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Bundesliga

Fallstudie von einstiger Frische und Jugendlichkeit

Oliver Fritsch | Montag, 6. Dezember 2004 Kommentare deaktiviert für Fallstudie von einstiger Frische und Jugendlichkeit

Kommentare zum 16. Spieltag: „Nie zuvor wurde in der Bundesliga auf breiter Ebene so viel Aufwand bei der taktischen Arbeit betrieben“ (SZ) – „Fallstudie zweier Vereine, die vor Jahren für Frische, Jugendlichkeit und Spaß am Spiel standen: Gladbach und Freiburg“ (FAZ) – „die Bausünden Mönchengladbachs“ (BLZ) – „der Fußball, für den Freiburg jahrelang stand, funktioniert nicht mehr“ (taz) / „Anderssein ist ein vorübergehender Zustand“ (FTD)

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Internationales Verständnis von Fußball

Christoph Biermann (SZ 6.12.) resümiert die Hinrunde mit Blick auf Spieltaktik: „Nie zuvor wurde in der Bundesliga auf breiter Ebene so viel Aufwand bei der taktischen Arbeit betrieben. Auf den Trainerbänken hat inzwischen eine Generation die Macht übernommen, deren Verständnis von Fußball ein ist und weniger auf deutschen Sonderheiten beruht. Doch nicht nur die zu Recht gefeierten Ralf Rangnick, Jürgen Klopp oder Uwe Rapolder schicken ihre Mannschaften mit sehr präzisen Vorgaben ins Spiel. Felix Magath, Thomas Schaaf und Klaus Augenthaler machen es in der Champions League nicht anders. Umgekehrt gilt, dass nicht mehr konkurrenzfähig ist, wer sich allein auf Intuition oder die Anarchie des Moments verlässt. Diese Entwicklung hat dazu beigetragen, dass in der Bundesliga besser Fußball gespielt wird.“

Erinnerungsposten

Freiburg und Gladbach kriegen sechs Stück – Roland Zorn (FAZ 6.12.) würde am liebsten nostalgisch werden: „Der 16. Spieltag geriet zur Fallstudie zweier Vereine, die vor Jahren für Frische, Jugendlichkeit und Spaß am Spiel standen. Inzwischen aber sind die „Fohlen“ von Borussia Mönchengladbach der schönste Erinnerungsposten in den Klubfolianten, scheinen in der Freiburger Fußballschule des Volker Finke die Sitzenbleiber der Liga das Einmaleins des Fußballs nicht mehr zu verstehen. Zwei Vereine, die aus kleinen Verhältnissen mit Energie und Phantasie nach oben gekommen sind, lassen ihre Anhänger in diesen frühwinterlichen Tagen frösteln.“

Bausünden

Christof Kneer (BLZ 6.12.) befasst sich mit dem Misserfolg der Borussia: “Der Fall Gladbach steht stellvertretend für die Reflexe, die die Liga im anbrechenden Jahrtausend befallen haben. Seit einiger Zeit schon werden Steine mit Beinen verwechselt. Immer mehr Klubs investieren stolz in die Architektur eines neuen Stadions und vergessen dabei die Statik der Mannschaft. Sie meinen, dass der Erfolg freiwillig zu ihnen überläuft, nur weil ihre Sportplätze jetzt AOL Arena, Arena AufSchalke oder eben Borussia-Park heißen. Man kauft sich dann noch ein paar glitzernde Trainernamen hinein, Toppmöller, Heynckes oder Advocaat, und am Ende ergibt das ein Gesamtgebäude, das zunächst akut einsturzgefährdet ist – weil das Fundament aus völlig überhöhten Erwartungen besteht. In Gladbach stehen sie jetzt fassungslos vor ihren eigenen Bausünden.“

Neue Spieler

Martin Teigeler (taz 6.12.) fügt hinzu: „Der traurige Dick Advocaat trägt nicht die Hauptverantwortung für die aktuelle Krise. Erst wenige Wochen im Amt, muss er mit jener Mannschaft arbeiten, die sein entlassener Vorgänger Holger „Fachinger“ Fach vor der Spielzeit zusammengestellt hat. Der schon als Spieler von Selbstkritik freie Traineranfänger hatte mit Christian Ziege einen abgehalfterten, verletztungsanfälligen Ex-Nationalspieler zur Leitfigur erkoren. Auch kritische Einwände gegen die Verpflichtung des labilen tschechischen Offensivspielers Marek Heinz waren am Ego Fachs abgeprallt. Will der Verein nicht absteigen, muss die Borussia in der Winterpause wohl neue Spieler kaufen.“

