der Champions League.
TspaS: Der Verein hat immer Recht?
OH: Die Führung hat immer funktioniert. Erst kommen in so einer Situation die Spieler unter Druck, dann der Trainer, dann das Präsidium und der Vorstand. Da kommt leicht Nervosität auf.
TspaS: War es von Ihnen ein Fehler weiterzumachen?
OH: Eindeutig nein. Meinen Rücktritt hatte ich schon 2001 angeboten, auf dem Flug von München nach New York, wo wir zwei Spiele hatten. Das hatte der Verein kategorisch abgelehnt und gesagt, nein, wir stehen zu dir, auch wenn jetzt schwierige Zeiten kommen. Sonst hätte ich Schluss gemacht, so aber hatte ich einen Auftrag, und ich breche meinen Vertrag nicht, wenn der Vertragspartner nicht einverstanden ist.
TspaS: Entschuldigen Sie, Sie sprechen von 2001?
OH: 2001, ja, nach dem Gewinn der Champions League. Da war ja klar, dass wir den Triumph in den nächsten zwei, drei Jahren nicht wiederholen könnten. Nach so einem großen Erfolg müsste man zwei Drittel der Mannschaft auswechseln, wie es Juventus Turin immer gemacht hat. Das geht in Deutschland nicht, da sind die Spieler Götter, das ist auch gut so. Man muss als Trainer den Rückhalt haben für den behutsamen Aufbau eines neuen Teams.
TspaS: Den Rückhalt haben Sie in Stufe zwei, im Jahr des Misserfolges, nicht ausreichend gespürt?
OH: Doch, doch. Der Uli Hoeneß ist ja Kämpfer an der Front, der immer mit auf der Bank sitzt, der mitbekommt, welche Emotionen mitspielen, wie viel Stress man ausgesetzt ist, der stand immer voll hinter mir. Wir haben jetzt nicht die tiefe Freundschaft, wir haben abends im Trainingslager beieinander gesessen, haben eine Flasche Rotwein getrunken und geplaudert. Da ist eine Beziehung entstanden, die gab mir Kraft, weiterzumachen und meinen Auftrag zu erfüllen. 2002 war ein Jahr der Misserfolge, ein Jahr ohne Titel. Im Viertelfinale der Champions League gegen Real Madrid ausgeschieden, Halbfinale des DFB-Pokal, 90. Minute, Rote Karte Kuffour, Verlängerung, ausgeschieden. Und in der Meisterschaft fehlte ein Punkt auf Dortmund. Aber es war ein finanziell gutes Jahr. Im Jahr darauf haben wir das Double geholt, die Meisterschaft und den Pokal, doch die Enttäuschung über das Aus in der Champions League wog schwerer. Double: Das hat man in der Vereinsgeschichte, in 100 Jahren, erst vier Mal gewonnen, ein grandioser Erfolg, den haben wir vielleicht nicht entsprechend in der Öffentlichkeit dargestellt. Da haben wir uns selbst geschädigt.
TspaS: Wir haben richtig verstanden: Sie sagten, Uli Hoeneß stand immer hinter mir. Und die anderen?
OH: Es ist doch klar und befruchtend, dass es unterschiedliche Meinungen in einem Verein und im Vorstand gibt. Es hat nicht jeder die gleiche Mentalität und Erziehung. Das hat man zu akzeptieren. Was würde eine öffentliche Klarstellung und Rechtfertigung bringen? Wenn ich sage, dass wir gar nicht so einen starken Kader haben, dass wir Verletzte haben und Kranke, dass Amateure auf der Bank sitzen, schwäche ich die, die verblieben sind. Das ist wie in jedem Betrieb, man hat nicht 20 Spitzenkräfte, aber ich muss die Schwächeren stärken. Was ernte ich mit so einer Rechtfertigung? Ein bisschen Verständnis in der Öffentlichkeit, aber meinen Auftrag erfülle ich nicht.
TspaS: Sie verlassen Bayern als Sieger eines Schachspiels…
…bei dem ich nicht mitgemacht habe. Ich habe ja nichts gewusst.
TspaS: Sie haben mitgespielt! Als Felix Magath erstmals im Gespräch war und die Spieler seines VfB Stuttgart maßregelte, haben Sie erwähnt, dass Sie Spieler niemals stramm stehen lassen würden. Ein Schachzug.
OH: Mmh, vielleicht. Ich bin ein anderer Mensch, ich würde manches nicht tun, was Magath gemacht hat. Als ich in Aarau war, bekam ich ein Angebot von Servette Genf und sagte dem Präsidenten der Genfer, dass ich eine Konventionalstrafe im Vertrag stehen hätte von 500 000 Franken. Der sagte nur: „Na und, was noch?“ Aber ich mache so etwas nicht. Magath hat vor einem Jahr mit Schalke 04 geflirtet, jetzt mit Bayern sehr offen verhandelt. Das fällt auf einen zurück, das merken sich die Fans.
TspaS: Hoppla, das sind ja Emotionen. Sie sind sauer auf Ihren Nachfolger.
OH: Nein, er wird das hier schon schaffen. Er ist ja auch Schachspieler.

