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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

WM 2006

Gruppe B

Oliver Fritsch | Donnerstag, 22. Juni 2006 Kommentare deaktiviert für Gruppe B

Nervensägen

Ronald Reng (BLZ) betont die Heterogenität der Schweden: „Schweden hat bei dieser WM bislang schlechte Haltungsnoten bekommen. Ihr Spiel ist steril, für Kreativität muss eine Vermisstenanzeige aufgegeben werden. Das 2:2 gegen England lieferte das bislang beste Röntgenbild dieses schwedischen Teams. Sie zeigten alles. Ihre Schwächen, etwa die Schwierigkeit, den Ball ruhig zu passen, oder die Lücken auf der rechten Abwehrseite. Ihre Stärken, die Aggressivität, das Pressing und die gefährlichen Eckbälle. Es ist eine Elf ohne Komplexe, die Experten sollen gerne über ihre Biederkeit lästern, sie, die Spieler, wissen sehr gut, wer sie sind und was sie können. Sie sind immer noch Nervensägen. Viel ist geschrieben worden über ihren neuen Glamour, eine Angriffsreihe von Weltniveau mit Zlatan Ibrahimovic und Henrik Larsson. Doch stilprägend für Schweden sind noch immer die anderen, Kim Källström von Olympique Lyon und Tobias Linderoth vom FC Kopenhagen im zentralen Mittelfeld, mit ihrer Energie, ihrer Kondition, ihrer taktischen Disziplin.“

Roland Zorn (FAZ) fügt hinzu: „Die Schweden, seit zwölf Begegnungen ohne Niederlage, haben genug zu bieten, um auch dem Turnier-Gastgeber gefährlich werden zu können: eine in sich gefestigte, aber in Eins-gegen-eins-Situationen anfällige Abwehr; ein stabiles, aber selten inspiriertes Mittelfeld; und ein paar individuell glänzende, kollektiv aber nicht immer leicht zu integrierende Stars im Angriff. Und dann diese Standardsituationen: Kaum eine Mannschaft versteht es bei diesem Turnier so gut wie die Schweden, Eckbälle zu Waffen zu machen. Die englischen Recken Ferdinand und Terry gerieten in diesen nach der Pause zahlreichen Momenten geradezu in Panik. Schließlich vertraut Schweden einer ebenso herausragenden Fitness wie die Deutschen und darüber hinaus seinen Endspurtqualiäten.“

Ungeschlacht

Bernd Müllender (taz) geht mit den Schweden härter ins Gericht: „Viele Aktionen der Schweden waren wenig Achtelfinal-würdig. Ungeschlacht das schwedische Aufbauspiel, ohne Kreativität und Finesse. Mittelfeldspieler Christian Wilhelmsson steht, optisch jedenfalls, stellvertretend für diese Spielweise: Sein langes dünnes Zöpfchen war höchstens vor 15 oder 20 Jahren aktuell. Entsprechend das schwedische Aufbauspiel: aggressiv zwar, aber ohne Ballstafetten, schnell, weit und hoch nach vorne, um das Mittelfeld bloß schnell zu überbrücken. Freddie Ljungberg und Henrik Larsson, die wirbeligen Angreifer, können einem Leid tun: Sie haben in diesem Team kaum fähige Mitspieler.“

FR: Warum die Schweden so schwer zu schlagen sind

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Systembedingte Schwäche

Michael Wulzinger (Spiegel) geht dem Unterschied zwischen der englischen Nationalmannschaft und der englischen Liga auf den Grund: „Trotz ihrer großen Namen bolzten sie so uninspiriert wie in jenen Tagen, als auf der Insel kontinentale Einflüsse im Fußball noch als Bedrohung ureigener Werte verteufelt wurden. Es ist so etwas wie der Fluch der Premier League. Einerseits suggeriert das Spektakel, das den Fans auf der Insel Woche für Woche geboten wird, dass sie im fußballerischen Schlaraffenland leben. Andererseits hat der milliardenschwere Glamourbetrieb einen Verdrängungswettbewerb um die begehrten Arbeitsplätze bei den Vereinen in Gang gesetzt, der weltweit einmalig ist. (…) Es erstaunt nur bedingt, dass englische Starkicker wie Frank Lampard vom FC Chelsea oder Steven Gerrard vom FC Liverpool, die in der Premier League verlässlich auf Hochtouren laufen, im Nationalteam nur selten ihr Niveau erreichen. Ihr Leistungsabfall ist systembedingt. So muss der schussgewaltige Gerrard genauso wie Lampard bei Länderspielen im Mittelfeld Defensivaufgaben erledigen, die ihm im Club ein Stratege wie der Spanier Xabi Alonso – auf dieser Position bei der WM einer der überragenden Spieler – selbstverständlich abnimmt.“

Raphael Honigstein (SZ) weiß nicht, was er von dem 2:2 gegen Schweden, insbesondere der zweiten Halbzeit der Engländer, halten soll: „Kapitän Beckham, der anfangs mit ein paar feinen Pässen gefallen hatte, verwandelte sich in einen ausgesprochenen Passivposten an der rechten Außenbahn. Er war so neben der Spur, dass man gar nicht wusste, ob er überhaupt noch mitspielte. Dass dann auch noch die sonst so verlässlichen Innenverteidiger patzten, machte den Abend vollends befremdlich. Es war der beste und der schlechteste Auftritt der Engländer innerhalb eines einzigen Spiels. Auf wen oder was kann man sich in dieser Mannschaft überhaupt noch verlassen?“

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