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Bundesliga

Mario Gomez wächst aus der Bundesliga heraus

Oliver Fritsch | Montag, 10. März 2008 Kommentare deaktiviert für Mario Gomez wächst aus der Bundesliga heraus

Karlsruhe steht Franck Ribéry Spalier; Stuttgart und Bremen bieten das übliche Spektakel, doch die Brüchigkeit beider Teams ist nicht zu übersehen; der Vorsprung der Bayern wächst – die Bundesliga macht den Kotau vor dem Tabellenführer, bloß der Stuttgarter Torjäger Gomez kann da noch mithalten / Mirko Slomka und auch Verlierer Michael Frontzeck können verschnaufen / Hertha weckt Optimismus – die Pressestimmen zum 23. Spieltag

Jörg Hanau (FR) kann die Tabelle lesen und setzt einen Haken unter die nächste Meisterschaft des FC Bayern, die er aber bloß als Warmlaufen versteht: „Über allem thront, wie von vielen vorausgesagt, der FC Bayern. Nach überstandenem Herbststurm machen sich in München bereits erste Frühlingsgefühle breit. Die Bayern sind durch und können sich allenfalls noch selbst vom Thron stürzen. Ob sich die Plünderung des Festgeldkontos wirklich gelohnt hat, wird aber erst die neue Saison zeigen, wenn sich die von Hitzfeld zusammengestellte Mannschaft unter Klinsmann als europäisches Spitzenteam beweisen muss. Denn nichts anderes schwebt den Bayern-Bossen vor. Der Gewinn einer weiteren deutschen Meisterschaft ist zwar gewünscht, der Sieg im DFB-Pokal und im Uefa-Cup sind ernstzunehmende Ziele. Aber über allem steht die Rückkehr auf den angestammten Platz im europäischen Fußballadel – in der Champions League.“

Mathematisches Gefühl für den Strafraum

Klaus Hoeltzenbein (SZ) hat von den Karlsruher Abwehrspielern mehr Widerstand gegen die Bayern und ihren Hauptdarsteller erwartet: „Das Mitwirken von Franck Ribéry macht jede Niederlage erträglicher. Er ist zu einer übergeordneten Autorität geworden. Sobald er aktiv beteiligt ist, tut’s nicht mehr gar so weh. Vielleicht sollten die Bayern aber, um die Zeremonie noch eindrucksvoller wirken zu lassen, den Gegnern Reiskörner oder Blumen zur Verfügung stellen, die sie in den Weg werfen können, sobald der Franzose antritt. Auch Seifenblasen könnten solch ein Solo noch einmal verschönern. Der Sieg hatte einiges von einem gelungenen Illusionstheater. Die Zuschauer zogen unter dem Eindruck ins Wochenende, etwas Großartiges erlebt zu haben.“

Anerkennend merkt Hoeltzenbein zum Toni-Tor an: „Luca Toni führte vor, dass sich auch ein Fußballstürmer wie ein Kreisläufer beim Handball drehen kann. Er wackelte so lange mit dem Hintern, bis er den lästigen Maik Franz abgeschüttelt hatte und dieser vom Boden aus zusah, wie Toni erfolgreich in die lange Ecke zielte. Toni sah nur auf den Ball, nicht aufs Ziel, er muss ein enormes, fast mathematisches Gefühl für den Strafraum haben.“

Dribbelbrecher, Brechdribbler

Christof Kneer (SZ) führt den 6:3-Sieg der Stuttgarter gegen Bremen auf die Dominanz Mario Gomez’ zurück: „Es war das spektakulärste Spiel dieser Saison, aber die Wahrheit hinter dem Spektakel war erschütternd banal. Die Wahrheit hieß Gomez. Und es waren ja nicht nur die Tore, die einem bedenklich wackelnden VfB zu Hilfe kamen. Gomez’ Spiel verlieh der Mannschaft so viel Zutrauen, dass sie gar nicht anders konnte, als sich in die alte meisterhafte Offensivform hineinzusteigern. Auf den ersten Blick sah der VfB wieder aus wie einst im Mai, auf den zweiten Blick aber war er das krasse Gegenteil. Im Mai ist der VfB deutscher Mannschaftsmeister geworden, aber so langsam wird Fußball in Stuttgart zur Individualsportart – betrieben von einem, dessen Spielweise die Liga selten erlebt hat. In dieser kolossalen Veranlagung paart sich Wucht mit Eleganz, Gomez ist ein Dribbelbrecher und ein Brechdribbler, er ist Sprengmeister und Spitzentänzer. (…) Es ist nicht mehr zu übersehen, dass hier ein Spieler gerade dabei ist, aus der Bundesliga herauszuwachsen.“