of: ‚Wie rechne ich diplomatisch ab?’ Lektion für Fortgeschrittene

Ballacks Entfremdung ist kein Einzelfall mehr

Michael Horeni (FAZ 2.6.) bezweifelt die Anziehungskraft Bayern Münchens: “Wenn man es nicht genau wüßte, daß sich die Nationalspieler auf die Europameisterschaft vorbereiten, könnte man meinen, im Schwarzwald befände sich nicht das Trainingslager, sondern das deutsche Transferlager. Zwei Wochen vor der ersten Begegnung gegen Holland sind die Anführer des WM-Zweiten nicht nur darauf bedacht, sich für den Sommer in Portugal körperlich in Form zu bringen, sie wollen sich auch gleichzeitig mit Sturm und Drang für die Zeit danach in Position bringen. (…) Torsten Frings wird sich bei der Nationalmannschaft mit den dazugehörigen Münchner Experten insgeheim vielleicht auch fragen, ob der FC Bayern tatsächlich noch so eine grandiose Wahl sei. Denn die Bayern-Begeisterung unter den prominentesten Arbeitnehmern des Klubs scheint sich doch ein wenig verflüchtigt zu haben – um nicht zu sagen: Die Stars befinden sich auf der Flucht. Seit vielen Monaten verfestigt sich der Eindruck, daß sich Michael Ballack und die Bayern besser nie gesucht und gefunden hätten. Eine Herzenssache wurde aus dieser Beziehung jedenfalls nicht, und es wäre keine Überraschung, wenn dieses Mißverständnis zwischen dem besten deutschen Spieler und dem größten deutschen Klub schon vor der Zeit und damit bald beendet würde. Die Bayern haben sich jedenfalls schon nach einer neuen Mittelfeld-Deco beim FC Porto umgeschaut, der FC Barcelona hat Interesse an Ballack, und so könnte eins zum anderen finden. Aber Ballacks Entfremdung ist offensichtlich kein Einzelfall mehr, seitdem über Pfingsten auch Oliver Kahn wieder ein Stück Distanz zwischen sich und den FC Bayern gelegt hat.“

of: Liebe Fußball-Profis: Wie erobere ich die Herzen von Millionen? Wie poliere ich mein Image in der Fußball-Öffentlichkeit? Es ist so einfach – mit dem Satz: „Ich würde niemals zum FC Bayern gehen!“

Lügen sind im Profifußball Geschäftsgrundlage

Wolfgang Hettfleisch (FR 2.6.) hadert mit der Öffentlichkeitsarbeit der Bayern, Stuttgarter und Dortmunder: „Lügen sind im Profifußball Geschäftsgrundlage. Als Felix Magath bereits mit einem Vertrag beim FC Bayern für 2005 ausgestattet war, sagte er noch gewunden, er wolle nicht von Stuttgart nach München wechseln. Und VfB-Präsident Erwin Staudt versicherte sodann, Matthias Sammer stehe mitnichten ante portas; woraus wir schließen dürfen, dass bei der Ad-hoc-Einigung zu Pfingsten unmittelbar nach Sammers Demission beim BVB der Heilige Geist im Spiel gewesen sein muss. Als die Domino-Theorie (Magath für Hitzfeld, Sammer für Magath, Hitzfeld auf Abruf für Völler) vor zwei Monaten aufgekommen war, jaulten die unmittelbar und mittelbar Betroffenen auf. Frei nach Völler: Sie konnten den Scheiß nicht mehr hören. Wie wir nun wissen, waren das die Reflexe ertappter Hinterzimmer-Diplomaten. Nichts gegen Vertraulichkeit. Man kann ja mit Trainerkandidaten nicht auf dem Marktplatz verhandeln. Und dass irgendwo immer ein Leck ist, aus dem Insider-Informationen tropfen, stärkt auch nicht gerade die Wahrheitsliebe der Fußballbosse. Als zwei Journalisten Ende vorigen Jahres haarklein die finanzielle Schieflage bei Borussia Dortmund dargelegt hatten, kündigte der Club erst juristische Schritte an, um dann peu-à-peu einzuräumen, was die solide Recherche an den Tag gebracht hatte. Und der FC Bayern staunte selbst am meisten über seine geheimen Millionenverträge mit Leo Kirch. War sowieso alles ganz anders. Ehrlich!“

