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Bundesliga

Dick Advocaat

Oliver Fritsch | Donnerstag, 4. November 2004 Kommentare deaktiviert für Dick Advocaat

Mit Dick Advocaat, „geradlinig bis zum Gehtnichtmehr“ (BLZ), will Borussia Mönchengladbach „nach oben, nach Europa“ (FAZ) / „fünf von achtzehn Posten mit Neulanderoberern besetzt, das spricht für den wachsenden Mut, sich zu öffnen“ (FAZ)

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Dick Advocaat, ein deutscher Holländer – Christoph Biermann (SZ 4.11.) wünscht sich aber auch mal einen holländischen Holländer: „Advocaat beruft sich auf das gleiche Prinzip wie Huub Stevens oder Bert van Marwijk: das des Realismus. Insofern ist er in einem Land angekommen, wo man ihn besser verstehen dürfte als in seiner Heimat. Schließlich hat eine reservierte Spielweise hierzulande noch selten Anlass zu Kritik gegeben, so lange nur gewonnen wird. Visionen werden einem sowieso nur um die Ohren gehauen, wenn man dreimal hintereinander verliert. Und haben wir von Huub Stevens nicht gelernt, dass Holländer die besten Sachwalter deutscher Tugenden sein können? „Von daheraus“ (Stevens) ist der Weg für Advocaat bestens bereitet, er muss nur noch gewinnen. Allerdings wäre es auch mal interessant, einen holländischen Fundamentalisten in die Bundesliga zu holen – so als Mutprobe.

Geradlinig bis zum Gehtnichtmehr

Gregor Derichs (BLZ 4.11.) fügt hnizu: „Die Mannschaft bekam beim ersten Training einen Vorgeschmack darauf, dass ihr neuer Coach keinen Erziehungsauftrag erfüllen will, sondern Befehle ausgibt. „Ich bin ein Disziplinmann“, sagte Advocaat. „Ich bin nicht sehr liberal, aber ehrlich.“ Präsident Rolf Königs, der den Klub nach Business-Regeln führt wie seine Unternehmen, schien dies zu gefallen. Advocaat ist geradlinig bis zum Gehtnichtmehr. Kompromisse, bei denen er klein beigeben müsste, kennt der als Klubtrainer beim PSV Eindhoven und den Glasgow Rangers mit Titeln dekorierte Mann nicht. Wenn es nicht funktioniert, dann tritt er eher ab, als den Kurs zu ändern. Im Juli beendete Advocaat seine zweite Tätigkeit als Nationaltrainer, weil er von vielen Medien trotz des Erreichens des EM-Halbfinales aus dem Amt gemobbt worden war. Er hatte sich geweigert, populistische Entscheidungen bei der Aufstellung zu treffen und ließ sich auch nicht von Gewaltandrohungen durchgedrehter Fans davon abbringen, seine Art und sein System beizubehalten.“

Nach oben, nach Europa

Wohin strebt Borussia Mönchengladbach, Richard Leipold (FAZ 4.11.)? “Der Vorstand hofft, mit der Verpflichtung Advocaats den Übergang in eine neue Epoche gestalten zu können. Sportdirektor Christian Hochstätter bezeichnete den Abschluß des Vertrages als „klares Signal, wo dieser Klub hinwill“ – nach oben, nach Europa, vielleicht gar dorthin, wo Mönchengladbach, der fünfmalige deutsche Meister, vor drei Jahrzehnten war. (…) Bei all seinen Erfolgen gilt Advocaat als schwieriger, manchmal eigenwilliger Verfechter eines Fußballs, der vor allem auf Disziplin und Ergebnisdenken basiert. Fußballspieler seien wie Kinder, sagt er. „Sie müssen machen, was ich sage, sonst haben wir ein Problem.““

Überhöhte Erwartungen

Jan Christian Müller (FR 4.11.) warnt: “Borussia Mönchengladbach hat eine glorreiche Vergangenheit und eine triste Gegenwart und bestimmt gar keine Lust mehr, jahrelang trostlos im Niemandsland der Tabelle herumzudümpeln. Deshalb hat der Club sich nicht geziert, eine Menge Geld anzufassen, um einen angemessen ruhmreichen Trainer zu verpflichten. Das – im vergangenen Jahr durchaus mutige – Gegenmodell Holger Fach ist an dessen offensichtlichen Mängeln in der Personalführung gescheitert, nicht schlechterdings an der Idee, einem jungen Trainer eine Chance zu geben. Dass das durchaus funktionieren kann, beweisen die Beispiele Klopp und Schaaf derzeit eindrucksvoll. Dick Advocaat heißt der womöglich bald bemitleidenswerte Anti-Fach, der die überhöhten Erwartungen – vor allem des vor Stolz fast platzenden Präsidenten Königs – in Mönchengladbach erfüllen soll.“

Neue Gesichter auf den Trainerbänken – Roland Zorn (FAZ 4.11.) begrüßt diesen Trend: „Noch vor wenigen Monaten wurde über die Wiederkehr der immer gleichen gejammert. Die Bundesliga brauche dringend neue Trainergesichter, hieß es, wenn wieder einmal alte Bekannte einen frei gewordenen Arbeitsplatz besetzt hatten. Das Klagen hat inzwischen ein vorläufiges Ende. (…) Fünf von achtzehn Posten mit Neulanderoberern besetzt, das spricht für den wachsenden Mut, sich zu öffnen und von der Routine zu lösen. Dem Spitzenfußball in Deutschland tut diese Tendenz gut, zumal die Bundesliga sich ein Jahr nach dem – mit Ausnahme des VfB Stuttgart – flächendeckenden Ausscheiden aus allen Europapokal-Wettbewerben gut erholt von den Krisensymptomen des vergangenen Herbstes zeigt. Und das nicht nur, weil alle drei Champions-League-Teilnehmer noch auf eine Weiterbeschäftigung hoffen dürfen. Für die Bundesliga erfreulicher sind der Elan, die Systematik und Phantasie, mit der Fußball-Lehrer wie Klopp und Rapolder beweisen, daß „kleine“ Mannschaften keine Angst mehr vor den Großen zu haben brauchen. Schließlich darf die Liga auch von ihren ausländischen Trainern neue Impulse erwarten. Was von Advocaat zu halten ist, bleibt fürs erste offen. Der Mann gilt als kenntnisreich, aber eine Spur zu lehrerhaft, international herumgekommen, aber provinziell zugleich. Advocaat war zuletzt bei den holländischen Medien etwa so beliebt wie der Urgladbacher Berti Vogts kurz vor seiner Ablösung als Bundestrainer.“

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