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Champions League

Diese Elf hat einen Trainer

Oliver Fritsch | Mittwoch, 26. April 2006 Kommentare deaktiviert für Diese Elf hat einen Trainer

Ronald Reng (FTD) macht die zurücknehmende Menschenführung Frank Rijkaards für den Erfolg und die Schönheit Barcelonas mitverantwortlich: „Ein Trainer dürfe nur ihr Wegweiser, nie der Protagonist sein. Das ist für einen Trainer eine überraschende Aussage; vor allem in Zeiten, in denen Kollegen wie José Mourinho vom FC Chelsea den Ruf festigten, Trainer seien die neuen Superstars und ihre Spieler Schachfiguren. Doch Rijkaard macht es auf seine Art und er, nicht Mourinho oder sonst ein großer Schachspieler, hat die komplette Elf geschaffen: Barça, das aus Schönheit Erfolg macht, geht mit der Gewissheit ins Rückspiel des Halbfinales, auch taktisch jeden Gegner ausmanövrieren zu können. Eine Elf, die auf die Magie von Ronaldinho, Deco und Samuel Eto‘o zurückgreifen kann, brauchte nicht mehr viel, aber doch diesen einen Impuls: Barcelonas neue Qualität, die Taktik variieren zu können, machte aus einer außergewöhnlich schönen eine unglaublich gute Elf. Die Freiheit der Spieler bleibt dabei Rijkaards Manifest. Sie dürfen und sollen ihrer Eingebung folgen. Aber in seinem dritten Jahr in Barcelona hat es Rijkaard geschafft, ihren Zauber in einen taktischen Rahmen zu stecken, ohne ihn zu zerquetschen. (…) Wenige Spitzentrainer trauen sich so menschlich mit ihren Spielern umzugehen wie Rijkaard. Die meisten glauben, es würde als Schwäche verstanden. Rijkaard stand bei der Meisterfeier 2005 vor 100.000 Fans, er sollte etwas sagen. Er sagte: ‚Diese Feier gehört den Spielern‘ und verbeugte sich vor ihnen, tief wie ein Japaner. Dann ging er und setzte sich abseits in die Dunkelheit, um seiner Elf das Scheinwerferlicht zu überlassen. Wer schlüssig und menschlich handelt, braucht keine Machtgesten. Er hat natürliche Autorität. Er weiht aufnahmewillige Spieler wie Deco einzeln in die Taktik ein; absichtlich vor den Augen theoriefauler Kollegen wie Ronaldinho und Eto‘o, die dann aus Eifersucht taktisch besonders bemüht spielen. Niemand kann mehr übersehen: Diese Elf hat einen Trainer.“

Projekt

„Mein Gott, schon wieder ein Holländer!“ Walter Haubrich (FAZ) schildert, wie Rijkaard die anfänglichen Bedenken der Fans gegen ihn, den Nachfolger seines unbeliebten Landsmanns Louis van Gaal, entkräftet hat: „Rijkaard hatte sich gleich zu Beginn seiner Trainerzeit durch ein konsequentes Offensivspiel bei den 110.000 Mitgliedern des FC Barcelona beliebt gemacht. Er sorgte sofort dafür, daß die Spiele wieder zu einem unterhaltsamen Spektakel wurden – doch nach der seit Jahrzehnten ersten Heimniederlage gegen Real Madrid mußte er kurz vor Weihnachten 2003 trotzdem um seinen Posten fürchten. Doch Vereinspräsident Laporta sah im Gegensatz zu seinen Vorgängern nicht mehr in Siegen gegen Real Madrid das höchste Ziel des katalanischen Fußballs. Er vertraute weiterhin in das Projekt Rijkaards, nach dem ein fürs Auge schöner Offensivfußball nach einiger Zeit auch Erfolge bringen kann. Und Rijkaard behielt recht. Derzeit gilt der FC Barcelona als das Team, das weltweit den schönsten Fußball spielt. Rijkaard nervt mit seiner langsamen Sprechweise viele spanische Fernsehzuschauer, hat allerdings mit seiner bedächtigen und ausgeglichenen Art Ruhe unter die Spieler des FC Barcelona gebracht. Selbst die Rotation in den Aufstellungen während der langen Spielzeit mit drei Wettbewerben wird akzeptiert. (…) Auf längere Frist schließt Rijkaard dagegen nicht aus, noch einmal die holländische Nationalmannschaft zu trainieren, die er von 1998 bis zur EM 2000 schon einmal betreut hatte. Auf den Ramblas werden sie dann einem vielleicht hinterhertrauern, den sie erst gar nicht haben wollten.“

Alle gegen den Tänzer

Wie wird der AC Mailand heute Barcelonas Ronaldinho entzaubern wollen, Oliver Meiler (BLZ)? „Zur Maximalisierung der Gewinnchancen wird sich Milan in der Minimalisierung des Spielraums eines Phänomens versuchen. Alles dreht sich um Ronaldinho, das Genie des FC Barcelona, diese inkarnierte Freude am Ball, um diesen herrlich leichtfüßigen Tänzer, der mit einer schnellen Drehung und einem chirurgisch präzisen, halbhohen Pass in die Tiefe durch die gesamte Mailänder Hintermannschaft das Hinspiel 1:0 für Barça entschied und ein Lächeln nachschickte. ‚Steckt ihn in einen Käfig!‘, titelte die Turiner Zeitung La Stampa. Die Idee vom Käfig stammt von Carlo Ancelotti. Er will den Brasilianer nicht nur per Manndeckung bewachen lassen, weil man dazu nicht fähig sei und weil das allein nichts bringe. Ancelotti will ihn auf Barcelonas linker Angriffsseite in ein Netz verstricken. Und so, mit dem gebotenen Alarmismus, beschreibt es die Gazzetta dello Sport: ‚Es wird ein Netz von Männern und Antizipationen sein, von Aufpassern, zurückeroberten Bällen und gegenseitigem Beistand.‘ Alle gegen ihn, gegen den Tänzer.“ Peter Hartmann (NZZ) berichtet das Comeback zweier Mailänder Opportunisten: „Mit der Rückkehr Filippo Inzaghis verfügt Milan wieder über seinen intriganten Strafraum-Piraten an der Seite Andrej Schewtschenkos – die beiden sind mit zusammen über 100 Toren das abgebrühteste, erfolgreichste Stürmer-Duo der Champions League. Auch für den Besitzer steht viel Prestige auf dem Spiel. Silvio Berlusconi könnte nach einem erfolgreichen europäischen Auftritt seiner Gladiatoren, die in der Meisterschaft nur noch drei Punkte hinter Juventus zurückliegen, in die Rolle des populistischen Fussball-Stammesführers zurückkehren: vom abgewählten Ministerpräsidenten Italiens zum ‚presidente‘ seiner AC Milan. Es wäre das symbolische Eingeständnis seiner Niederlage, verbrämt mit einer triumphalen Geste. Der Padrone weiss: An einem solchen Abend sind die italienischen Kirchturmkriege vergessen, in der spanischen Gefahr steht das ganze Land hinter Milan, hinter Berlusconi, an den Berlusconi-Bildschirmen.“

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