Ob er ein Top-Trainer ist, wird sein nächster Klub zeigen

Die FAZ (2.6.) stellt den neuen Dortmunder Trainer vor, Bert Marwijk: „Die Dortmunder haben ihren neuen Fußball-Lehrer schon 2002 ein bißchen kennengelernt, als Feyenoord das Endspiel um den UEFA-Pokal gegen den BVB 3:2 gewann. Der in 390 Ligaspielen für die Namenlosen der „Eredivisie“ bewährte Abwehr- und Mittelfeldspieler machte als Trainer den langen Marsch durch die Niederungen, ehe er die große Chance bei Feyenoord Rotterdam erhielt. Noch in der Stunde seines größten Erfolges beklagte er die frustrierende Situation, stets die besten Spieler (wie Dudek, Tomasson, van Hooijdonk) abgeben zu müssen, weil Feyenoord im internationalen Marktvergleich nicht konkurrenzfähig sei – eine Verkaufssituation, wie er sie nun auch in Dortmund vorfinden wird. Unter van Marwijk wurde die Chancenlosigkeit von Feyenoord in der niederländischen Meisterschaft zementiert. In den letzten drei Jahren hat der Klub, der 1970 unter Ernst Happel als erster Verein aus Mitteleuropa den Europapokal der Landesmeister gewann und zuletzt 1999 Meister war, gegenüber dem alten Rivalen Ajax Amsterdam und dem PSV Eindhoven nur noch die Rolle des „ewigen Dritten“ gespielt. Van Marwijk ist kein Startrainer. Sein Name kam nie ins Gespräch, wenn wieder einmal ein Nationaltrainer in Frage gestellt wurde. Seit er bei Fortuna Sittard Berufsanfänger wie van Bommel, Bouma und Hofland zu Nationalspielern machte, steht er im Ruf, ein Händchen für junge Spieler und ein Faible für den Offensivfußball zu haben. Mark van Bommel ist heute sein Schwiegersohn und von Schalke 04 umworben, was bei einem Wechsel zum Dortmunder Revierrivalen eine reizvolle Familienkonstellation ergäbe. (…) „Bert van Marwijk ist ein guter Trainer“, urteilt das „Algemeen Dagblad“, „ob er ein Top-Trainer ist, wird erst sein nächster Klub zeigen.““

Das Negativ-Image einer seelenlosen Söldnertruppe abstreifen

Felix Meininghaus (FTD 2.6.) schildert die Aufgabe Marwijks: „An seinem letzten Arbeitstag wurde er von den Fans im Stadion „de Kuip“ mit tosendem Applaus und Sprechchören verabschiedet. Die Anhänger von Feyenoord dankten es dem Trainer, dass er die Mannschaft nach seiner Amtsübernahme im Jahre 2001 von einer Kämpfertruppe zu einer Einheit formte, die temporeichen Offensivfußball bietet. Zudem bewies van Marwijk Mut, indem er immer wieder junge Spieler einbaute. Genau diese Aufgabe wird auf den Holländer nun auch zukommen, schließlich muss der BVB teure Stars durch preiswerte Talente ersetzen, um der desolaten Haushaltslage Herr zu werden. Nicht nur deshalb wartet ein anspruchsvoller Job auf van Marwijk, gilt es doch, mit couragierten Auftritten das Negativ-Image einer seelenlosen Söldnertruppe abzustreifen. „Unsere Spieler haben prallgefüllte Geldbeutel und lassen sich von den Bochumern vormachen, wie man sich präsentiert“, schimpfte Niebaum. Tatsächlich ist das Auftreten von Spielern wie Flavio Conceicao zunehmend unerträglich. Der von Real Madrid ausgeliehene Brasilianer war von Sammer bei seiner Ankunft als „bester Fußballer, der je das Trikot des BVB getragen hat“, gerühmt worden. Doch anstatt zu zaubern, verweigerte sich der lustlose Profi dem Publikum. Ganz so arg hat es Torsten Frings nicht getrieben, schließlich gehörte er in der Rückrunde beim BVB zu den wenigen, die auf dem Rasen ackerten. Dafür hat es sich der Nationalspieler außerhalb des Platzes mit seinem Arbeitgeber verdorben. Frings Äußerung, „wenn Sammer geht, gehe ich auch“, sorgte in der Führungsetage für immense Verärgerung: „Er ist nicht vom Trainer bezahlt worden, sondern vom BVB“, sagt Niebaum erzürnt. Meier sprach von einem „ungebührenden und ungehobelten Verhalten“.“

