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Champions League

Über deutsche Mannschaften

Oliver Fritsch | Dienstag, 18. Oktober 2005 Kommentare deaktiviert für Über deutsche Mannschaften

Über deutsche Mannschaften

Werder Bremen ist in den Augen der Redakteure ein deutscher Vorzeigeklub, auch wenn sie in der Champions League selten glänzen. Gründe für diese Anerkennung: erstens die vielen Tore, zweitens die Bescheidenheit und Geduld ihrer Vereinsvertreter, drittens der Stoizismus, mit dem die Bremer Leid hinnehmen und Verlust und Abschied verkraften. Bei Bayern München dreht sich viel um die Zukunft Michael Ballacks, dem manche Autoren vorhalten, seine Vorgesetzten spüren zu lassen, mit welch Umgarnten sie es zu tun haben. Die Fans, dazu müssen wir nicht mal Zeitung lesen, dulden Ballack, doch sie lieben ihn nicht.

Team mit dem besten Immunsystem der Liga

Christof Kneer (SZ) bewundert die Schmerzverträglichkeit der Bremer: „Heute ist Werder längst nicht mehr der Gegenentwurf zum FC Bayern, aber was er jetzt genau ist, ist noch nicht ganz entschieden. Als Bundesligatabellenführer sind die Bremer nach Italien aufgebrochen, und bei solchen Reisen merken die Bremer stets, dass sie ein wenig zwischen den Welten hängen. In der heimischen Liga spielt keiner einen hinreißenderen Fußball als diese Mannschaft, in der sich dank Thomas Schaaf eine fast französische Kombinationskultur verselbstständigt hat. Aber wenn die Bremer das Land verlassen, hält sich der Respekt vor ihnen in Grenzen. (…) Abseits der Tagesaktualität hat sich eine gewisse Gelassenheit breit gemacht im Klub. In Bremen wissen sie, dass Champions-League-Sorgen eigentlich schöne Sorgen sind für ein Team, dem jährlich die besten Kräfte abhanden kommen. Werder ist das Team mit dem besten Immunsystem der Liga. Fast scheint es, als würde sich die Elf einen Spaß daraus machen, umso entschlossener zu gesunden, je mehr Wunden man ihr schlägt. Man muss immer noch mal sagen, dass in den letzten Jahren unter anderem Pizarro, Rost, Frings, Ailton, Krstajic, Ernst und Ismaël an die Konkurrenz verloren gingen, und immer haben die Bremer kurz getrauert, sich geschüttelt und einfach weiter Fußball gespielt. Sie machen das auch nach Niederlagen so, sie verlieren 2:7 in Lyon und besitzen die Frechheit, nicht zusammenzubrechen. Über die Jahre ist aus dem SV Werder eine eindrucksvolle Selbsthilfegruppe geworden, und die Hilfe zur Selbsthilfe leisten Trainer Schaaf und Manager Allofs.“

Welt: Udine verkauft seine Stars aus Prinzip

Business-Mann im Fußballtrikot

Heinz-Wilhelm Bertram (FTD) schildert das Zögern Michael Ballacks: „Die Frage, ob Ballack den FC Bayern verlässt, ist zu einer quälenden Hängepartie für den FC Bayern geworden. Braucht einer wirklich Monate, um zu wissen, wo er demnächst arbeiten wird? Ballack macht die Klubführung mit seiner Hinhaltetaktik konzeptionell handlungsunfähig, er lässt die Bosse ausgerechnet bei der Frage der personellen Planung im zentralen Mittelfeld im Ungewissen. Warum verhält er sich so unkooperativ gegenüber seinem Arbeitgeber? Die Antwort ist einfach: Ballack bockt aus gekränkter Ehre. Der Spieler hat nicht vergessen, dass er in der vergangenen Saison Spielball der Verhandlungspartner FC Bayern und FC Barcelona war. Ballacks hartnäckige Weigerung, sich zu seiner Zukunft zu äußern, deutet darauf hin, dass er mit dem FC Bayern abgeschlossen hat. (…) Dieses Mal ist Uli Hoeneß der Spielball. Hilflos und verärgert muss der Manager ansehen, wie ihn der Protagonist des neuen FC Bayern zappeln und hängen lässt, vielleicht sogar zum Narren hält. Und ein alles andere als fruchtbares Binnenklima schafft. Nichts ist Hoeneß verhasster als Vakanzen solcher Art, und so könnte sich eine Ära dem Ende zuneigen, die nie von großer Gegenliebe gekennzeichnet war. Für die Mehrzahl der Fans ist Ballack ein Businessmann im Fußballtrikot, ohne Kanten, ohne Konturen, ohne Herzensbekenntnis zum Klub.“

