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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Bundesliga

Aggressor, Betrüger, Lügner

Oliver Fritsch | Donnerstag, 8. Dezember 2005 Kommentare deaktiviert für Aggressor, Betrüger, Lügner

Wir lesen nach wie vor wenig über das antisemitische Plakat, das im Cottbus-Block beim Spiel gegen Dresden ausgerollt worden ist. Dringlichstes stattdessen: Große Empörung über Duisburgs Trainer Norbert Meier, der den Kölner Spieler Albert Streit erstens mit dem Kopf gestoßen hat, sich zweitens schmerzsimulierend fallen lassen und drittens nach dem Spiel das Opfer gespielt hat. Viele Journalisten wissen gar nicht, worüber sie sich am meisten erzürnen sollen und fordern Strafe; der DFB hat Meier mit einer Sperre belegt, was einige Redaktionen zu der Schlagzeile „Berufsverbot“ veranlasst. Hans-Joachim Waldbröl (FAZ) fühlt sich belogen: „Warum soll ich gestehen, was ich getan habe, bevor ich Fernsehbilder sehe, die mich überführen? Erst angesichts der erdrückenden optischen Beweislast hat Meier nach seinem krassen Foul eine Entschuldigung ausgesprochen, die wertlos ist, und eine Reue formuliert, die heuchlerisch wirkt. (…) Ein Trainer, der den sterbenden Schwan mimt, ist keinen Deut besser als Spieler, die wie Schwalben im Strafraum landen, um einen Elfmeter zu schinden. Wie glaubwürdig ist ein Coach, der live der Lüge überführt wird, noch in den Augen seiner Spieler? Was bleibt noch von seiner Autorität?“ Philipp Selldorf ( SZ) betont die Pflichtverletzung Meiers: „Der Fall ist eigentlich zu armselig, als dass man noch mit vollem Ernst seine moralische Tragweite beziffern möchte. Er hat jedoch beispielhaften Charakter, und deshalb ist der Hinweis auf die Vorbildfunktion des Trainers angebracht. Zwar mag dieser hehre Begriff in Anbetracht der üblichen und schweigend akzeptierten Härten im Profigeschäft etwas weltfern wirken, hier passt er aber: Meier hat ein Diplom als sportpädagogische Fachkraft erworben, mit dem er eine Menge Geld verdient. Er erfüllt eine erzieherische Aufgabe. Stattdessen trat er als Aggressor und Betrüger auf.“

Laßt die Kirche im Dorf!

Einige Autoren fragen sich, wie ausgerechnet der nette Herr Meier sich so danebenbenehmen kann. Jörg Hanau (FR) ist zunächst angewidert, gibt dann aber die Verhältnisse zu bedenken: „Welche Arglist! Der Dr. Jekyll der Bundesliga hat sein zweites Gesicht offenbart. (…) Sind derartige Ausfallerscheinungen dem immensen Druck geschuldet, der den Fußball und seine Protagonisten im Spiel um Macht und Millionen heimsucht? Es wird getreten und gespuckt. Es ist ein Hauen und Stechen. Die Angst geht um – vor Niederlage, Abstieg, Rauswurf. Fressen oder gefressen werden. Die Sucht nach Erfolg ist ansteckend, aber keinesfalls ein Fußball spezifisches Phänomen in einer Gesellschaft, in der es keinen Platz für Verlierer gibt.“ Martin Henkel (Welt) plädiert für Milde: „Kann ausgerechnet von Fußballspielern samt ihren Übungsleitern die dauerhafte Beherrschung ihrer Emotionen verlangt werden? Wohl kaum ein Berufsstand leidet bei der Arbeit unter solch hohen Herzfrequenzen und Überdosen an Adrenalin. Fußball spricht immer noch in erster Linie unsere Gefühle an, seine Protagonisten inklusive. Einfühlungsvermögen wäre wohl eher angebracht als richterliche Strenge. (…) Um es mit einer branchenbekannten Redewendung zu sagen: Laßt die Kirche im Dorf!“ Über die Respektlosigkeit Streits, der Meier seinen Hahnenkamm vor die Nase gehalten hat und dafür eine Maßreglung verdient gehabt hätte (muss ja nicht immer eine Backpfeife sein), lesen wir wenig.