Fehlende Streitkultur

Frank Hellmann (FR 6.12.) entlarvt Freiburger Mythen: „Volker Finke duldet in der Freiburger Fußball-Erziehung nur Gefolgsleute um sich herum. Einen blassen Manager, ein braves Spieler-Ensemble – alles autorisiert von einem Präsidenten, der sich genau erinnert, wie 1991 bei Finkes Amtsantritt an der Schwarzwaldstraße so gar nichts an Erstligareife erinnerte. Schädlich in jedem zu stark personalisierten Unternehmen ist eine fehlende Streitkultur, die sich beim SC Freiburg in Finkes Abscheu vor kritischen Auseinandersetzungen ausdrückt. (…) Finke ist auch in anderen Teilen enttarnt. Eine Mär, dass der Verein sich als Ausbildungsbetrieb für die Liga verdingt, dem die Besten abspenstig gemacht werden. Allein Sascha Riether entstammt aus der derzeitigen Startelf dem eigenen Nachwuchs.“

Der Fußball, für den Freiburg jahrelang stand, funktioniert nicht mehr

Christoph Ruf (taz 6.12.) kommentiert den Freiburger Fall: „Der Fußball, für den Freiburg jahrelang stand, funktioniert nicht mehr. Nur noch selten spielt der SC so attraktiv, wie es ihm manche Zeitungen immer noch zuschreiben. Auswärts tritt kaum eine Mannschaft defensiver auf. (…) Manche Medien spielen absurdes Theater, wenn sie eine Trainerdiskussion eröffnen, um kurz darauf festzustellen, dass es eine Trainerdiskussion gibt. In Zeiten, in denen die Latteks mit ihren Burschenschaftsparolen vom Eierzeigen und -ausreißen aus der Schlachtkammer grüßen, ist es erfreulich unpopulistisch, dass Finke sich schützend vor seine Mannschaft stellt. Man kann das Freiburger Modell trotz seiner derzeitigen Krise einfach nicht unsympathisch finden. Den Umgang mit seinen Defiziten hingegen schon.“

Verbissenheit

Nadeschda Scharfenberg (SZ 6.12.) kritisiert Volker Finke: „Finke wirkt dünnhäutig. „Es geht hier wirklich nicht um mich, es geht um unser Konzept“: darum, durch Investitionen in den Nachwuchs aus wenig Geld das Beste zu machen. Dabei ist Finke es selbst, der sich in den Mittelpunkt stellt – indem er den Eindruck erweckt, als würde das Modell ohne ihn niemals funktionieren. Es ist Finkes Verbissenheit, die manche Zuschauer nervt, weniger das Konzept und die Gefahr gelegentlicher Abstiege.“

Anderssein ist ein vorübergehender Zustand

Wodurch unterschiedet sich der SC Freiburg noch von anderen, Katrin Weber-Klüver (FTD 6.12.)? „Er ist nicht mehr jedermanns zweiter Lieblingsverein. Sein Spiel ist nicht mehr der letzte Schrei, es ist irgendwann, irgendwo stecken geblieben. Man vergisst den SC inzwischen. Die Apposition, der andere Verein zu sein, trägt derzeit – aus ganz anderen Gründen – der FSV Mainz 05. Anderssein im Fußball ist ein vorübergehender Zustand. Vermutlich nicht einmal ein erstrebenswerter. Was einen Verein zu etwas Besonderem macht, ist nicht, dass er als exotische Modeerscheinung von aller Welt umarmt wird, sondern dass er es schafft, zu überleben. Und jeder Verein, der überlebt, ist größer als seine Ikonen. Niemand ist unwegdenkbar.“

Stimmen zum 16. Spieltag, sueddeutsche.de

Bildstrecke 16. Spieltag, sueddeutsche.de

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