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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Deutsche Elf

Schnarchzapfen

Oliver Fritsch | Samstag, 4. Februar 2006 Kommentare deaktiviert für Schnarchzapfen

Wer wird Sportdirektor beim DFB? Peters? Sammer? Sammer und Peters? Keiner? Andreas Lesch (BLZ) rümpft die Nase über die Idee der Doppelspitze: „Deutschlands Fußballverwalter entwickeln sich zielstrebig zu Spezialisten für Doppelspitzen. Erst haben sie das präsidiale Duo Mayer-Vorfelder/Zwanziger erfunden, nun wollen sie für sich für den Posten des sportlichen Vordenkers einen Peterssammer basteln. Hinter diesem Trend zum Kompromiss verbergen sich der Wille, Konflikten aus dem Weg zu gehen und die Unfähigkeit, klare Lösungen zu finden. Die Doppelspitze lässt sich den verschiedenen Interessengruppen ja auch leichter verkaufen. Sie ist eine Art Gemischtwarenladen, in dem für jeden etwas dabei ist: für die Traditionalisten ein Sammer, für die Reformer ein Peters. Solch eine Lösung, betonen die Doppelspitzenfreunde, habe einen entscheidenden Vorteil: Zur Not könne der Sportdirektor als Bundestrainer einspringen. Spätestens dieses Argument offenbart, wie halbherzig der DFB seine Reformen betreibt und wie kurzfristig er denkt. In Wahrheit sollte ein Sportdirektor, der etwas bewirken will, sich auf andere Aufgaben konzentrieren können: Er sollte Trainer ausbilden, die Jugendarbeit verbessern, Strukturen dauerhaft ändern. Wer ihn eher als Nothelfer im Tagesgeschäft einsetzen will, der hat wenig verstanden – oder will am liebsten, dass alles bleibt, wie es ist.“ Dass Peters einen Gedanken zu Ende denken kann, werde den Vorbehalt gegen ihn noch stärken, schreibt Oskar Beck (StZ): „Peters verfügt über eine beeindruckende Biografie, aber im Fußball macht er sich damit eher verdächtig – noch weniger als sein WM-Titel mit den Hockeymännern hilft ihm der Hinweis, dass er fünf Jahre studiert hat und sich ständig weiterbildet, während beim DFB die Trainerausbildung drei Monate dauert, oder gar, für verdiente Nationalspieler, im Schnellverfahren erledigt wird. So war das einst auch bei Klinsmann – jedenfalls spürt der seither, dass er dringend qualifizierte Hilfe braucht von ein paar flankierenden Kreativen, von Psychologen, Fitnesstrainern oder dem Sportwissenschaftler Peters. Was für ihn spricht, ist im Moment nur die kleine, aber feine Schar derer, die sich ein paar über den Tellerrand des Fußballs hinausgehende Gedanken machen – und nicht zu denen gehören wollen, die der Bundestrainer Mitte der Woche durch die Blume hingestellt hat als Schnarchzapfen, die zehn Jahre auf Kosten des deutschen Fußballs geschlafen haben und neue Ideen scheuen.“

