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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Bundesliga

Eine gute Sache – solange einem das Niveau egal ist

Oliver Fritsch | Montag, 13. Februar 2006 Kommentare deaktiviert für Eine gute Sache – solange einem das Niveau egal ist

Kaiserslautern gewinnt in Bremen, ist das schon ein Zeichen für Nivellierung? Katrin Weber-Klüver (FTD) erörtert ihre Vor- und Nachteile: „Vielleicht hilft sie, dass man die Idee wieder verwirft, aus lauter Langeweile an der Liga Samstagnachmittage künftig im Museum zu verbringen. Nivellierung hat natürlich auch ihre erbärmlichen Seiten. Etwa wenn ein Verein, der noch vor ein Verein für alle. Alle außer einem. Ließe man den Tabellenführer einmal weg, weil er mit dieser Liga nichts zu tun hat, weil er in einer Gemeinschaft der sich Gleichmachenden ungefähr so integriert ist wie die USA in die Vereinten Nationen, dann wäre die Liga gerade sehr spannend. Nivellierung ist eine gute Sache. Solange einem das Niveau egal ist.“

Schutz der Idee dieses Spiels

Bremen schießt ein Tor, und die Schiedsrichter sehen es nicht. Klaus Hoeltzenbein (SZ) fordert die Torkamera: „Verlangt wird nicht nach Orwell im Strafraum, nicht nach der Prüfung jedes einzelnen Pfiffs. Nur der wichtigste, der sollte eindeutig sein: Tor? Kein Tor? Es geht um den Schutz der Idee dieses Spiels. In Bremen wurde ein Tor verweigert, das für Titelkampf wie Klassenerhalt wichtig ist. Gewartet werden muss nicht, bis der Chip im Ball, der Sensor in den Pfosten wettkampfreif ist. Milliarden fließen in die TV-Rechte, Kameras gibt es genug, die Fifa könnte verfügen, wo in den wichtigsten, rundum-vernetzten Ligen, der Champions League und der WM eine Torkamera zu stehen hat. Die Unsicherheit ist ärgerlich, sie schafft lästige Debatten, falsche Resultate, aber sie schafft keine Mythen mehr. Wembley kommt nicht wieder, Wembley ist 40 Jahre her.“

Arminia Bielefeld–VfB Stuttgart 2:1

Zermürbt

Von wegen Befreiung! Ulrich Hartmann (SZ) beschreibt das Stuttgarter Spiel nach der Entlassung des ungeliebten Trapattoni: „Das Team konnte sich selbst nicht erklären, warum die lange ersehnte Verbannung des unzugänglichen Italo-Trainers keinen Impuls der Kreativität in ihnen ausgelöst hatte. ‚Wir hätten uns heute ein bisschen mehr erhofft‘, sagte Sportdirektor Heldt über die Emotionslosigkeit des Stuttgarter Spiels, das, unbeeindruckt von einer leichten Systemumstellung, keinerlei Ausdruck der Befreiung beinhaltete. Es war ein trauriger Tag für die zerknirschten Stuttgarter, die vom taktisch destruktiven Trapattoni sieben Monate lang derart zermürbt worden sein müssen, dass ihre zaghaften Offensivbemühungen wirkten, als wollte ein gestutzter Wellensittich zum Rundflug starten. Ihr zaghaftes Flattern löste bei den Bielefeldern keinen Gegenwind aus. (…) Erwin Staudt, der sich den Vorwurf gefallen lassen muss, zu lange an Trapattoni festgehalten zu haben, setzte Veh unter Druck, indem er im Sportstudio einem Millionenpublikum versprach, ‚am Donnerstag wird der Trainer Varianten vorstellen, die wir uns bisher erträumt haben‘.“ Auch Richard Leipold (FAZ) ist enttäuscht: „Das VfB-Orchester spielte ebenso falsch wie vor dem Wechsel des Dirigenten. Die als überholt geltende Lehre Trapattonis hatte zuletzt zu großer Leere geführt. Aber seine Art, Fußball spielen zu lassen oder gerade nicht spielen zu lassen, schien noch fest in den Köpfen der Profis verankert. Das Vakuum mit Fußball und mit Leben zu füllen ist ein schwieriges Unterfangen. Ein erster Blick auf die Mängelliste läßt zumindest ahnen, worum es gehen wird. Die Mannschaft sei gedanklich nicht in der Lage gewesen, auf Angriff zu spielen, sagt Veh. (…) Die Ostwestfalen führten dem VfB in der zweiten Halbzeit vor Augen, wie eine Mannschaft Siegeswillen zeigt, ohne sich zu unüberlegten Angriffen verleiten zu lassen.“

WamS-Interview mit Timo Hildebrand über die Entlassung Trapattonis und die Lage in Stuttgart

