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Berlusconi ist, medizinisch gesprochen, sozusagen unsterblich

Oliver Fritsch | Dienstag, 26. April 2005 Kommentare deaktiviert für Berlusconi ist, medizinisch gesprochen, sozusagen unsterblich

Köstlich, wie immer! Neues von Peter Hartmanns (NZZ 26.4.) Fußball-Soap aus Italien: „Silvio Berlusconi, Italiens mächtigster Mann, stand im politischen Gewitter. Jetzt kann er Autorität und Kompetenz und vielleicht eine Mehrheit der Italiener – die, die etwas von Fussball verstehen, und das sind letztlich alle – schlagartig zurückgewinnen, für einen Abend. Dazu benötigt er lediglich elf Mann: seine Gladiatorentruppe, die seinen Ruhm von Unwiderstehlichkeit und Machertum begründet hat. „Es gibt niemanden in Italien, der das erreichte, was ich erreicht habe“, sagte er einmal im Überschwang. „Auch nicht in Europa. Weltweit stellt mich nur Bill Gates in den Schatten.“ Und sein Leibarzt, der Dottore Scapagnini, dem er den Job des Bürgermeisters von Catania verschaffte, stellte fest: „Berlusconi ist, medizinisch gesprochen, sozusagen unsterblich.“ Daran müssen sich seine Kicker messen lassen. (…) Es gibt allerdings Fragezeichen. Jaap Stam, der grimmig-kahle holländische Abwehrrecke, der einer ganzen italienischen Elterngeneration hilft, die Kleinen ins Bett zu stecken („sonst kommt der Glatzenmann“), hat am Samstag den Rasen wegen einer Muskelverhärtung Richtung Massagebank verlassen.“

Mit Heiligenkranz

Stiefkinddasein ade – Peter Riesbeck (BLZ 26.4.) beschreibt den Statusgewinn brasilianischer Torhüter, von denen zwei, Gomes (PSV) und Dida (Milan), im Halbfinale aufeinandertreffen: „Das Land gilt nicht als Heimstatt großer Keeper. Der englische Journalist Alex Bellos hat in seinem wunderbaren Buch Futebol einmal ergründet, warum: Die traurige Geschichte trug sich demnach 1950 in Rios Maracana-Stadion zu. Brasilien spielte in der Finalrunde gegen den Erzfeind Uruguay, kurz vor dem Abpfiff patzte Brasiliens Torhüter Barbosa bei einem Schuss von Ghiggia – das entscheidende Spiel um den WM-Titel ging 1:2 verloren. Vielleicht liegt es daran, dass sie in Brasilien seither ein wenig abergläubisch sind, was Torhüter angeht. Barbosa jedenfalls soll Jahre nach der Niederlage einmal zu einer Grillparty geladen haben. Als er aber den Freunden erzählte, dass die Steaks vom Holz der Maracana-Torpfosten gewärmt würden, mochte keiner mehr etwas essen. Und noch 1993 vertrieb man Barbosa, als er sich einem Training der brasilianischen Nationalelf näherte. Solche Zeiten des Wahnglaubens sind längst vorbei. Gerne stellen sie in brasilianischen Büchern große Keeper mit einem Heiligenkranz dar. Und das Land glänzt im heiligen Schrein des Fußballs nicht nur mit Technikern, sondern jetzt auch mit Welttorhütern.“

Aus einem Klumpen Lehm

Bertram Job (NZZ 26.4.) bewundert das Eindhovener Scouting: „Begeben Sie sich nach Südamerika. Verpflichten Sie drei bis vier Spieler, die sich trotz einer völlig anderen Kultur des Fussballs sofort in Ihre Mannschaft einbauen lassen. Werden Sie damit in Ihrer Liga souveräner Meister und machen sie Furore in einem europäischen Wettbewerb. Solche Handlungsanweisung wäre in jedem Gesellschaftsspiel, in dem sich Fussballverrückte als Vereinsmanager probieren können, der blanke Horror. Für die Handlungsbevollmächtigten des PSV Eindhoven ist sie eine fast alljährlich wiederholte Aufgabe mit hohem Traditionswert, die sie in dieser Saison offenbar besonders gut gelöst haben. Ein Dreivierteljahr ist es gerade mal her, seit der damals fast bemitleidete Guus Hiddink im internen Kreis klagte, er müsse „aus einem Klumpen Lehm“ ein in ganz Europa konkurrenzfähiges Kicker-Ensemble zusammenstellen.“

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