Nationaler Auftrag

FR-Interview mit Theo Zwanziger
FR: Wir finden, bei den Warentestern hätte man auch entspannter reagieren können.
Zwanziger: Da täuschen Sie sich. Wir haben es bei den Stadien mit den sensibelsten Bereichen zu tun. Die sind in einem langjährigen Genehmigungsverfahren mit einem Gütesiegel versehen worden – beim Olympiastadion in Berlin unter Berücksichtigung des Denkmalschutzes. Dass vier deutsche Stadien die Rote Karte erhalten haben, hat uns im Ausland eine für unser Land äußerst negative Berichterstattung eingebracht.
FR: Darf man in einem demokratischen Land mit Rücksicht auf das Image keine Testberichte mehr veröffentlichen? Sollen wir die Meinungsvielfalt aussetzen?
Zwanziger: Zwischen Meinung äußern und der Tatsache, dass ein mit Steuergeldern gefördertes Institut in unverantwortlicher Weise negative Stimmung verbreitet, sehe ich einen Unterschied. Einen gewaltigen sogar. Diese WM ist nicht von uns, sondern von der Bundesregierung und dem gesamten Parlament als ein nationaler Auftrag verstanden worden, um uns international ein Stück Anerkennung zu erarbeiten. Entweder, wir arbeiten alle gemeinsam an diesem Projekt – die unabhängigen Medien selbstverständlich ausgenommen – oder wir grenzen uns aus.
FR: So wie die bösen Warentester es getan haben?
Zwanziger: Sehen Sie: Wir haben mit den Datenschützern ein kritisches, aber aufgeschlossenes Verhältnis. Die könnten ja auch losschlagen, wie sie wollten. Tun sie aber nicht, weil sie der Sache dienen wollen. Mit den Verbraucherschützern hat es wegen des Ticketings nur einen einzigen ernsthaften Konflikt gegeben, der ist inzwischen ausgeräumt. Alle haben sich in das nationale Projekt mit eingebunden – nur nicht die Stiftung Warentest. Die hätte uns vernünftige Ratschläge geben sollen, statt plakativ einen rauszuhauen. Was die gemacht hat, ist eine Beleidigung für alle Genehmigungsbehörden in Deutschland. Ich sage nur: Schuster, bleib bei deinen Leisten!
FR: Das klingt jetzt nach Olivenöl und Babywindeln.
Zwanziger: Wo sind denn die Gutachter von Stiftung Warentest?
FR: Die werden von der Stiftung geschützt, das muss man angesichts der öffentlichen Aufregung verstehen.
Zwanziger: Aha, Sie sind dafür, dass man im Dunkeln Unsinn machen kann. Ich sage Ihnen: Dafür bin ich nicht.
FR: Es geht doch nicht darum: Wer hat uns das eingebrockt? Sondern darum: Haben die Recht oder Unrecht?
Zwanziger: Wenn die Stiftung Warentest vier Stadien die Rote Karte zeigt, dann muss sie sagen, auf welche Gutachten sich das gründet. Das ist sie der Öffentlichkeit schuldig. Das erwarte ich, besonders von einem Institut, das auch von Steuergeldern gefördert wird. Franz Beckenbauer fliegt in alle 31 Teilnehmerländer. Das ist für Deutschland eine unglaubliche diplomatische Leistung. Auf unsere Kosten. Nicht auf Kosten des Steuerzahlers…
FR: … das wäre ja auch das Schönste, wenn der Steuerzahler die Good Will Tour von Beckenbauer bezahlen sollte.
Zwanziger: Ja, aber der Steuerzahler zahlt die Stiftung Warentest (lacht). (…)
FR: Sind Sammer und Peters Konkurrenten oder können Sie sich auch beide Seite an Seite als Technische Direktoren vorstellen?
Zwanziger: Wenn man mit einer Person das Anforderungsprofil nicht zu 100 Prozent erfüllen kann, dann muss man eben über zwei Personen nachdenken, die sportliche und wissenschaftliche Kompetenz haben. Die Fülle der Aufgaben kann durchaus eine Doppellösung rechtfertigen.

