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In der DFB-Zentrale gibt es Kräfte, die gegen Klinsmann agitieren

Oliver Fritsch | Dienstag, 12. Oktober 2004 Kommentare deaktiviert für In der DFB-Zentrale gibt es Kräfte, die gegen Klinsmann agitieren

„In der DFB-Zentrale gibt es Kräfte, die gegen Jürgen Klinsmann agitieren“ (BLZ) / Klinsmann, der Befreier – von Andreas Köpke, vermutlich Sepp Maiers Nachfolger, darf man „Neutralität und Souveränität“ (FAZ) erwarten – das Team 2006 ist „überflüssig“ (SZ)

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Gregor Derichs (BLZ 12.10.) kommentiert den Rauswurf Sepp Maiers: „Der Kreis der heimlichen Klinsmann-Skeptiker ist nach dem Rauswurf des populären Maier gewachsen. Dabei ist das Argument, dass Maier im Torwartkampf zu stark für Oliver Kahn votiert hat, nur die halbe Wahrheit. Tatsächlich soll der 60-Jährige zuweilen den Ablauf im Team gestört haben – etwa, wenn er in seiner Rolle als Spaßvogel nervte, obwohl Ernsthaftigkeit gefordert war. Nicht selten kam es vor, dass er abends noch feierte, wenn den Spielern schon Ruhe verordnet war. Maiers Kumpels aus dem DFB-Betreuerstab bei diesen feucht-fröhlichen Ereignissen fürchten nun, dass sie im Zuge der Klinsmann’schen Radikalsanierung als nächste ausgetauscht werden könnten. Während die Reformen bei den Spielern voll angeschlagen haben, sind die Stäbe im Verband verunsichert. In der DFB-Zentrale gibt es Kräfte, die gegen Klinsmann agitieren; vor allem, weil vor Maier schon Bernd Pfaff als Teammanager der Nationalelf ausrangiert wurde. „Es ist wichtig, ein paar Zeichen zu setzen“, sagte Klinsmann kürzlich und erklärte, Provokation gehöre zum Geschäft: „Man muss Dinge einfließen lassen, die sticheln.“ Womöglich stichelt Klinsmann auch jetzt wieder mit System. Insider vermuten, dass Maier ein Bauernopfer war – möglicherweise soll Kahn selbst getroffen werden. Nach dem Entzug des Kapitänsamts und der Ankündigung einer Rotation war die Trennung von Maier bereits der dritte Hieb gegen den Keeper.“

Klinsmann hat die DFB-Auswahl mit befreit von Lothar Matthäus

Auch Martin Hägele (NZZ 12.10.) verfolgt diese Diskussion: „Maier hat in seinem Stolz die Floskel vom „gegenseitigen Einvernehmen“ abgelehnt; wofür er wohl von Oliver Kahn ein herzliches Dankeschön und ein Lob für seine Charakterstärke erhalten hat. Obwohl dies wirklich nichts mit Charakterstärke zu tun hat, sondern mit hochgradiger Dummheit und totaler Fehleinschätzung der Lage. Klinsmann hat mit einem Schlag gleich zwei, womöglich sogar drei Exempel auf einen Schlag statuiert: Er ist einen „Schwätzer“ los, und Lehmann und Kahn werden sich Gedanken machen, ob sie bei ihrem Torhüterduell um die Nummer eins künftig noch einmal den Mund aufmachen (…) Bei Niederlagen werden die Kritiker schneller aus den Gräben kommen und ihre Laptops und Mikrofone gegen Klinsmann und Co. in Stellung bringen. Alle, die bei diesem direkten Kurs nicht beachtet oder ganz schnell aussortiert worden sind und die nun nichts mehr zu sagen haben. Stellvertretend für diese zu kurz Gekommenen hat sich Lothar Matthäus in einem Münchener Boulevardblatt in Sachen Sepp Maier in die Bresche geworfen und die Nation vor dem Machtmenschen Klinsmann mit den Worten gewarnt: „Der Jürgen ist ein Killer.“ Klinsmann hat die DFB-Auswahl in der Tat mit befreit von Lothar Matthäus. Nachdem dieser seinerzeit sämtliche Interna an die Bild-Zeitung geliefert hatte und im Übrigen vor allem um den eigenen Kult besorgt gewesen war, hatte die Mannschaft genug von ihrem Anführer. Sie stellte sich im Winter 1995 gegen Matthäus, um später mit den Leitfiguren Klinsmann und Sammer Europameister zu werden.“

