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Bundesliga

Er läßt sich immer wieder von Emotionen leiten

Oliver Fritsch | Samstag, 28. August 2004 Kommentare deaktiviert für Er läßt sich immer wieder von Emotionen leiten

Klaus Toppmöller, „Gefühlsmensch bei der Kopfarbeit“ (FAZ), muss eine Strategie zum Umgang mit seinen Kritikern entwickeln und vollziehen – „Tempo! Aufbruch! Courage! Angriff!“ (SZ), das Leitbild Felix Magaths, ist neu in München – „Jürgen Klopp, Autodidakt, wäre der ideale Bundestrainer gewesen“ (Tsp)

Wie geht Klaus Toppmöller mit der Kritik an seiner Arbeit und seiner Mannschaft um, Sascha Zettler (FAZ 28.8.)? „Toppmöller hebt in diesen Tagen auffällig oft den Dialog mit seinen Spielern hervor. So hielt er es auch bei Bayer Leverkusen, dem Verein, in dem er vor ein paar Jahren zu einem Aufsteiger im Trainermetier wurde. Andererseits galt Toppmöller, ehe ihn die Leverkusener Anfang 2003 entließen, auch als ein Kumpeltyp, der in der Krise keine Distanz mehr zu seinen Kickern herstellen konnte. In Hamburg präsentierte sich der Coach deshalb zu Beginn seiner Arbeit gegenüber den Spielern betont distanziert. Erst im Sommertrainingslager dieses Jahres ging Toppmöller, der Bauch- und Gefühlsmensch, auf die Spieler zu. Doch schon nach den ersten Mißerfolgen rückte er wieder von ihnen ab, kritisierte sie entgegen vorherigen Ankündigungen über die Medien. Toppmöllers Problem: Er läßt sich immer wieder von Emotionen leiten. Seit dem Pokal-K.-o. versucht er sich als Kopfarbeiter. Ob es für die Wende reicht?“

Tempo! Aufbruch! Courage! Angriff!

„Felix Magath ist noch weit entfernt davon, seine Ideale beim FC Bayern zu realisieren.“ Philipp Selldorf (SZ 28.8.) macht Bestandsaufnahme: „Außer der Protestfront gegen den unglücklichen Staatssanierer Peter Hartz hat sich in Deutschland noch eine zweite populäre Bewegung formiert. Sie tritt für umfassende Reformen im Fußball ein, und diesmal eint sie das Volk und die Mächtigen, denn an ihre Spitze haben sich führende Köpfe der Branche gesetzt: Jürgen Klinsmann als Verantwortlicher des Nationalteams und Felix Magath als Trainer des mächtigsten Bundesligavereins. Ihr Programm lautet: Tempo! Aufbruch! Courage! Angriff! Ihre Leitgedanken treffen den Zeitgeist im Fußball-Land. „Ich kann das Spiel passiv definieren, abwartend spielen und den Gegner Fehler machen lassen“, sagt Magath. Aber das ist nicht seine Lösung. Mit der Methodik würde er nicht nur gegen seine Prinzipien verstoßen, sondern auch gegen den Geschmack des Publikums. Bei der EM sei das beherzte, bewegte Spiel in Mode gekommen, glaubt Magath, und der FC Bayern habe aufgrund von Anspruch und Einfluss die Pflicht, „in Deutschland Vorbild zu sein. Bei der EM gab es sehr guten, aktiven, attraktiven Fußball, und davon sind die Zuschauer inspiriert worden. Es ist wie beim Champagner – wenn man einmal davon gekostet hat, will man mehr.“ Obwohl Felix Magath im Grunde Anti-Alkoholiker ist, liegt er mit seiner Beobachtung vermutlich richtig. Blöderweise aber ist „der andere Fußball“ genau jene Sorte Fußball, die in München in den vergangenen Jahren praktiziert wurde. Und das mit besten Ergebnissen. Zu Beginn dieser Woche gab der Vater dieses Konzepts seinen Ausstand bei der Mannschaft, es war ein fröhliches Fest für Ottmar Hitzfeld, und nach dem Abend blieb die Aussage aus der Ansprache von Kapitän Oliver Kahn stehen: „Es war die erfolgreichste Zeit des Vereins überhaupt.““

Jürgen Klopp wäre der ideale Bundestrainer gewesen

Sehr schön! Stefan Hermanns (Tsp 28.8.) erklärt Wesen und Wirken Jürgen Klopps: „Klopp ist Autodidakt. Er besitzt keinen Trainerschein, doch weil die Ausbildung des DFB ein bisschen in Verruf geraten ist, halten manche das sogar für einen Glücksfall. Die Modernisierung des deutschen Fußballs erfolgt längst vom Rande aus, und am Rande liegen Freiburg und Mainz. Freiburg hat Deutschland das Kurzpassspiel geschenkt, Mainz den Leidenschaftsfußball. Leidenschaft am Fußball ist die Basis des Mainzer Spiels, aber wer Klopp für einen dieser schlichten „Männer, ihr müsst brennen“-Motivatoren hält, verkennt sein taktisches Geschick. Klopp, der Autodidakt, hat am meisten von seinem früheren Trainer Wolfgang Frank gelernt, der die Mainzer Mitte der Neunziger mit Erfolg in ein taktisches Korsett gezwängt hat. Mainz war die erste Zweitliga-Mannschaft, die die Viererkette gespielt und auch verstanden hat (weit vor Franz Beckenbauer). Ihr Fußball war systematischer Fußball durch und durch. Unter Klopp ist er nur noch semi-systematisch. Bei Ballbesitz erlaubt Klopp totale Flexibilität, für die Verteidigung aber besitzt jeder Spieler eine klare Handlungsanweisung. Die Flexibilität im Angriff ist nur möglich, weil bei Ballverlust in der Mainzer Abwehr nicht gleich das Chaos ausbricht. Jeder Spieler weiß, was er dann zu tun hat. „Je flexibler du in der Offensive bist, desto schwieriger ist es, bei Ballverlust wieder die klare Ordnung zu finden“, sagt Klopp. „Das muss ganz schnell gehen.“ Die Mainzer trainieren das – immer noch ohne Ball. Von Wolfgang Frank hat Klopp gelernt, „dass es deutlich weniger von der Tagesform oder vom individuellen Vermögen abhängt, ob man gewinnt“. Dass ein funktionierendes System individuelle Schwächen kompensieren kann, haben die Mainzer mit ihrem Aufstieg bewiesen. Rein nominell gab es deutlich bessere Mannschaften in der Zweiten Liga. So gesehen wäre Jürgen Klopp der ideale Bundestrainer gewesen.“

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