Titel außer Reichweite

Christian Kamp (FAZ) rügt die Abwehrschwäche der Bremer: „Eine Spitzenmannschaft sind die Bremer derzeit nicht. Diese Erkenntnis, die nach dem mühsamen Start in die Rückrunde allmählich gedämmert war, wurde an diesem schwarzen Samstag zur Gewissheit. Man brauchte gar nicht auf die Tabelle zu schauen, um sich zu fragen, wie eine Mannschaft Meister werden soll, die dreimal so viele Gegentore kassiert hat wie der Tabellenführer. Die neunzig Minuten auf dem Platz hatten völlig gereicht, um die Bremer Naivität zu studieren. Einen Titel zu holen – erst recht einen, der die Konstanz belohnt – scheint derzeit außerhalb der Bremer Reichweite. (…) Es war ein anderes, ein immergleiches Bild, das der am Ende berauschenden Partie ihr Gesicht gab: Ballverlust Bremen, ein blitzgescheiter Pass von Marica, Bastürk oder Magnin – Tor. Da waren sie mit einem Mal wieder zu sehen: die Leidenschaft und die Leichtigkeit des Stuttgarter Spiels aus der Meistersaison.“

Kneer scherzt: „So geht das normalerweise zu bei Jubiläumsspielen, aber nach Recherchen dieser Zeitung handelte es sich bei diesem 3:6-Spektakeldebakel um ein ernsthaftes Ligaspiel, bei dem sich beide Trainer offenbar auf eine revolutionäre Interpretation des Rotationsprinzips verständigt hatten. Thomas Schaaf und Armin Veh hatten die Abwehrreihen komplett hinausrotiert aus ihren Teams – sie hatten zwar ein paar Verteidiger aufgeboten, aber sie hatten ihnen möglicherweise untersagt zu verteidigen. So ein Spiel kann also dabei herauskommen, wenn zwei Mannschaften aufeinander treffen, deren Spiel sich von vorne definiert.“

Jobgarantie bis zum Saisonende

Beim Spiel zwischen Bielefeld und Schalke (0:2) stehen die Trainer im Mittelpunkt – Roland Zorn (FAZ) erkennt beruhigende Signale auf beiden Seiten: „Zeitenwende ‚auf’ Schalke nach zuletzt drei Bundesliga-Niederlagen: Das könnte auch für Trainer Mirko Slomka gelten, dem die Vereinsspitzen erst einmal bis zum Saisonende weiter vertrauen wollen. Rüttelte vornehmlich Präsident Josef Schnusenberg zuletzt heftig an der Autorität Slomkas, verschaffte sich der Coach mit Hilfe seines Teams durch den Sieg in Porto und die Fortsetzungsgeschichte in Bielefeld neue Sicherheit am Arbeitsplatz. Voll des guten Glaubens sind sie trotz allem inzwischen auch wieder in Bielefeld. Die Fans, noch vor vierzehn Tagen außer sich vor Wut nach der 0:2-Heimschlappe gegen die genauso schlechten Duisburger, standen diesmal hinter ihrer Mannschaft. ‚Frontzeck raus’-Rufe wurden nicht mehr laut, und auch die Vereinsspitze hat inzwischen anders als die der Schalker eindeutig Position bezogen. Sie verschaffte dem Bielefelder Trainer eine Jobgarantie bis zum Saisonende.“

Ulrich Hartmann (SZ) fügt an: „Es war das überraschendste Ergebnis des Tages, dass die beiden am meisten vom Arbeitsplatzverlust bedrohten Trainer der Bundesliga das mit diesbezüglichem Ausscheidungscharakter bewertete Duell mit der Aussicht beendeten, ihren Job bis zum Saisonende behalten zu dürfen. Dass dies auch darüber hinaus gilt, ist in beiden Fällen längst nicht sicher. Slomkas gestärkte Position erscheint trügerisch. Die jüngste Kritik des Kapitäns Marcelo Bordon am Spielsystem und das ablehnende Verhalten des Stürmers Kevin Kuranyi können durch zwei Erfolge nicht gleich wieder vergessen gemacht werden.“

Mit Plan

Nach dem 1:1 – Stefan Hermanns (Tagesspiegel am Sonntag) bewertet die Berliner Zukunft optimistischer als die Dortmunder: „Nur auf den ersten Blick bewegen sich Hertha und der BVB derzeit auf etwa gleichem Niveau. Bei genauerem Hinsehen erkennt man, dass bei den Berlinern die Voraussetzungen für eine bessere Zukunft zumindest im Keim existieren. Sie haben all das, was die Dortmunder nicht haben: ein Mittelfeld, das dem Spiel Struktur geben kann, einen Stürmer, der Bälle behaupten kann und immer gefährlich ist, vor allem aber haben sie einen Plan.“

Mit Unterhaltungswert

Daniel Theweleit (Financial Times Deutschland) kann dem Ringen um den Klassenerhalt etwas abgewinnen: „Der Abstiegskampf wird mehr und mehr zu einem Wettlauf der Stagnierenden. Die Anhänger dieser chronisch Erfolglosen mag das quälen, dem Unterhaltungswert des unteren Tabellendrittels ist diese Dramaturgie jedoch nicht abträglich. Auch die Partie Duisburg gegen Rostock enthielt alle Zutaten eines Abstiegsduells: Ärger über den Schiedsrichter, Verletzungspech, Trainer-Raus-Rufe, pfeifende Fans – und als Würze dieser Melange viel Tabellenkeller-Rhetorik.“

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