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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Deutsche Elf

Fremd im eigenen Team

Oliver Fritsch | Montag, 4. Juni 2007 Kommentare deaktiviert für Fremd im eigenen Team

Die Presse gewinnt dem 6:0 über San Marino ein großes und ein kleines Thema ab: Das große ist „Miro von der traurigen Gestalt“ (FAZ), die Geschichte des tor- und mutlosen Torjägers Klose; die kleine ist die Slapstick-Einlage Jens Lehmanns

Andreas Lesch (Berliner Zeitung) kommentiert Kloses Not: „Die Torlosigkeit ist ein Symptom, nicht aber der Kern seines Problems. Welch üble Phase er durchmacht, ist vielmehr an der Orientierungslosigkeit abzulesen, die sein Verhalten auf dem Platz und abseits davon prägt. Klose wirkte fremd im eigenen Team.“ Jan Christian Müller (FR) spekuliert über Kloses sofortigen Wechsel nach München: „Wer den einigermaßen bizarren Auftritt von Klose nach dem Spiel miterlebt hat, kann nur zu dem Schluß kommen: Es hat nur noch wenig Sinn, wenn er seinen Vertrag bei Werder Bremen erfüllt. Klose, diesen Eindruck vermittelt er, ist nach drei insgesamt erfolgreichen Jahren an der Weser, warum auch immer, unglücklich. Man darf gespannt sein, was die Herren Allofs, Hoeneß und Rummenigge zu besprechen haben in den nächsten Tagen.“

Christof Kneer (SZ) diagnostiziert Rückschritte: „Vor einem Jahr wäre man wahrscheinlich ganz gerne Miroslav Klose gewesen, vor allem jener Klose, der im WM-Achtelfinale gegen Schweden das vielleicht beste Stürmerspiel aller Zeiten und Welten aufgeführt hatte. Im Moment aber möchte niemand tauschen mit diesem bemitleidenswerten Mann, dessen Auftritt in der Interviewzone eine Fortsetzung des San-Marino-Spiels mit anderen Mitteln war. Er hat irgendwie alles versucht, aber weil er irgendwie selbst nicht dran glaubte, ging irgendwie alles schief. Wer diesem Spieler namens Klose im Moment begegnet, der kann nicht ausschließen, daß das Original irgendwann in den letzten Wochen gegen eine Fälschung ausgetauscht wurde. Vielleicht ist das Original beim Geheimtreffen mit dem FC Bayern in der Hotelsuite vergessen worden, und seitdem spielt ein ähnlich frisiertes Double. Klose spricht plötzlich wieder wie damals, als er der Bub aus Blaubach-Diedelkopf war und alle Bodenbeläge aller Presseräume aller Stadien beim Namen kannte. Inzwischen schaut er auch wieder nach unten bei den Interviews, aber er ist nicht mehr schüchtern wie damals. Er ist jetzt völlig verunsichert, überwältigt von einer tiefen sportlichen und privaten Krise, die sich bei einem Berufssportler aber nur über den Sport therapieren läßt.“

Wir spielen nun zu zehnt

Roland Zorn (FAZ) fordert Klose dazu auf, Stellung zu beziehen und sich von seinem Berater Alexander Schütt zu emanzipieren: „Beraten, verraten, verkauft – das kann auch in einer Branche, die vom raschen und üppigen Geldtransfer gespeist wird, nicht die Richtung sein, um aus Spielern Persönlichkeiten zu machen. Ob Klose nun einen Berater und Freund an seiner Seite hat oder jemanden, der mit dem in die Tor- und Psychokrise gerutschten Stürmerstar vor allem Geld verdienen will, das ist eigentlich unerheblich. Solange Klose selbst sich nicht so artikulieren mag, wie es in seiner Situation vor einer wichtigen beruflichen Änderung nötig wäre, trägt er an seiner inzwischen chronischen Abseitsposition die größte Schuld. Auch mal deutlich Ja oder Nein sagen zu können und den Gang des Diskurses um die eigene Person argumentativ zu beeinflussen, müßte das vorrangige Interesse eines mündigen Berufsfußballspielers sein. Er war einmal ein Vorbild für viele jugendliche Fußballfans ob seines stürmischen Elans – und als fairer Sportsmann obendrein. Inzwischen verfehlt er seine sportlichen Ziele von Woche zu Woche, und mit der Fairness hat er es in der abgelaufenen Saison gegen Ende auch nicht mehr so gehabt.“

Oskar Beck (Welt) spöttelt: „Im Übrigen, um das Wichtigste nicht zu vergessen, schockt Jogi Löw mit seinem Festhalten an Klose die Konkurrenz mit Blick auf die EM 2008 schon jetzt mit der Botschaft: Ihr habt keine Chance, wir sind zu gut. Sogar mit zehn Mann.“

Schnarchnase

Ludger Schulze (SZ) kneift den deutschen Tormann in den Arm: „Mal angenommen, der Paukenschläger würde im zweiten Satz von Joseph Haydns Sinfonie Nr. 94, G-Dur, den Einsatz verschlafen – seinen einzigen Einsatz –, weil er gerade vom Urlaub auf den Malediven träumt, dann würde vermutlich zweierlei passieren: Haydns so genannte Sinfonie mit dem Paukenschlag hätte ihren Namen nicht verdient – und die Schnarchnase an der stummen Pauke könnte sich ein anderes Orchester suchen. Dem Torwart Jens Lehmann ist ähnliches unterlaufen, beim einzig nennenswerten Angriff der Auswahl San Marinos, beim Stand von nullnull. Rechts außerhalb seines Strafraums verfummelte sich Lehmann und mußte deshalb einen Schuß des Solostürmers Marani aufs verwaiste Tor mit den Händen abwehren – außerhalb des Strafraums eben. Der Schiedsrichter guckte nicht richtig hin, weshalb Lehmann weiterspielen durfte im deutschen Fußball-Orchester.“

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