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Zwei neue Chefs

Oliver Fritsch | Donnerstag, 14. September 2006 Kommentare deaktiviert für Zwei neue Chefs

Den 2:0-Sieg Chelseas gegen Bremen beschreibt die deutsche Presse als Sieg der Nüchternheit; daß Michael Ballack nun Elfmeter schießen darf, ist eine Hierarchiefrage / Viel Lob für Mark van Bommel beim 4:0 der Bayern gegen Spartak Moskau

Raphael Honigstein (FR) wird sich nicht mehr in Chelseas Mannschaft verlieben: „Gegen die bemühten, letztlich aber nur gepflegte Harmlosigkeit verbreitenden Bremer reichte ihr typisch passiv-aggressives Spiel.“ Michael Horeni (FAZ) vergleicht die beiden Kontrahenten: „Der Unterschied zwischen den Markenprodukten aus der Londoner Fußball-Luxusboutique und eines natürlich und solide gewachsenen hanseatischen Unternehmens ist deutlich geworden.“

Mourinhos manischer Auftritt war das unterhaltsamste Element des Abends

Im Blickpunkt ist Michael Ballack, dessen Elfmetertor Englands Presse feiert – auch deswegen, weil Frank Lampard in letzter Zeit Chelseas Elfmeter meist verschossen hat. Sabine Rennefanz (StZ) stellt mit Staunen den hohen Rang Ballacks in seiner neuen Umgebung fest: „Mit dem Treffer hat sich Ballack ins Herz des englischen Meisters geschossen. Eingewöhnungsschwierigkeiten im wohl extravagantesten Fußballteam der Welt mögen andere haben, er nicht. Es mag erst sein drittes Spiel für Chelsea sein, aber er zeigte von Anfang an, wer das Mittelfeld führt.“ Boris Hermann (BLZ) ergänzt die Kehrseite: „Ballack hat sich nicht nur der neuen Fußballwelt in London angepaßt. Der FC Chelsea ist auch bereits ein bißchen wie seine neue Nummer 13 geworden – mit allen Qualitäten und allen Fehlern. Seltsam lethargisch ging die Mannschaft die zweite Halbzeit an. Sie wirkte plötzlich so unterkühlt wie Ballack an jenen Tagen, wenn nur der Spielberichtsbogen auf seine Anwesenheit hindeutet. Beim FC Bayern hat er zahlreiche solcher Spiele geliefert.“ Auch Honigstein beschreibt die Elfmeter-Story als Hierarchiefrage: „Die im Grunde läppische Geschichte ist nicht unerheblich, weil sie von der Änderung Chelseas erzählt. Lampard, Garant der beiden Meistertitel und Mourinhos Lieblingsspieler, ist zum ersten Opfer der ausländischen Superstars geworden.“

José Mourinhos Klage über die vielen Gelben Karten gegen seine Mannschaft und das verschwörerische System, das angeblich dahinterstecke, kommentiert Honigstein ironisch: „Mourinhos manischer Auftritt war leider mal wieder das unterhaltsamste Element des Abends. 10.000 Stadion-Plätze wären kaum leer geblieben, wenn man seine Tiraden live auf den Großbildschirmen übertragen würde. Die Partien der Blauen dagegen sind bei weitem nicht so faszinierend.“

Magath hat ein Experiment gewagt

Viel Lob für Mark van Bommel beim 4:0 der Bayern über Spartak Moskau – Heinz-Wilhelm Bertram (BLZ) applaudiert: „van Bommel deutete in der furiosen zweiten Halbzeit an, was er für den FC Bayern noch wert sein könnte: Er vermochte zu akzentuieren und zu koordinieren, er schonte sich nicht in den Zweikämpfen. Van Bommel zeigte ein feines Gespür für solche Bälle, die des Nachsetzens wert waren oder solche, die es nicht waren. Das deutete seine Fähigkeit zum Dosieren, zu Impulsgebung und Tempoverschärfung an; die so ersehnte Revitalisierung des oft leblos-schematischen Bayern-Offensivspiels könnte Wirklichkeit werden.“ Klaus Hoeltzenbein (SZ) würdigt van Bommels Autorität auf dem Spielfeld: „Insgesamt war es mehr ein Spiel der Andeutungen als der Offenbarungen, dafür war Spartak zu charakterschwach, aber es darf schon jetzt vermutet werden, daß die Bayern zuletzt zwei ihrer wichtigsten Transfer-Entscheidungen überhaupt getroffen haben: Die eine war, Owen Hargreaves gegen dessen Widerstand zu halten. Die andere, Mark van Bommel beim FC Barcelona auszulösen. Als Bankspieler wie dort ist der Holländer kaum tauglich, auf Dauer drängt er mit seinem klaren, dynamischen Spiel in eine Chefrolle.“

Elisabeth Schlammerl (FAZ) hebt die Bedeutung des Siegs für Felix Magath hervor: „In diesem Spiel ging es auch ein wenig um sein Image, das im Umfeld des Vereins trotz der beiden national sehr erfolgreichen Jahre zuletzt ein wenig gelitten hat. Magath hat das seltene Experiment gewagt und drei Stürmer auf den Platz geschickt. Wäre es nicht gutgegangen, hätte die Mannschaft nicht nach 45 Minuten die Wende zum Guten geschafft, wäre Magath der große Verlierer gewesen.“ Die Vorsicht der Gäste deutet Schlammerl als Ehrerbietung: „Die Spielweise der Russen zeugt von gehörigem Respekt dem Deutschen Meister gegenüber, und sie zeigt, daß der Ruf der Bayern in weiten Teilen Europas offensichtlich besser ist, als die Ergebnisse der vergangenen vier Jahre vermuten lassen würden.“

FR: Der FC Bayern braucht nur 45 Minuten, um Moskau zu besiegen

NZZ-Bericht Lyon–Real (2:0)

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