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Deutsche Elf

Zwei Sturköpfe befehden sich

Oliver Fritsch | Sonntag, 11. Juni 2006 Kommentare deaktiviert für Zwei Sturköpfe befehden sich

Die Zeitungen erkennen einen ernsthaften Konflikt zwischen Jürgen Klinsmann und Michael Ballack, dem Klinsmann das Mitwirken beim Eröffnungsspiel untersagt hat, um ihn für die nächsten Spiele zu schonen. Ludger Schulze (SZ) macht sich große Sorgen: „Am Anfang eines für die Beteiligten bedeutungsvollen Turniers erhält eine durch schleichende Missverständnisse entstandene Meinungsverschiedenheit die Qualität einer Kommunikations-Havarie. Der Bundestrainer hat schon in Ballacks öffentlicher Warnung vor naiver Hurra-Offensive einen Verstoß gegen das Schweigegelübde des Nationalmannschaftsordens gesehen. Die am Donnerstag – offenbar ohne Ballacks Einverständnis – verhängte Spielpause war eine Machtdemonstration: Auch du, Ballack, bist einer von 23. (…) Zwei Sturköpfe befehden sich über die Grenzen der Vernunft hinweg.“ Michael Horeni (FAZ) fügt an: „Angesichts des Kommunikationsdesasters zwischen Klinsmann und Ballack war eine verfahrene Lage entstanden, die man wohl als No-win-Situation beschreiben muß. Klinsmann blieb am Freitag daher wohl vor allem aus Prinzip bei seiner am Donnerstag offiziell formulierten Linie. Die lange hervorragende Beziehung zwischen ihm und Kapitän Ballack, der sich in München nun um einen Höhepunkt in seiner Karriere gebracht sowie in seiner Rolle als Anführer beschnitten fühlte, hat damit ausgerechnet zum Turnierbeginn einen Tiefpunkt erreicht.“

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Neue Kraftquelle

Der Sportphilosoph Gunter Gebauer (BLZ) stellt Jürgen Klinsmann als Segen für den deutschen Fußball dar: „Seine Vorstellungen scheinen für die erdnahe Welt des Fußballs zu hoch gegriffen und für die gierigen Gelüste der Klatschpresse des Sports zu ehrgeizig zu sein. Auch wenn vieles darauf hindeutet, dass Klinsmann sich verhoben hat, so nötigt seine Anstrengung, einen Verband samt seiner Mentalität in die Höhe zu stemmen, Achtung ab. Wenn man Lothar Matthäus fragen würde, worum es beim Fußball geht, wüsste man schon vorher, was er antworten würde. Bei Klinsmann aber wäre ein Sieg nicht einfach nur ein Sieg im Fußball. Das Spielgeschehen hört für ihn nicht an der Auslinie auf: Ein Spiel dauert länger als 90 Minuten; nach dem Spiel ist nicht vor dem Spiel, sondern dazwischen gibt es noch etwas anderes. Sepp Herbergers Fußballweisheiten, die so gut zu Wohnküche und Käfer passten, werden von ihm neu formuliert. Klinsmann geht es im Fußballspiel nicht nur um Gewinnen, sondern ein Sieg macht zugleich etwas sichtbar: Er zeigt ein Streben an, das in einer inneren Orientierung verankert ist. (…) Es sei ein deutscher Irrglaube, meint er, dass es die Personen seien, die ein Unternehmen wie den deutschen Fußball effizient machten. Auf die Personen komme es nicht an, sondern darauf, dass man modernste Strukturen schaffe, die permanent reformiert werden müssen. Bisher hat man beim DFB in Personen, Cliquen, Beziehungen, Kontakten zu Wirtschaft und Staat gedacht. Ein strukturell denkender und von innen angetriebener Teamchef lastet mit einem Schwergewicht auf dem Verband, das dieser kaum tragen kann. Die Meinungsführer der deutschen Öffentlichkeit pochen auf das Dienstrecht der Beamten, das die Residenzpflicht am Arbeitsplatz fordert. Ein über E-Mails und Conference Calls operierender Unternehmer mit einem virtuellen Büro im globalen Netz ist für den Verband unvorstellbar. Die DFB-Welt ist angefüllt mit Amateurabteilungen, denen mit großer Mühe ein Anbau professionellen Sports hinzugefügt wurde. Ihr Präsident hat ständig mitzubedenken, wie sich Klinsmanns neue Konzepte mental auf die Übungsleiter, Lehrwarte, Trainerausbilder, Mannschaftsbetreuer auswirken. Stallgeruch ist hier die wichtigste Qualifikation für Planungsaufgaben. Eher lässt man den Trainer scheitern, als einen Nicht Fußballer mit der Planung neuer Strukturen zu betrauen, und sei er auch noch so kompetent. Klinsmanns Vorhaben verdient Aufmerksamkeit weit über den Fußball hinaus. Es zielt darauf, die traditionellen Stärken der deutschen Gesellschaft zu erneuern. In den letzten Jahrzehnten haben sie durch Überwucherung ihre Kraft verloren. Neue Kraftquellen sind nicht erschlossen worden; dies gilt nicht nur für den Sport.“

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