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Bundesliga

Pfälzer Engstirnigkeit

Oliver Fritsch | Mittwoch, 23. November 2005 Kommentare deaktiviert für Pfälzer Engstirnigkeit

Alle deutschen Sportredaktionen widmen sich heute Wolfgang Wolf und Kaiserslautern, und alle Sportredaktionen erachten es als einen Beleg für die Engstirnigkeit der Pfälzer, dass sie nur einen der ihren als fähig ermessen, den Verein vor dem Abstieg zu retten. Die Schlagzeile „Wolfs Revier“ hat sich die FR nicht nehmen lassen; die Stuttgarter Zeitung wandelt diesen Wortwitz: „Wolfs neues Revier: unter Teufeln“ – eine Warnung an Wolf vor den vielen Miesmachern in Kaiserslautern. Auffällig ist das geäußerte Misstrauen, mit dem Wolf seinem „Helfersyndrom“ (FTD) verfällt, drei Zitate lesen wir oft: „Ich kann nicht den Klassenverbleib versprechen, aber wir haben keine Chance, wenn nicht Ruhe einkehrt“, „vielleicht ist es gut, dass wir zuerst auswärts spielen, so haben wir den Klotz Betzenberg nicht am Bein,“ und „ob es ein Traum ist, hier zu trainieren, werden erst die nächsten Monate zeigen.“ In ihren ersten Tagen singen neue Trainer üblich ganz andere Hymnen. Unschlüssig ist die SZ, für sie ist Wolf „Integrationsfigur“ und zugleich „Schmalspurmessias“, wie gemein!

Kaiserslautern, ein Fall für den Spezialisten – Thorsten Jungholt (Welt): „Die Schlüsselqualifikation hat sich Wolf qua Geburt erworben. Wohl nur ein Einheimischer kann auf genügend Rückhalt hoffen, den durch ein inzestuöses Geflecht von Einzelinteressen in unzählige Fraktionen zerfallenen Klub zu einen, ohne dabei selbst Schaden zu nehmen.“ Die SZ fügt ihr Bedenken hinzu: „Kaum angekommen, gilt Wolf in diesem instabilen Klub als einziger Garant für Stabilität. Ob das für eine Aufbruchstimmung reicht, ist zweifelhaft. Der Kampf um Macht und Posten ist im Hintergrund längst entbrannt, und der Mannschaft trauen selbst eingefleischte Fans einen Mentalitätswechsel nicht zu.“

Ehrlichkeit, Kampfgeist, Wille und Mut

Doch da ist auch Zuversicht. Tobias Schächter (FTD) betont Wolfs Charakter: „Wolf verkörpert alle Tugenden, die die aktuelle Mannschaft seit langem vermissen lässt: Ehrlichkeit, Kampfgeist, Willensstärke und Mut. Mit Wolfs Verpflichtung geht der Wunsch nach Kontinuität und Integration einher, die dem FCK in den Turbulenzen der letzten Jahre abhanden gekommen ist.“ Oliver Trust (Tsp) schildert die Hoffnung, die Kaiserslautern mit Wolf, obwohl vor kurzem in Nürnberg entlassen, verbindet: „In Franken hatte ihm niemand mehr zugetraut, den Klassenerhalt zu schaffen. In der Pfalz gilt er als Mann, der die Last eines gesamten Vereins auf seinen Schultern tragen kann. Er könnte die integrative Kraft sein, die den zerstrittenen Verein eint und den Klassenerhalt schafft.“ Auch Jan Christian Müller (FR) kann diesen vermeintlichen Widerspruch aushalten: „Es gehört zu den Absurditäten des Fußball-Geschäfts, dass derselbe Trainer, der für den Tabellenletzten vor drei Wochen nicht mehr gut genug war, nun der Hoffnungsträger für den neuen Tabellenletzten sein soll. Aber in der ganz besonderen Situation, in die sich der Traditionsverein manövriert hat, hat Wolfs Verpflichtung dennoch Sinn. Die Pfalz giert nach einem Volkstribun, der aus ihrer Mitte kommt.“

Trapattoni ist im Begriff, seinen allerletzten Kredit zu verspielen

Was noch? Drei Sachen. Erstens, neues in Sachen Michael Ballack: Philipp Selldorf (SZ) deutet die Vollzugsmeldung der Marca, Real habe mit Erfolg um Ballack geworben: „Könnte es sein, dass die Münchner die Situation falsch eingeschätzt haben? Als sie der im Brauhaus versammelten Vereinsfamilie die Mitteilung machten, sie hätten ihr Angebot zurückgezogen, um wieder volle Handlungsfreiheit zu haben, war das zwar vordergründig eine stolze und starke Geste. Aber auch ein aufs Populäre zielender Winkelzug, der Ballack nachdenklich stimmte. Er hätte offenkundig ein klares Bekenntnis erwartet. Stattdessen sah er sich öffentlich vorgeführt. (…) In diesem Transferfall geht es auch um den Ton, der das Pokerspiel begleitet.“ Die Sport Bild sieht schwarz: „Wer sollte der Tatsache, daß sich Deutschlands bester Fußballspieler ins Ausland absetzt, etwas Positives abgewinnen?“ Nun ja, man könnte einwenden, dass es doch schmeichelhaft ist, wenn das Ausland sich wieder für deutsche Spieler interessiert; und man könnte daran erinnern, dass die beiden letzten Titel der deutschen Nationalmannschaft (1996 und insbesondere 1990) mit einigen Spielern errungen worden sind, die sich in Italien und England fortgebildet haben. Überhaupt, wer war denn der letzte Weltmeister, dessen wichtigste Spieler großmehrheitlich in der Heimatliga aktiv waren? Italien 1982. Zweitens, altes in puncto Trap-Bashing: Thomas Haid (StZ) erzählt genüsslich und kopfschüttelnd die Anekdote, wie Giovanni Trapattoni seine Mannschaft bei der Taktiktafel versehentlich um einen Mitarbeiter erhöht hat: „Er kritzelte (!) seine Aufstellung wie immer auf eine schwarze Wandtafel. Aber im Gegensatz zu sonst standen am Ende zwölf Namen drauf – einer zu viel. Dieser Fauxpas ist bezeichnend für das Wirken des Italieners, der vor allem zweierlei hinterlässt: Ratlosigkeit und Unverständnis. Trapattoni ist im Begriff, seinen allerletzten Kredit zu verspielen.“ Drittens: Die größte Sorge der Bild-Zeitung gilt dem „Schwachsinns-Plan vom Fifa-Boss“, die Nationalhymnen vor Länderspielen abzuschaffen und der „Gänsehaut pur“, die ihr bei Kahns und Huths „Einigkeit und Recht und Freiheit“ über den Rücken schießt.

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