Bildstrecke Meier/Streit, sueddeutsche.de

Einen Abramowitsch II suchen wir nicht

Aus einem Interview René Jäggis mit Jan Christian Müller (FR 3.12.) über die Zukunft des 1.FC Kaiserslautern
FR: Sie haben unter anderem mit SAP-Boss Dietmar Hopp gesprochen und sich einen Korb geholt. Hopp will jetzt im Raum Heidelberg einen Bundesligisten aus der Retorte heben. Berührt das den 1. FC Kaiserslautern?
RJ: Wir hatten ein sehr gutes Gespräch. Aber er hat mir glaubhaft erklärt, dass er aus seiner Sicht Projekte verfolgt, die höhere Priorität haben, als hinter den sieben Bergen bei den sieben Zwergen Geld zu investieren. Das musste ich leider zur Kenntnis nehmen. Das ist eine riesige Gefahr.
FR: Obwohl hinter diesem neuen Verein kein Stück Tradition steckt?
RJ: Es ist dennoch brutal gefährlich für das gesamte Fußball-Hinterland. Brutal gefährlich für Mainz, für uns und für Waldhof Mannheim sowieso. Die unheimliche Kraft und strategische Planung, die dahinter steckt, die macht mir Sorgen. Denn die Leute werden da hin gehen, wo Unterhaltung geboten wird. Zudem gehört Herr Hopp zu den Menschen, die Dinge, die sie sich vornehmen, auch umsetzen.
FR: Die Tradition, wie sie der 1. FCK bieten kann, braucht man gar nicht mehr?
RJ: Ganz genau. Tradition kann auch Bürde sein. Wir sind doch heute alle derart konsumorientiert, dass wir in unserer Freizeit das Geld ganz bestimmt nicht automatisch dahin ausgeben, wo es unsere Eltern ausgegeben haben. Das ist fast schon ein Argument für die 16-, 17-Jährigen, da dann gerade nicht hinzugehen.
FR: Warum haben Sie bislang in zwölfmonatiger Suche keinen Investor gefunden, der frisches Geld in den Klub pumpt?
RJ: Vorweg: Einen Abramowitsch II suchen wir nicht. So einen kann man hier nicht präsentieren. Und: Ein Investor schaut sich natürlich die Zahlen sehr genau an. Wir haben jetzt erstmals eine testierte Bilanz mit einem soliden Überschuss präsentieren können. Jetzt müssen wir beweisen, dass das keine Eintagsfliege war.
FR: Aber Herr Jäggi, dann sind Sie ja erst auf halbem Weg mit Ihrer Arbeit.
RJ: Noch nicht mal. Ich habe gerade mal den Fuß ins Wasser gesteckt. Ich bin eigentlich noch ganz am Anfang. Aber es geht nicht, wenn man permanent von außen unter Druck gerät. So können Sie nicht arbeiten.
FR: Sind potenzielle Investoren also auch abgeschreckt worden?
RJ: Ein Investor muss sich natürlich fragen, warum er in ein Umfeld investieren sollte, wo sich links und rechts geprügelt wird. Außerdem investieren solche Partner in der Regel nicht nur in eine Stadt und ein Stadion, sondern auch in die handelnden Personen. Mal brutal gesagt: Vielleicht ist jemand eher bereit, in den 1. FCK zu investieren, wenn hier Mario Basler der Chef ist.
FR: Sie hatten Basler aufgefordert, nicht nur in den Medien zu reden, sondern sich zu stellen und Verantwortung zu übernehmen. Ist er inzwischen gekommen?
RJ: Nein, der kommt auch nicht. Basler ist ferngesteuert. Wie so ein Aufzieh-Autochen.

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