Über ausländische Mannschaften

Wenn die Journalisten Juventus beschreiben, bekommen sie leuchtende Augen. Trainer Fabio Capello gilt ihr großer Respekt. Allerdings leidet Juventus, wie der gesamte italienische Vereinsfußball, unter Zuschauerschwund und Krach hinter den Kulissen. Ajax Amsterdam, die Holländer unter den Holländern – spielstark, systemsicher, gut anzusehen, aber schwach im Torschießen, lautet sein Ruf.

Maulfauler Weltmann

Dirk Schümer (FAZ) nennt Turins Stärke: „Die selbstbewußte Juve, deren Ziel der Gewinn der Champions League ist, gebärdet sich wie eine Katze, die geduldig mit dem Mäuschen spielt – bis es verspeist wird. (…) Die Ursache für die derzeitige Unbesiegbarkeit liegt zuerst beim Trainer: Fabio Capello, ein bei Real Madrid gereifter Weltmann auf der Bank, der dennoch stets der harte, maulfaule Friulaner aus einem Dorf bei Udine geblieben ist. Capello hat seine Startruppe fest im Griff, mischt den Kader immer mal wieder überraschend auf. Dieser Trainer kann es sich leisten, einen teuren Verteidiger wie Robert Kovac zu verpflichten, ihn aber nicht einzusetzen. Fazit: Wer in München Stammkraft ist, muß sich in Turin ganz hinten anstellen.“

FR: Robert Kovac verließ den FC Bayern München als Stammspieler und sitzt nun bei Juventus Turin nur auf der Bank

Kunstsammler, Gourmet, Opernfreund, Ästhet

1:0, Juves Muster – Birgit Schönau (SZ): „Es ist Capellos Lieblingsresultat, keine Frage, aber es muss sich nicht unbedingt Minimalfußball dahinter verbergen. Capello, der Kunstsammler, Gourmet und Opernfreund, ist ein Ästhet, für den ein wohl gesetztes, taktisch rundes und technisch ziseliertes Einszunull höhere Perfektion birgt als ein ausuferndes, farbiges, aber chaotisches Vierzudrei. (…) Und doch knirscht es im Gebälk. Der Klub mit den angeblich meisten Fans weltweit hat zu Hause immer weniger Publikum, das Spielzeug der einstigen italienischen Ersatz-Königsfamilie ist erschüttert von Skandalen.“

Verstopfung

Bertram Job (NZZ) diagnostiziert anschaulich das Amsterdamer Leiden: „‚Afronding’ – so lautet der niederländische Begriff für die Fähigkeit, eine ansprechende Leistung erfolgreich zu beenden. Es ist eine unabdingbare Tugend im Profifussball, weil sogar in Holland nach Toren und Punkten gewertet wird statt nach der schöneren oder überlegenen Spielweise. Doch genau das ist zurzeit das auffallendste Defizit bei Ajax Amsterdam: Die hoch eingeschätzte Equipe mit einem Transferwert von rund 83 Millionen Franken hat erkennbare Mühen, ihre Dominanz auf dem Spielfeld in Ergebnisse umzusetzen. Ajax, der stolze Krieger, ist wegen der strategischen Verstopfung zum Patienten geworden. (…) Es rumpelt und rumort in der Mitte des Amsterdamer Spiels wie in einem hektisch bewegten Darmtrakt. Je tiefer der Gegner jedoch in seiner Hälfte gestaffelt steht, desto verkrampfter müht sich das junge Ensemble um Erleichterung.“

FR: Meister FC Barcelona schwächelt in Spaniens Liga

WamS: Fenerbahce Istanbul will hoch hinaus und bald die Champions League gewinnen

Tsp: der überraschende Aufstieg des FC Thun

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