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Bundesliga

Neue Gesichter und frische Typen

Oliver Fritsch | Montag, 15. November 2004 Kommentare deaktiviert für Neue Gesichter und frische Typen

Kommentare zum 13. Spieltag und zur Mitgliederversammlung in Dortmund

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Neue Gesichter und frische Typen

Good news von Michael Ashelm (FAZ 15.11.): „Die Liga lebt in diesen kalten Herbsttagen von herzerwärmenden Geschichten, von einst wenig beachteten oder in Vergessenheit geratenen Typen, deren Glückssträhne plötzlich gar nicht enden will. Einen Lauf nennt man so etwas im Fußball. Der Südafrikaner Buckley trifft in 13 Partien für seinen neuen Klub Arminia Bielefeld genauso oft wie in 110 Spielen im Trikot des VfL Bochum. Neuville, aussortiert bei Bayer Leverkusen, ist plötzlich als Gladbacher der beste deutsche Stürmer. Und dem Wolfsburger Petrow gelingen nach vier Toren vor vierzehn Tagen diesmal zwei am Stück. Wer erst mal auf den Geschmack gekommen ist, möchte man meinen, läßt nicht mehr locker. (…) Da ist es kein Wunder, daß die Liga mit bisher knapp vier Millionen Besuchern auf einen neuen Zuschauerrekord zusteuert. Neue Gesichter und frische Typen drücken dem Fußballprodukt dieses Jahres ihren Stempel auf.“

Ruine des Größenwahns

Josef Kelnberger (SZ 15.11.) befasst sich mit der Rücktrittsandeutung Bert van Marwijks: „Die Tendenz geht zum Totalschaden, sportlich wie wirtschaftlich, und offenbar will der Niederländer nicht haftbar gemacht werden. Zurück in internationalen Höhen sollte er, der die Borussia 2002 mit Feyenoord Rotterdam im Uefa-Cup-Finale stoppte, den Verein führen. Doch sein Verhältnis zur Mannschaft trägt dem Anschein nach nun schon kaum reparable Züge. So sieht das sportliche Ende der Präsidenten-Ära Niebaum aus: ein Trainer, der die Bundesliga nicht kennt und schon die eigene Haut zu retten versucht, im Abstiegskampf mit einer Mannschaft ohne Rückgrat. In Zeiten, in denen Hannover, Bielefeld oder Mainz vorführen, wie sich mangelndes Geld durch Kompetenz und Zusammenhalt kompensieren lässt, steht die Borussia da wie eine Ruine des Größenwahns. So viel Geld hat im deutschen Fußball nie jemand verbrannt wie die Borussia unter Niebaum – und es hat nicht einmal richtig Spaß gemacht. Nirgendwo ein fußballerisches Vermächtnis, auch die Ära Sammer wirkt im Rückblick freudlos, und die unheimliche Serie von schweren Verletzungen erscheint wie eine Buße für die Sünden vergangener Tage.“

Leidenszeit in Westfalen

Wolfgang Hettfleisch (FR 15.11.) fügt hinzu: „Der Mann mit dem schlohweißen Haarschopf ist keiner, der sich drückt. Dabei gibt es nicht wenige Trainer, die nach Niederlagen gar nicht schnell genug wegkommen können von der anschließenden Pressekonferenz. Nicht so Bert van Marwijk. Es gibt Indizien dafür, dass in den vergangenen Wochen selbst er gelegentlich seine gute Kinderstube vergaß. In Dortmund sagen sie, van Marwijk fühle sich von der Führung über die finanzielle Lage bei der Borussia arglistig getäuscht. Ihm seien vor der Verpflichtung Perspektiven aus Wolkenkuckucksheim ausgemalt worden. Dort, so weiß man inzwischen, wohnen Ex-Präsident und Noch-Geschäftsführer Niebaum und Manager Meier zur Untermiete. In dieser Woche will sich van Marwijk mit Niebaums Vorgänger und Nachfolger Rauball aussprechen. Manches spricht dafür, dass er seine Leidenszeit in Westfalen beenden und den Bettel hinwerfen wird.“