Christoph Kieslich (taz 2.6.) gratuliert Stéphane Chapuisat zum 100. Länderspiel: „Bei allen Meistertiteln, die er mit Borussia Dortmund und den Grasshoppers Zürich gefeiert hat, als Champions-League-Sieger und Weltpokalgewinner und welche Ehren ihm noch zuteil geworden sind – einen ganz exklusiven emotionalen Moment erlebte der erst 17-jährige Chapuisat im Juni 1986. Da spielte er im kleinen Stadion von Malley in der Westschweiz gegen Renens, und beim Gegner spielte sein Vater Pierre-Albert, von allen Gabet genannt, mit 38 Jahren Libero. Der Junge auf Linksaußen erzielte den ersten Treffer zum 2:0 für den Aufsteiger. Drei Jahre später, beim 1:0-Sieg gegen Brasilien, debütierte der Filius im Basler „Joggeli“ in der Landesauswahl, und der damalige Schweizer Nationaltrainer Uli Stielike sagte: „Endlich ein linker Flügel ohne Macke.“ Heute schließt sich in Basel der Kreis für Stéphane Chapuisat. Gegen Deutschland wird er im St.-Jakob-Park sein 100. Länderspiel für die Schweiz bestreiten. Damit gehört er nach Heinz Hermann (117) und Alain Geiger (112) als Dritter zum Schweizer Klub der Hundert, doch längst gilt er den Eidgenossen als der beste Fußballer, den sie je hervorgebracht haben. Als zum 50-Jahr-Jubiläum der Uefa europaweit die verdienstvollsten Spieler der Mitgliedsverbände gewählt wurden, schnitt er noch vor dem legendären Karl Odermatt und dem heutigen Nationaltrainer Jakob „Köbi“ Kuhn ab. Chapuisat wird all die Lobpreisungen zu seiner Karriere und zu seinem Jubiläum mit einem verschmitzt-verschämten Blick aus den wasserblauen Augen quittieren und mit den Achseln zucken. „100 Länderspiele spielen zu dürfen ist schon sehr speziell.“ Weiteres größeres Aufhebens passt nicht zu seinem Naturell, das ihn zum „kleinen Prinzen“ machte. In den acht Jahren bei Borussia Dortmund, wo er mit 106 Toren der torgefährlichste Legionär der Bundesliga wurde, ehe ihn Giovane Elber ablöste, galt er dem Klub als „der beste Schütze seit Wilhelm Tell“ (Borussia live), anderen aber auch als „uninterviewbar“. Eilte seinem Vater stets der Ruf des Enfant terrible voraus, trat der Sohn still und bescheiden auf. Als Stéphane Chapuisat es im Westfalenstadion schon zur Kultfigur gebracht hatte, stellte die FAZ fest, „dass auch Schüchternheit charismatisch sein kann“. Den Rummel um seine Person umkurvte Chapuisat ebenso elegant wie Gegenspieler.“

Hallo Haie, willkommen zu meiner Beerdigung

Martin Pütter (NZZ 2.6.) verabschiedet Claudio Ranieri: „Der Tenor in den englischen Medien ist einhellig: Nur Ranieri kann erhobenen Hauptes aus dieser Angelegenheit gehen. Von Abramowitsch war in der ganzen Saison kein klärendes Wort zur Zukunft oder zur Position des Italieners gesagt worden, und der von Manchester United abgeworbene Chief Executive Peter Kenyon schien es richtig zu geniessen, vieldeutige Aussagen zu machen. Doch Ranieri blieb seiner klaren Linie treu, selbst als der Druck auf ihn immer grösser wurde. „In Italien wäre das alles viel schlimmer“, sagte er nur dazu. Ein zweiter Platz in der Premier League (bestes Resultat seit 49 Jahren) und dazu das Erreichen der Halbfinals in der Champions League: Viele Klubs würden sich eine solche Saisonbilanz wünschen. Abramowitsch war das zu wenig. Er hatte 60 Millionen Pfund für die Übernahme des Klubs, 80 Millionen zur Schuldentilgung und 120 Millionen Pfund in neue Spieler investiert und als „return on investment“ Trophäen erwartete. Eine kaum realistische Vorgabe. Dennoch äusserte sich Ranieri nur einmal undiplomatisch: „Abramowitsch hat keine Ahnung vom Fussball“, sagte er im März. Doch die Medien drehten ihm keinen Strick daraus. Dafür war Ranieri zu beliebt. Die ständigen Wechsel in der Mannschaft hatten ihm den Spitznamen „Tinkerman“ (sinngemäss der Bastler) eingetragen. Lächelnd, mit „Hallo Haie, willkommen zu meiner Beerdigung“, begrüsste er die Presse vor dem Spiel gegen Monaco. Niemand nahm ihm das übel.“

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