Hockey ist international konzeptioniert

SZ-Interview mit Hockey-Präsident Stephan Abel über die Qualität Peters‘
SZ: Was macht Peters so gut?
Abel: Sein Enthusiasmus. Er lebt Hockey seit zwanzig Jahren, ist ein irrsinnig disziplinierter Arbeiter und jemand, der Spieler extrem gut motiviert, indem er ihnen zeigt, wo Schwachstellen und Stärken liegen.
SZ: Aber in der Fußballbranche regt sich Widerstand – weil Peters nicht aus dem Fußball kommt.
Abel: Das ist traurig. Jürgen Klinsmann arbeitet unkonventionell, will Weltmeister werden und nimmt personelle Äänderungen vor. Das ist gut und wichtig, und die, die dagegen sind, sind das bloß, weil sie das Neue nicht kennen.
SZ: Sind Fußballer borniert?
Abel: Ein so riesiger Verband lebt in sich selbst. Die haben nicht die Notwendigkeit, sich umzuschauen, weil ihr System über viele Jahre erfolgreich war. Das ist ein Problem etablierter Strukturen.
SZ: Klinsmann denkt anders.
Abel: Weil er unabhängig ist. Der braucht die Strukturen des DFB nicht. Der kann vorschlagen, was er selbst will, weil er eine finanzielle und soziale Sicherheit besitzt. Jetzt findet ein Umdenken statt. Unabhängig vom Ergebnis denkt man zumindest ach, ob man von anderen Sportarten profitieren kann.
SZ: Hockey als Entwicklungshelfer?
Abel: Ich bin überzeugt, dass der Fußball von den modernen Maßnahmen und Methoden, die wir beim Hockey nutzen, profitieren kann. Wir arbeiten schon lange mit vielen verschiedenen Spezialisten.
SZ: Sie meinen Spezialisten für Fitness, Ausdauer oder Videoanalyse. Peters hat seinen Spielern im Training sogar Helmkameras aufgesetzt, um ihre subjektiven Blickwinkel zu analysieren.
Abel: Solche Ideen kommen auch aus dem engen Austausch mit internationalen Hockeyverbänden. Es gibt Gremien, in denen die Trainer der Nationalteams zusammenkommen. Für die ist das eine intellektuelle Herausforderung.
SZ: Vieles, was Klinsmann eingeführt hat, galt im Fußball als neu: Trainingsmethoden, Spezialisten für Ausdauer, Psychologie, Motivation. Darüber können Sie beim Hockey nur gähnen, oder?
Abel: Ich gehe davon aus, dass vieles davon eingeführt wurde, weil Klinsmann und Peters miteinander gesprochen haben. Die Parallelen zu unserer Arbeit waren augenscheinlich. Diese Methodik kannten wir längst. Ich war mal bei so einer Videoanalyse von Bernhard Peters dabei. Das ist irre. Da wird nicht einfach nur das Spiel gezeigt, da werden 15 Szenen nur mit dem rechten Verteidiger vorgespielt: wie der Ball läuft, wie der Spieler sich verhält, was er besser machen muss. Dann sind die Stürmer dran.
SZ: Sind Ihre Trainer moderner?
Abel: Die Hockeyfamilie ist ganz anders strukturiert als die der Fußballer. Wir sind international konzeptioniert. Bei uns gibt es eine Turnierkultur. Das ist etwas anderes als ein singuläres Länderspiel gegen Brasilien. Bei unseren Turnieren spielen Holländer, Inder und Pakistani an einem Wochenende gemeinsam Hockey, trinken zusammen und haben Spaß, und diese Kultur bedingt, dass man sich andere Systeme anschaut, über Methoden spricht und sich austauscht.
SZ: Sie kooperieren sogar mit dem Erzrivalen Niederlande.
Abel: Ich treffe mich regelmäßig mit dem Präsidenten, wir denken über gemeinsame Projekte nach. Die starken Nationen haben vor dem Sport eine Verantwortung. Es macht ja keinen Spaß, wenn es auf der Welt nur noch sechs vergleichbar starke Hockeynationen gibt.
SZ: Im Hockey sind Fortschritte also ein gemeinsames Ziel?
Abel: Das hat natürlich in erster Linie mit Geld zu tun. Bei uns geht es immer auch darum, unsere Mäzene zu überzeugen, dass sie in einen globalen und innovativen Sport investieren. Das erfordert ständige Fortschritte.
SZ: Halten Sie spielerische Erneuerungen beim Fußball für nebensächlicher?
Abel: Es geht letztlich nicht so sehr um die Leistung, sondern um Geld, Zuschauer und Konsumenten und zum Beispiel darum, mit welcher Häufigkeit Markennamen im Bild erscheinen.

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