Neutralität und Souveränität

„Der Zweikampf Kahn/Lehmann wird durch Andreas Köpke nicht enden, er hat nur einen Anheizer weniger“ mahnt Peter Heß (FAZ 12.10.) mit Blick auf Maiers vermutlichen Nachfolger: “Was Bierhoff meinte, von Sepp Maier nicht verlangen zu können, ist ein Wesenszug von Köpke: Neutralität und Souveränität. Maier, der Kauz und Bauchmensch, mit Kahn über den Verein FC Bayern und die gemeinsame Golf-Leidenschaft engstens verbandelt, wird von einem idealen Teamplayer abgelöst, wenn es denn tatsächlich so weit kommen sollte. „Es wird wesentlich komplexer werden, als es Sepp Maier gemacht hat“, sagte Köpke. So könnte er sich eine Mitverantwortung in der U 21 und im Team 2006 vorstellen und die Beobachtung aller Bundesligatorhüter. Köpke scheint auch der ideale Vermittler im Torwartstreit zwischen Oliver Kahn und Jens Lehmann zu sein. Er selbst, der früher mit Kahn um die Nummer eins im Tor konkurriert hatte, sieht sich unterdessen nicht als Friedensstifter: „Da muß Jürgen klärend eingreifen. Ich will mit den Torhütern professionell arbeiten, da muß man sich neutral verhalten.“ „Neutral“, das ist ungewohnt für Kahn, da muß er sich zurückgesetzt fühlen. Denn der Münchner hat jetzt im Zweikampf keinen Vertrauten mehr als Bundestorwarttrainer zur Seite, sondern einen unabhängigen Mitarbeiter, der alle Torhüter als gleichberechtigt ansieht. Maier war der ideale Mann, solange Rudi Völler den Teamchef abgab. Für den Hessen war die Position zwischen den Pfosten nicht verhandelbar. Kahn, Kahn – und sonst gab es nichts und niemanden. Der Bayern-Torwart konnte sich Formschwächen leisten, Ausfälle gegen Gegner, Respektlosigkeiten gegen Mitspieler: Völler sah in ihm den Titanen, dem kleinere Vergehen nachgesehen werden mußten. Es bedurfte keines Trainers der Torleute, nur eines Betreuers, der Kahn bei Laune hielt. Maiers Verdienste auf diesem Gebiet waren immens.“

Vor der WM 2006 ist jeder Posten Teil eines besonders großen Vorhabens

Was muss Andreas Köpke können und beachten, Volker Kreisl (SZ 12.10.)? „Würde man eine Stellenausschreibung formulieren, dann ergäbe sich die übliche Liste von Erfolgsmerkmalen: Erfahrung ist gewünscht, Teamfähigkeit, Fachkompetenz, modernes Denken, sowie Unbefangenheit gegenüber dem Personal, schließlich die Fähigkeit, sich psychologisch in seine Mitarbeiter hineinzufühlen, aber andererseits auch, sich rechtzeitig rauszuhalten. Eigentlich geht es nur um den Posten des Bundestorwarttrainers, doch vor der WM 2006 ist jeder Posten Teil eines besonders großen Vorhabens und erfordert ein besonderes Profil. (…) Die Arbeit beim DFB wird jedenfalls diplomatisches Geschick erfordern. Schon jetzt gibt es im Hintergrund Gerüchte und Stimmen, Köpke sei ja Freund und Partner von Klinsmann beim Trainerlehrgang gewesen, sei nur ein Gefolgsmann der neuen Führung und ein Teil des Planes, endgültig Jens Lehmann zu installieren. Der DFB-Torwartkoordinator muss sich seine Worte gut überlegen. Das ist schon klar, ehe die Verträge unterschrieben sind.“

Überflüssig

Ulrich Hartmann (SZ 12.10.) prophezeit dem Team 2006 das Ende: „Diese Mannschaft des DFBs ist vor zwei Jahren gegründet worden, damit sich darin junge Fußballer für die WM 2006 empfehlen können. Doch es gibt ein Problem: Viele der besten jungen Fußballer spielen bereits in der A-Nationalmannschaft, und die anderen jungen spielen in der U21. Was bleibt da übrig für das Team 2006? Spieler wie Jentzsch, 28, Marcel Maltritz, 26, Bernd Korzynietz, 25, oder Manuel Friedrich, 25. Diese Fußballer haben nur eine begrenzte Perspektive, in zwei Jahren dabei zu sein. Das Team 2006 hat seinen Perspektivcharakter verloren und ist nichts anderes mehr als die frühere A2-Nationalmannschaft. „Das Team 2006 fungiert als Bindeglied zwischen U21 und A-Mannschaft“, sagt Trainer Erich Rutemöller, die Perspektiven richteten sich nicht nur auf die WM in zwei Jahren, sondern auch darüber hinaus. Wenn 2010 die nächste WM ansteht, wären einige der heutigen Kadermitglieder über 30. Doch das Team 2006 wird schon jenes Jahr, das es in seinem Namen trägt, wahrscheinlich nicht mehr erleben. Wenn die Mannschaft eine internationale Spielrunde mit den A2-Mannschaften aus Polen, Schottland, Österreich und der Türkei im Herbst 2005 beendet hat, wird es vermutlich aufgelöst. Spätestens Klinsmanns drastische Verjüngung der A-Nationalmannschaft hat das Team 2006 in seiner ursprünglichen Bedeutung überflüssig gemacht.“

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