Schalke 04–Bayer Leverkusen 7:4

Messe des schönen Spiels

11 Tore! Christian Eichler (FAZ) kriegt den Mund nicht zu: „Es war, als hätte eine höhere Regie entschieden, nun müsse endlich wieder eine Demonstration höherer Fußballkunst her, eine Messe des schönen Spiels. Elf Tore, soviel wie auf den anderen sechs Schauplätzen zusammen; elf Tore, die bis auf den Hoppler, den Torwart Butt verschlief, so hübsch waren, daß man sie gern über vier, fünf Spieltage gestreckt hätte. Es war, als stünde man nach wochenlang trocken Brot für 90 Minuten im Schlaraffenland.“ Daniel Theweleit (BLZ) erlebt die Erlösung Schalkes: „Irgendwo tief in der Psyche des Fußballklubs Schalke 04 schieben sich schon lange gewaltige Erdplatten aneinander vorbei. Alles ändert sich, der Patriarch verliert an Bedeutung, ein erfolgreicher Trainer wurde geopfert, und der Fußball war darüber derart dürftig geworden, dass eine mittlere Katastrophe drohte. Doch diese gefährlichen Ingredienzien vermengte der seltsame Klub nicht zu einem neuen Akt der Selbstzerstörung. Stattdessen komponierte Schalke – unter engagierter Mithilfe des Gegners aus Leverkusen – eine denkwürdige Oper der Befreiung. Nach diesen unglaublichen 90 Minuten freut sich das depressive Schalker Bewusstsein über unverhoffte Frühlingsgefühle.“

Theater

Lars Ludwig Rilke (FAZ) rezensiert begeistert die Aufführung: „Im Berufsfußball muß alles seine Ursache haben, möglichst eine, die jeder versteht. Nach dem Schlußpfiff verlangt das Publikum eine Erklärung. Die Protagonisten, ob Spieler, Trainer oder Manager, bemühen sich um schlüssige Deutungen, die im Idealfall Herz und Hirn gleichermaßen überzeugen. Auch insofern war der besondere Kick eine Ausnahme, die starre Regeln bestätigt. In der Arena stand das Ergebnis für sich und für beide Mannschaften, die den verzauberten Fans hüben wie drüben eine außergewöhnliche Vorstellung geboten hatten; ein Drama, wie es in den Theatern des Fußballwestens nur alle Jubeljahre zu sehen ist. Als der Vorhang sich senkte, fühlte sich niemand imstand, die Handlungsstränge zu erläutern. Und niemand störte sich daran. Obwohl allerlei Abwehrfehler dieses Resultat ermöglicht hatten, war es nicht der Tag der Kritiker, die mit beiden Klubs, vor allem aber mit Schalke, zuletzt hart ins Gericht gegangen waren. Unglaublich, unfaßbar, verrückt, wahnsinnig: So lauten die Vokabeln, die den Grundwortschatz dieses Nachmittags ausmachten. (…) Die Arena ist für einen Nachmittag zu dem geworden, was sie immer sein wollte: zum Theater der Träume.“

Kneif mich mal! Christoph Biermann (SZ) fühlt sich wie im Traum: „Mirko Slomka wirkt auch nach fünf Wochen als Cheftrainer des FC Schalke gelegentlich noch so, als ob er zwar dabei aber noch nicht so richtig mittendrin sei. Den historischen Sieg seiner Mannschaft beschrieb er staunend als ‚tolles Erlebnis‘ und klang dabei wie einer, der diesen irren Kick dank eines gütigen Schicksals aus nächster Nähe von der Trainerbank erleben durfte. Vielleicht ging es ihm angesichts der furiosen Kuriosität aber auch nur wie den meisten Zuschauern im Stadion. Irgendwie wurde das Spiel nämlich mit jedem Treffer irrealer und man hatte das Gefühl, gleich würde einer reinkommen, die Torflut für groben Unfug erklären und alle nach Hause schicken. (…) Alle Zuschauer werden noch ihren Kindeskindern von diesem Spiel erzählen. Ein tolles Erlebnis war der Kick, aber vielleicht etwas dick aufgetragen.“

Werder Bremen–1. FC Kaiserslautern 0:2

Heinz Fricke (SZ) rätselt über das Zustandekommen des Ergebnisses: „Kaiserslautern nutzte eine glückliche Fügung dieses Tages – den besseren Fußball spielte immer noch Verlierer Werder. Es gab wenig in der Mannschaft des Gewinners, das auf eine Wende zum Besseren hindeutete, genau genommen lieferte man eine hausbackene Abwehrschlacht ab, bei der das Glück eifrig mitspielte.“

FR-Spielbericht

VfL Wolfsburg–Hertha BSC Berlin 1:1

Dünnhäutigkeit

Wer wird denn gleich beleidigt sein? Javier Cáceres (SZ) über einen eingeschnappten Berliner: „Herthas Belegschaft wird zunehmend sensibel. Torwart Christian Fiedler zum Beispiel legte sich eine Zurückhaltung auf, die fraglos der neuen Empfindlichkeit geschuldet war: ‚Schreibt, was ihr wollt!‘, gellte er den Berliner Journalisten zu, als diese ihn auf der Flucht abgepasst hatten. Ein Symptom der aus Krisenzeiten bekannten Berliner Dünnhäutigkeit. Auch deshalb, weil Fiedlers Grund für den Groll in der Berichterstattung während seiner verletzungsbedingter Absenz liegen dürfte. Fiedler nämlich war von Reservekeeper Gerhard Tremmel exzellent vertreten worden. Was Fiedler, in einem Anflug von Paranoia, den Berliner Medien offenbar verübelte, ist, dass sie Tremmel Platz eingeräumt hatte, einen Anspruch auf einen Stammplatz öffentlich zu formulieren – sowas aber auch.“

FAZ/Wirtschaft: die Hürden für Arena

Eine Tagung im Kloster Irsee über Fußball im Nationalsozialismus – Kultur, Künste, Medien mit Nils Havemann, Erik Eggers, Dietrich Schulze-Marmeling u.v.a.

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