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Die Spieler des FC Barcelona finden Lücken, die es gar nicht gibt

Oliver Fritsch | Donnerstag, 4. Oktober 2007 Kommentare deaktiviert für Die Spieler des FC Barcelona finden Lücken, die es gar nicht gibt

Die Presse bescheinigt dem VfB Stuttgart im Duell mit den spanischen Stars Chancenlosigkeit

Flurin Clalüna (Neue Zürcher Zeitung) beschreibt die eindeutige Hackordnung: „Es waren nur trügerische Hoffnungsschimmer, die Stuttgart wenige Momente vor der Pause glauben machten, er könne dem Starensemble aus Barcelona vielleicht doch auf Augenhöhe begegnen. Der VfB-Stürmer Gomez, der bekennende, gedankliche Überläufer (er ist Anhänger Barças), scheiterte nach einer halben Stunde zweimal an Keeper Valdes, der Schwede Farnerud war kurz vor der Pause allein vor dem Tor glücklos. Es blieben optische Täuschungen, ohne Wert und Nachhall, denn der FC Barcelona gab sich nur in diesen wenigen Minuten dem Leichtsinn hin. Sonst traten die Katalanen so überzeugend auf, dass keine Fragen über die Kräfteverhältnisse offen blieben.“

Jörg Hanau (FR) fährt den VfB-Spielern, die sich selbst ein gutes Zeugnis ausstellen, übers Maul: „Haben die einen Ball zu viel gegen die Birne gekriegt? Der Realitätsverlust bei den bemitleidenswerten Stuttgarter Berufsfußballern war jedenfalls kaum auszuhalten. ‚Gleichwertig‘, ‚auf Augenhöhe‘, ja sogar von einem möglichen Sieg war nach der verdienten Niederlage des Krisenmeisters die Rede. Hallo? Dass manch einer beim Kopfball die Augen verschließt, okay, das kommt vor. Aber 90 Minuten lang? Der VfB Stuttgart, das sei nicht verschwiegen, mühte sich redlich. Die Schwaben kämpften mit den vergleichsweise biederen Mitteln einer durchschnittlichen Bundesligamannschaft. Mehr ist momentan nicht drin. Zehn gute Minuten am Ende der ersten Hälfte, zwei zweifellos gute Chancen, die Gomez und Farnerud versemmelten, das war’s aber auch schon. Gegen die Weltauswahl war der VfB schlicht und ergreifend chancenlos.“

Roland Zorn (FAZ) hat mehr Herz erwartet: „Letztlich konnte Vehs Aufgebot das Format, das die Mannschaft in den letzten zwanzig Minuten vor der Pause bewiesen hatte, nicht halten. Die zweite Hälfte war wie zuletzt in der Bundesliga von Mühsal statt von Leichtfüßigkeit, von Mangel an Phantasie statt von einem Schuss Extra-Esprit, von Zaghaftigkeit statt von Mut vor Europas Fußballthronen gekennzeichnet. So kommt der VfB weder in der heimischen noch in der europäischen Spitzenklasse voran. Dass der Anfang vom Stuttgarter Ende mit einem Führungstreffer für Barcelona gekommen war, dem so gar nichts ästhetisch Wertvolles anhaftete, war Ironie des Schicksals.“

Die Perspektive dieser Elf wird aufgefressen von der Gegenwart

Christof Kneer (SZ) träumt von Barcelona: „Vermutlich werden sich die Spieler des FC Barcelona in ein paar Jahrzehnten noch entschuldigen für dieses Tor gegen den VfB, das sie so nie schießen wollten. Eine Viertelstunde später haben sie das Tor geschossen, das sie schießen wollten. Es war eines jener Kleinkunsttore, die man sich noch mal im Fernsehen anschauen muss, um sie zu begreifen. Die Spieler des FC Barcelona finden Lücken, die es gar nicht gibt.“

In einem zweiten Text analysiert Kneer wohlwollend die Zwangslage der Stuttgarter: „Im Grunde muss man sich dieses Spiel wie eine große Party vorstellen, auf die man sich monatelang gefreut hat – aber wenn die Party da ist, hat man plötzlich schreckliche Kopfschmerzen. Um solche Spiele spielen zu dürfen, haben sie beim VfB ein Jahr lang gekämpft, und am Ende des Kampfes waren sie plötzlich Meister. Die Stuttgarter sitzen gerade in der Meisterfalle. Könnten sie dieses Barcelona-Spiel herauslösen aus den Zwängen des Alltags, dann hätten sie es mit einem Spiel zu tun, mit dem sie sich womöglich anfreunden könnten. Natürlich hat die Abwehr oft naiv ausgesehen gegen Hochgeschwindigkeitsdribbler wie Messi; natürlich wirkt das Spiel von Farnerud oder Magnin holzschnittartig verglichen mit den samtbeinigen Iniesta oder Deco; sichtbar wurde aber auch, wozu diese Mannschaft einmal fähig sein könnte. Es war durchaus eine Erkenntnis, dass Spieler wie Mario Gomez, 22, Sami Khedira, 20 und Roberto Hilbert, 22, das Spiel auch auf dieser Ebene verstehen. Gäbe es diesen lästigen Alltag nicht, so könnten sich Heldt und Veh die Kopfbälle von Gomez, die Dribblings von Hilbert und die Steilpässe von Khedira rahmen und übers Bett hängen – als Bestätigung dafür, dass sie dabei sind, eine zukunftsfähige Elf anzumischen. Das Problem ist aber, dass der VfB Stuttgart keine Zeit für die Zukunft hat. Die Perspektive dieser Elf wird aufgefressen von einer Gegenwart, die ein kraftraubendes Spiel wie jenes gegen Barcelona eher zur Belastung macht.“

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