Entfremdung zwischen der Basis und den Nadelstreifenträgern

Roland Zorn (FAZ 15.11.) berichtet von der Mitgliederversammlung in Dortmund: „Niebaum und Meier bleiben bis auf weiteres in ihren Ämtern als Geschäftsführer der KGaA, mochten auch hier und da beifällig quittierte Rücktrittsforderungen laut werden. Niebaum präsentierte sich den Mitgliedern seines Vereins entschieden geschickter und souveräner als Meier, der sich oft genug in Zahlenkolonnen verhedderte und oft über die Köpfe der gemeinen Anhänger hinwegredete. Während Niebaum von der Versammlung „Solidarität und menschliche Wärme“ einforderte und schließlich auch gewährt bekam, machte sich Meier zum Feindbild eines Teils der anwesenden Mitglieder, weil der Manager und Geschäftsführer die undankbare Aufgabe übernahm, aus seiner Sicht die Gründe für die alarmierenden Ergebnisse der Dortmunder Geschäftspolitik zu erläutern und dazu nach Rechtfertigungen für die desaströsen Zahlen zu suchen. (…) Die Glaubwürdigkeit von Niebaum und Meier stößt inzwischen bei vielen Borussen angesichts der Notsituation, in welcher der Verein finanziell und sportlich ist, an Grenzen. Zudem wurde bei allen qualifizierten Wortmeldungen aus der Versammlung deutlich, wie stark die Entfremdung zwischen der Basis des BVB und den Nadelstreifenträgern der Borussia Dortmund GmbH & Co. KgaA inzwischen geworden ist. Ein Traditionsklub, der sich bei seinem Börsenausflug schwere Beulen abholt, hat erkennbar Schwierigkeiten, zurück zur alten Bodenhaftung zu finden. Am Sonntag zumindest unternahmen alle, die gefragt waren, und alle, die fragten, einen ehrenhaften Versuch, wieder aufeinander zuzugehen.“

Niebaum war als designierter Prügelknabe gekommen und ging als Triumphator

Wolfgang Hettfleisch (FR 15.11.) bemerkt Niebaums geschickte Rhetorik: „Niebaum ist es perfekt gelungen, die Stimmung im Saal aufzunehmen und sich zunutze zu machen. Er war als designierter Prügelknabe gekommen und ging als Triumphator. Indem er den Zuhörern gab, wonach es diese verlangt – den Glauben an die ideellen Werte des Fußballs, an den Verein, an die gemeinsame Identität. Er habe sich für den schwierigen Weg entschieden, sagte der scheidende Präsident in seiner hochemotionalen Abschiedsrede. Was in der verbreiteten Sehnsucht nach Versöhnung unterging: Es ist gut möglich, dass sich sein Verbleib in der Geschäftsführung der KGaA als der schwierige Weg für Borussia Dortmund erweist.“

Pleite, in Unternehmensberatungen zuhause

Andreas Burkert (SZ 15.11.) schaut den Leuten aufs Maul: “Der Mann am Rednerpult hat sich schick gemacht für den Tag der Abrechnung, er trägt Anzug und Krawatte. Vermutlich zieht er sich gewöhnlich anders an, er sagt, seine Familie stamme vom Borsigplatz, von dort also, wo das Gründungslokal des Ballspielvereins Borussia 09 e.V. Dortmund steht. Für den Mann aus dem Arbeiterviertel ist diese Borussia eine Herzensangelegenheit, er hat schon früher schlechte Zeiten mitgemacht. „Wir haben oft Scheiße gefressen“, spricht er ins Mikrophon, doch immer sei man wieder aufgestanden, die Fans des BVB und der Verein, und das wünsche er sich auch jetzt. Wenn das nur so einfach wäre. Der BVB ist nicht mehr am Borsigplatz zuhause, sein Zuhause sind zurzeit Unternehmensberatungen, die Firmenzusammenbrüche verhindern sollen. Borussia Dortmund ist pleite.“

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